Kindesmissbrauch in der Kirche:Bischof Mixa gibt "sexueller Revolution" Mitschuld

Der Augsburger Bischof Mixa gibt der "sexuellen Revolution" Mitschuld an Missbrauchsfällen in der Kirche. Eine Verhöhnung der Opfer, sagt Grünen-Chefin Roth.

Der Augsburger Bischof Walter Mixa ist überzeugt, dass der Kindesmissbrauch an katholischen Einrichtungen auch eine Folge der zunehmenden Sexualisierung der Öffentlichkeit seit den sechziger Jahren ist.

Kindesmissbrauch in der Kirche: Gibt der sexuellen Revolution eine Mitschuld an den Kindesmissbrauchsfällen in seiner Kirche: Walter Mixa, Bischof von Augsburg.

Gibt der sexuellen Revolution eine Mitschuld an den Kindesmissbrauchsfällen in seiner Kirche: Walter Mixa, Bischof von Augsburg.

(Foto: Foto: Seyboldt Press)

"Die sogenannte sexuelle Revolution, in deren Verlauf von besonders progressiven Moralkritikern auch die Legalisierung von sexuellen Kontakten zwischen Erwachsenen und Minderjährigen gefordert wurde, ist daran sicher nicht unschuldig", sagte Mixa in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen.

Gleichzeitig verurteilte er die Übergriffe von Geistlichen auf Jugendliche als "besonders abscheuliches Verbrechen".

Einen Zusammenhang von priesterlicher Ehelosigkeit und den sexuellen Übergriffen erkennt Mixa indessen nicht. Pädophilie und Zölibat hätten nichts miteinander zu tun. Unabhängige Experten hätten darauf hingewiesen.

Kirchenkritiker wie der katholische Theologe Eugen Drewermann sind anderer Meinung: Der Fehler der Kirche bestehe darin, Priester mit dem Eheverbot zu zwingen, zwischen der Liebe zu Gott oder den Menschen zu wählen.

Und die Grünen-Chefin Claudia Roth reagiert scharf auf Mixas Mixtur. Der Bischof verhöhne die Opfer, wenn er einer Sexualisierung der Gesellschaft eine Mitschuld an den Vorfällen gebe: "Es ist nicht nur haarsträubend, sondern auch eine beispiellose Verhöhnung der Opfer sexuellen Missbrauchs, wenn an diesem Skandal innerhalb der katholischen Kirche nun andere schuld sein sollen", so die Politikerin in der Augsburger Allgemeinen.

Angesichts der "unseligen Äußerungen" des Bischofs, so Roth, stelle sich die Frage, inwieweit es in der Kirche tatsächlich ein glaubwürdiges Interesse daran gebe, "das erschreckende Ausmaß an Missbrauchsfällen schonungslos und selbstkritisch aufzuklären". Dazu müsse auch "die kritische Auseinandersetzung mit der repressiven Sexualmoral der katholischen Kirche und ihrer Rolle bei diesem furchtbaren Komplex des Wegsehens und der Verheimlichung" zählen.

Mixa argumentiert dagegen, dass "der ganz überwiegende Teil entsprechender Sexualstraftaten von verheirateten Männern, oft im verwandtschaftlichen Umfeld der Opfer, begangen wird". Ehelos lebende Priester seien in der Regel sexuell völlig normal orientiert, verzichteten aber freiwillig auf Ehe und Sexualität.

Papst wirft Bischöfen Versagen vor

Leise Kritik äußerte der Bischof am Umgang der Kirche mit den Missbrauchsfällen: Er räumte ein, dass Verantwortliche in der Vergangenheit gegenüber Sexualdelikten an Kindern und Jugendlichen "zu blauäugig" waren. Doch auch dafür macht er gesellschaftliche Fehlentwicklugen verantwortlich: "Da sind kirchliche Verantwortungsträger möglicherweise auch einem Zeitgeist aufgesessen, der selbst im Bereich des staatlichen Strafrechts Resozialisierung statt Strafe propagierte."

Unterdessen fand Papst Benedikt XVI. klare Worte für einen anderen europäischen Missbrauchsfall: In Irland erschüttern Enthüllungen über Vergewaltigungen und Misshandlungen Hunderter Kinder die katholische Kirche. Bei einem Treffen mit allen irischen Bischöfen in Rom warf Benedikt der Kirchenführung des Landes "Versagen" im Umgang mit den Missbrauchsfällen vor und rief seine Gäste dazu auf, die "moralische und geistige Glaubwürdigkeit" der Kirche wiederherzustellen.

Es bedürfe "konkreter Maßnahmen", um die Wunden der Opfer zu heilen, forderte der Papst am Dienstag nach zweitägigen Gesprächen über den Skandal. Der Papst verurteilte erneut die "abscheulichen Verbrechen", aber auch "die schwere Sünde, die Gott beleidigt und die nach seinem Vorbild geformten Menschen in ihrer Würde verletzt". Von den Bischöfen sei nun "Ehrlichkeit und Mut" gefordert.

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