Koch-Nachfolger Bouffier:Die zwei von der Tankstelle

Volker Bouffier hat schon seit Jahren die Zusage, Koch nachzufolgen - jetzt will er für einen geordneten Übergang sorgen.

Marc Widmann

Wer sich bislang über Volker Bouffier lustig machen wollte, der nannte ihn Prinz Charles von Hessen. Nicht die abstehenden Ohren hat der hessische Innenminister mit dem britischen Thronfolger gemeinsam, sondern dass beide schon ziemlich lange darauf warten, endlich ganz nach oben zu kommen. Nun ist die Zeit solcher Sprüche vorbei.

Roland Koch, Volker Bouffier

Roland Koch, Volker Bouffier Der hessische Innenminister Volker Bouffier, rechts, und der hessische Ministerpraesident Roland Koch besuchen am Dienstag, 25. Mai 2010, eine CDU-Kreisvorsitzendenkonferenz in Bad Nauheim. Bouffier gilt als Nachfolger von Roland Koch, der am Dienstag seinen Ruecktritt von saemtlichen politischen Aemtern erklaerte. (apn Photo/Mario Vedder) --- Interior minister of federal state of Hessen Volker Bouffier, right, and federal minister of Hessen Roland Koch are seen at a political meeting of the party CDU in Bad Nauheim, Germany, on Tuesday, May 25, 2010. Bouffier is named as a potential successor for the function as federal minister of Hessen. On Tuesday Roland Koch declared his resignation. (apn Photo/Mario Vedder)

(Foto: ap)

Zuerst wollte Roland Koch den Namen seines Freundes nicht öffentlich aussprechen, doch am Dienstagabend wurde es amtlich. Der Landesvorstand sprach sich bei einer Sitzung in Bad Nauheim einstimmig dafür aus: Bouffier, bislang der zweite Mann und Kronprinz, soll Kochs Nachfolger als CDU-Landeschef und als Ministerpräsident werden. Damit dürfte seine Wahl nur noch Formsache sein. Und das, obwohl Bouffier derzeit eine unangenehme Affäre am Hals hat.

"Ich trete ein großartiges Erbe an", sagte Bouffier am Dienstagabend. Die Geschichte von Koch und Bouffier ist die einer langen Freundschaft. Sie begann vor vielen Jahren in einer hessischen Autobahnraststätte. Im Hinterzimmer schworen sich junge, aufstrebende Nachwuchskräfte der Jungen Union politische Treue, mittendrin Koch und Bouffier, die als hochtalentiert galten. Tankstelle nannte man das Bündnis fortan. Es bewährte sich schon, als es Bouffier 1987 nicht in den Landtag schaffte. Koch half ihm, er überzeugte seinen Vater, damals hessischer Justizminister, seinen vielversprechenden Freund zum Staatssekretär zu machen.

Ein echter Freund

Im Gegenzug zog Bouffier freiwillig zurück, als Koch 1999 Spitzenkandidat der CDU werden wollte - und sich beide Chancen ausrechneten. Koch und Bouffier hätten auch große Rivalen werden können. Beide waren sie begabt, doch sie unterschieden sich in ihren Fähigkeiten: Bouffier gilt bis heute als der Beliebtere in der CDU, weil er charmant sein und die Emotionen der Partei wecken kann.

Das Männerbündnis blieb auch stabil, als Koch die Wahl gewann. Er kürte Bouffier sogleich zum Innenminister und hält seitdem an ihm fest, auch wenn der Freund bisweilen in Schwierigkeiten geriet. Schon kurz nach dem Amtsantritt traf Bouffier der Vorwurf, er habe als Anwalt Mandantenverrat begangen. Er musste 8000 Mark zahlen, bekam schlechte Presse. Aber er blieb Minister.

Derzeit hat Bouffier wieder einen Untersuchungsausschuss im Landtag zu überstehen. Ihm wird vorgeworfen, er habe einen Parteifreund aus seiner Heimat Gießen unrechtmäßig zum Chef der Bereitschaftspolizei ernannt. Der unterlegene Bewerber erhebt schwere Vorwürfe, die Opposition spricht von "kalkuliertem Rechtsbruch". Dass in Bouffiers Haus grobe formale Fehler in dem Auswahlverfahren gemacht wurden, ist mittlerweile klar. Viele Akten fehlen, aber es fehlt nicht das Vertrauen von Koch und der Partei.

Nicht die Zukunft

Ist Bouffier also ein guter Nachfolger? Einer, der für etwas Neues steht? Oder nur der "Konkursverwalter", wie die SPD höhnt? "Ich glaube nicht, dass er die Zukunft verkörpert", sagt ein Mitglied der CDU-Fraktion hinter vorgehaltener Hand. Nach der Sitzung des Landesvorstands versprach Bouffier, er werde "die bisherige Politik natürlich fortsetzen", sei aber auch "offen für Neues". Allerdings: Viele in der hessischen CDU halten einen Neuanfang gar nicht für nötig. "Wir werden doch niemanden haben wollen, der plötzlich alles anders macht", sagt Fraktionschef Christean Wagner, "das würde Selbstverleugung bedeuten". Nein, der Nachfolger müsse vor allem "die erfolgreiche Politik fortführen".

Einen jüngeren Nachfolger aufzubauen, hat Koch versäumt. Eine Zeitlang galt Silke Lautenschläger als frische Hoffnung der CDU. Doch als Umweltministerin bleibt sie erstaunlich blass. Am Dienstag erklärte sie nun überraschend, für ein neues Kabinett ebenfalls nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Um Koch nachzufolgen, fehlte es ihr nicht nur an politischen Erfolgen - sondern auch am Rückhalt von Fraktion und Partei. Also folgt sie ihrem Förderer ins Ungewisse.

Die Unsicherheit schätzt Bouffier eher nicht. Zumindest als Innenminister zitierte er gerne einen Satz, wonach Freiheit ohne Sicherheit in Anarchie ende. Er gehört zu den härteren Vertretern seines Amtes, manche nennen ihn einen Hardliner, einen konservativen Draufgänger. In der Partei dagegen rühmt man den 58-Jährigen dafür, die Aufklärungsquote von Verbrechen deutlich gesteigert zu haben.

Am 12. Juni auf dem Landesparteitag soll Bouffier zum neuen Parteichef gewählt werden. Danach wird ihn die Fraktion aller Voraussicht nach als Ministerpräsidenten nominieren. Ende August, wenn Koch geht, könnte Bouffiers großer Traum endlich Wirklichkeit werden. Niemand würde ihn mehr mit einem gewissen Engländer vergleichen.

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