Kommunen - Spar oder stirb (1): Die Misere:Klamm wie nie zuvor

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Die Kassen deutscher Städte sind leer. An den Ursachen der Misere sind die Kommunen nicht ganz unschuldig - jetzt versuchen sie, sich mit zum Teil bizarren Sparideen aus der Misere zu befreien. Eine neue Serie auf sueddeutsche.de.

Susanne Klaiber

Stadtangestellte bellen, um Hunde aufzuspüren, für die Herrchen keine Steuern zahlt. Grundschulen werden aus finanziellen Gründen geschlossen. Und für Sex verlangt eine Stadt Sondergebühren.

Klamm oder sogar pleite: Den deutschen Städten und Gemeinden geht es nach eigenen Angaben so schlecht wie seit dem Krieg nicht mehr. (Foto: Foto: ddp/iStock, Collage: sueddeutsche.de)

Was nach einer Komödie klingt, ist das Ergebnis der realen Tragödie deutscher Städte und Gemeinden. Ihr Finanzproblem sei "beispiellos in der Nachkriegsgeschichte", sagt Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. "Wir fahren auf der Felge", sagt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes.

Viele Kommunen bewerten ihre finanzielle Lage so katastrophal, dass sie sich gezwungen sehen, kreativ zu sein - beim Sparen und beim Suchen von Einnahmequellen. Spar oder stirb, heißt die Devise.

Schlimm, schlimmer, 2010

Der Städtetag schätzt, dass die Gemeinden und Städte im vergangenen Jahr zehn Milliarden Euro Defizit gemacht haben. Für das Jahr 2010 soll es noch schlechter aussehen.

Die Kommunen und ihre Verbände begründen die Entwicklungen einerseits mit den steigenden Sozialausgaben. Sie müssen dafür sorgen, dass die Kinderbetreuung funktioniert. Sie müssen Hartz-IV-Empfängern eine Wohnung zahlen und sich darum kümmern, dass diese trotz steigender Energiepreise darin nicht vor Kälte bibbern.

Auf der anderen Seite sinken die Einnahmen wegen der Wirtschaftskrise. Die örtlichen Betriebe schwächeln und zahlen weniger Gewerbesteuer. Die Angestellten verdienen weniger und zahlen so weniger Einkommensteuer. Von ihr bekommen die Kommunen einen festen Prozentsatz.

Kleines Bonbon als große Katastrophe

Und dann ist da seit Januar noch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Ein kleines Steuerspar-Bonbon für die Bürger, eine Katastrophe für die Kommunen. Nach einer Schätzung des Städtetags werden deswegen pro Jahr 1,6 Milliarden Euro weniger Steuern in ihren Kassen landen. Und es könnte noch schlimmer kommen, wenn die Bundesregierung die Steuern noch weiter senkt.

Solche Steuerausfälle treffen die Kommunen besonders hart, weil Steuern eine ihrer wichtigsten Einnahmequellen sind. Nach Angaben des Städtetags machten sie im vergangenen Jahr etwa 37 Prozent ihrer Einkünfte aus. Den größten Teil davon bildete die Gewerbesteuer. Danach folgten die Einkommen-, die Grund- und die Umsatzsteuer und weit abgeschlagen andere Steuern wie die Hundesteuer.

Ebenso bedeutend wie die Steuern ist für die Kommunen das Geld von Bund und Ländern. Im vergangenen Jahr machte es 38 Prozent ihrer gesamten Einkünfte aus.

Aus Gebühren, zum Beispiel für die Müllabfuhr, stammen nur neun Prozent der kommunalen Einnahmen. Diese können die Städte allerdings nicht beliebig erhöhen, sie dürfen höchstens so viel vom Bürger verlangen, wie die in Anspruch genommene Leistung an Kosten verursacht. Derzeit werden viele Angebote aber von den Städten subventioniert - noch.

Hohe Einnahmen trotz Krise

Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen relativiert das Wehklagen der Städte und Gemeinden allerdings. In der neuesten Ausgabe der Verbandszeitschrift schreibt er: "Die Öffentlichkeitsarbeit der Städte und Gemeinden war in den letzten Wochen eine Klasse für sich." In NRW hätten die Kommunen im vergangenen Jahr die vierthöchsten Steuereinnahmen der Nachkriegszeit bekommen. Die nicht zweckgebundenen Zuschüsse des Landes an die Kommunen, die Schlüsselzuweisungen, seien im Jahr 2010 sogar die zweithöchsten in der Geschichte. Wenn man von sinkenden Einnahmen spreche, dürfe man nicht vergessen, dass man sie oft mit 2008 vergleiche, einem "Topjahr".

Thiess Büttner, Professor am Ifo-Institut, meint außerdem: "Wenn eine Kommune in den einnahmenstarken Jahren vorsichtig mit ihren Einnahmen umgegangen ist und Rücklagen gebildet hat, hat sie nun geringere Probleme."

Reformen versäumt

Kanski und Büttner kritisieren auch, dass die Kommunen ihre Finanzgrundlage nicht schon länger reformiert hätten, weg von der krisenanfälligen Gewerbesteuer und hin zu steteren Quellen. Büttner verweist dabei zum Beispiel auf die Grundsteuer, die in anderen Ländern einen wesentlich größeren Anteil der kommunalen Einnahmen bilde.

Gerd Landsberg vom Städte- und Gemeindebund dagegen sagt, in dieser Zeit hätten sich die meisten Städte nicht ein Polster aufbauen können, sondern seien vielmehr damit beschäftigt gewesen, einen Teil ihrer Schulden abzubauen.

Auch die Kritik an der Finanzgrundlage der Kommunen will Landsberg nicht gelten lassen. "Es gab schon mehrere Anläufe zu einer Reform", sagt er. "Aber der Kuchen wird dadurch nicht größer." Er fände es besser, wenn der Bund die Kommunen endlich deutlich bei den Sozialausgaben entlasten würde.

Trotz Sparkurs keine Chance

Einig sind sich allerdings Vertreter der Kommunen mit ihren Kritikern, dass es den Städten derzeit nicht gut geht. Kanski vom Bund der Steuerzahler erinnert angesichts der immensen Sozialausgaben daran, dass "in der Praxis kaum ein Kämmerer gegen diese millionenschweren Mehraufwendungen ansparen kann".

Die Städte versuchen das trotzdem. Auch mit skurrilen Ideen.

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