Forderung nach bundesweiten Volksabstimmungen:Gabriel und Friedrich ärgern die CDU

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SPD-Chef Sigmar Gabriel (Foto: AFP)

Koalitionspoker in besonders großer Runde: 77 Vertreter von Union und SPD wollen heute Beschlüsse in den Bereichen Umwelt, Innenpolitik, Verbraucherschutz und Bildung fassen. Vorher forcieren SPD-Chef Gabriel und Innenminister Friedrich noch einmal ein Thema, das die CDU vehement ablehnt: bundesweite Volksentscheide.

Die CDU will nicht mehr über die Einführung von bundesweiten Volksentscheiden reden, die Teile von CSU und SPD vorschlagen - doch das stört Sigmar Gabriel nicht. Der SPD-Chef redet weiter über das Thema. Weil er die Debatte für berechtigt hält. Und wohl auch, weil die Causa CDU und CSU spaltet.

"Mein Eindruck ist nicht, dass in den Ländern, in denen es Volksabstimmungen gibt, das dazu führt, dass Chaos ausbricht", sagte er unmittelbar vor der Fortsetzung der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD in Berlin. "Wir sind seit 1987 dafür, auch Volksabstimmungen ins Grundgesetz einzuführen", sagte Gabriel. Gerade jetzt mit der großen Mehrheit von Schwarz-Rot im Bundestag "wäre es gut, der Bevölkerung das Recht zu geben, Dinge, die der Bundestag entschieden hat, selbst noch einmal zu entscheiden", so Gabriel.

Auch die CSU beharrt auf der Forderung nach Volksabstimmungen auf Bundesebene: "Wenn man Kompetenzen abgibt auf Gebilde wie die EU, muss das Volk darüber abstimmen. Das ist eine Frage der Demokratie, und die CSU war immer dieser Meinung", sagte Innenminister Hans-Peter Friedrich.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe machte dagegen klar, dass seine Partei dies nicht mittrage, auch wenn sich SPD und CSU beim Thema Volksabstimmungen einig seien.

Gröhe räumt Gesprächsbedarf bei Plebisziten ein

Gröhe betonte im Deutschlandfunk mit Blick auf den gemeinsamen Vorstoß von SPD und CSU für Volksentscheide auch in der Europa-Politik, es gebe keine Einigung. Er räumte ein: "Hier gibt es in der Tat auch unionsintern noch Gesprächsbedarf."

Neben dem Streit um bundesweite Volksentscheide sind in den vergangenen Tagen auch in den Arbeitsgruppen zu den Bereichen Familie und Verkehr Konflikte aufgebrochen. Die SPD brach wegen des Streits um eine Ausweitung der Maut die Verhandlungen in der Verkehrs-Arbeitsgruppe ab. "Das sind schon ernsthafte Konflikte in der Sache", sagte Gröhe. Es gebe aber immer noch den Willen aller drei Parteien, zu einem guten Ergebnis zu kommen.

An diesem Mittwoch kommen Union und SPD in einer besonders großen Runde zusammen. Streit gibt es wohl nicht, dafür aber gemeinsame Entscheidungen. In ihrer fünften Koalitionsverhandlungsrunde wollen die potentiellen Koalitionäre Beschlüsse zu den Bereichen Umwelt, Innenpolitik, Verbraucherschutz und Bildung fassen. Auch wird erwartet, dass sich die Parteien auf eine gemeinsame Linie bei der europäischen Bankenunion einigen.

Keine Einigung dagegen wird es wohl bei den Streitpunkten doppelte Staatsbürgerschaft, Gentechnik und Ganztagsschulen geben. Die großen Problembereiche Rente, Pkw-Maut, Finanzen und Mindestlohn sollen nicht angesprochen werden.

Die stellvertretende SPD-Parteichefin Manuela Schwesig sagte, derzeit gebe es noch zu wenig Konsens für eine große Koalition. Sie bezeichnete ein Bündnis mit der Union aber als einzige Möglichkeit für die SPD in dieser Legislaturperiode zu regieren. Konkret geht es beim Treffen der 77 Politiker heute um folgende Themen:

  • Verbraucherschutz: Die 77 Vertreter der Parteien wollen sich darauf verständigen, Verbraucher besser vor unseriösen Geschäftspraktiken wie schnellen Vertragsabschlüssen am Telefon zu schützen. Geplant sind zudem bundesweit einheitliche Standards bei Lebensmittelkontrollen sowie Maßnahmen gegen Zwangsabschaltungen von Strom.
  • Bildung: Das Bafög soll in der neuen Wahlperiode "spürbar" erhöht werden. Sowohl die Fördersummen als auch die Elternfreibeträge sollen "der Lebenswirklichkeit" angepasst werden - um welchen Betrag es dabei genau geht, ist noch nicht bekannt.
  • Umwelt: Die umstrittene Fracking-Gasförderung aus tiefen Gesteinsschichten in Deutschland soll vorerst untersagt werden. Fracking soll erst dann erlaubt werden, wenn die Förderungsmethode ohne den Einsatz von umweltgefährdenden Stoffen möglich ist.
  • Innenpolitik: Die Arbeitsgruppe Innen und Justiz legt ein Papier vor, wonach Konsequenzen aus den Ermittlungspannen bei der Verfolgung der rechten Terrorzelle NSU gezogen werden und die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden verbessert werden sollen.

Erst gestern endete die Sitzung der Arbeitsgruppe Verkehr, Bauen und Wohnen vorzeitig. Die SPD-Seite hatte den Raum nach eineinhalb Stunden verlassen und die Gespräche damit platzen lassen. Daraufhin wurde der Arbeitsgruppe das Maut-Thema faktisch entzogen, nun soll es auf höherer Ebene verhandelt werden.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt legt sich darauf fest, dass seine Partei ungeachtet des Streits an ihren Plänen festhalten wird. "Die Maut wird kommen", sagte er der Mitteldeutschen Zeitung. "Wir brauchen mehr Gerechtigkeit auf deutschen Straßen. Deshalb müssen die ausländischen Autofahrer unsere Infrastruktur mitfinanzieren. Belastungen für inländische Autofahrer wird es nicht geben."

Der stellvertretende Saar-Ministerpräsident Heiko Maas (SPD), der in der Arbeitsgruppe Energie mit verhandelt, sagte im Sender N-TV dagegen: "Ich glaube nicht, dass die Maut kommen wird. Das wird nicht funktionieren - unabhängig davon, ob es europarechtlich geht oder nicht." Maas verwies auf Gerechtigkeitsprobleme bei der Verrechnung von Pkw-Maut und Kfz-Steuer im Inland.

Nach dem Abbruch des AG-Treffens am Dienstag erwartet die SPD nun, dass in der nächsten Sitzung am 18. November über die Lkw-Maut und andere noch offene Themen beraten und entschieden werden kann. In Berlin gilt mittlerweile als wahrscheinlich, dass die Pkw-Maut erst zum Schluss der Verhandlungen mit den Parteichefs geklärt wird.

Die CSU will eine Vignette für alle Autos, um auch Fahrer aus dem Ausland zur Kasse zu bitten. Ob Mehrbelastungen für Deutsche damit verbunden wären, ist vorerst unklar. Angestrebt wird ein Ausgleich über die Kfz-Steuer.

Bis zum 27. November soll der Koalitionsvertrag von Union und SPD stehen. Bis dahin sind drei weitere große Runden angesetzt.

© Süddeutsche.de/dpa/ratz/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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