Katalonien-Krise:Wie es mit Puigdemont weitergeht

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  • Der entmachtete katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont und vier Ex-Minister seines Kabinetts haben sich am Sonntag den belgischen Behörden gestellt.
  • Den fünf Katalanen wirft Madrid Rebellion, Ungehorsam im Amt sowie Zweckentfremdung öffentlicher Mittel vor, weil sie die Abspaltung ihrer Heimatregion vom Königreich Spanien betrieben haben.
  • Das Auslieferungsersuchen Spaniens wurde am Sonntag von der Staatsanwaltschaft in Brüssel geprüft.

Von Thomas Kirchner und Thomas Urban, Brüssel/Madrid

Der abgesetzte katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont und vier Ex-Minister seines Kabinetts haben sich am Sonntag den belgischen Behörden gestellt. Bei der Staatsanwaltschaft in Brüssel war zwei Tage zuvor ein Auslieferungsersuchen der spanischen Generalstaatsanwaltschaft eingetroffen. Den fünf Katalanen wirft Madrid Rebellion, Ungehorsam im Amt sowie Zweckentfremdung öffentlicher Mittel vor, weil sie die Abspaltung ihrer Heimatregion vom Königreich Spanien betrieben haben. In Brüssel hatte Puigdemont zuvor vergeblich Unterstützung bei Politikern aus anderen EU-Staaten gesucht. Ihm drohen bis zu 30 Jahre Haft sowie der Einzug des persönlichen Vermögens.

Nach Expertenmeinung wird sich der katalanische Politiker langfristig kaum der spanischen Justiz entziehen können, aber in Belgien etwas Zeit gewinnen, was wohl auch sein Ziel war. Zeit, um unter anderem seine Kampagne für die von Madrid angesetzte katalanische Wahl am 21. Dezember zu organisieren. Da er volle Kooperation mit den belgischen Behörden zugesagt hat, wird er sich nach einer anfänglichen Festnahme vermutlich relativ frei in Brüssel bewegen können, solange er sich an Auflagen hält. Die Staatsanwalt in Brüssel prüfte am Sonntag das spanische Auslieferungsersuchen, das auf einem Europäischen Haftbefehl beruht. Das Instrument wurde 2003 geschaffen, um das umständliche Auslieferungsverfahren zwischen EU-Staaten zu beschleunigen. Ein wesentlicher Unterschied: Die Regierungen sind nicht mehr beteiligt, die Angelegenheit liegt allein in der Hand der Justiz. Zunächst konfrontiert ein Untersuchungsrichter den Katalanen mit dem Haftbefehl. Lehnt dieser ihn ab, beginnt ein Parcours durch die Instanzen. Die Stationen lauten Ratskammer, Anklagekammer und schließlich Kassationsgericht. Dazwischen liegen Fristen von meist 15 Tagen. Binnen 60 Tagen sollte entschieden sein, "außergewöhnliche Umstände" würden weitere 30 Tage rechtfertigen.

Wie könnte Puigdemont argumentieren? Experten vermuten, dass er sich einerseits auf eine mögliche Verletzung von Grundrechten beruft, die ihm in Spanien drohen könnte. Das betrifft etwa die Haftbedingungen oder eine eventuelle Voreingenommenheit der spanischen Richter. Allerdings ist dies von Belgien aus schwierig zu beurteilen und politisch heikel. Wahrscheinlicher sei daher, dass Puigdemonts Anwalt Paul Bekaert den Grundsatz bemüht, dass die dem Angeklagten vorgeworfenen Vergehen - neben Rebellion auch "Aufruhr" - auch in Belgien strafbar sein müssen. Zwar existieren dort solche Straftatbestände. Allerdings müsste Anstachelung zum Aufruhr in Belgien von Gewaltausübung begleitet sein, das ist bei Puigdemont nicht der Fall.

Der abgesetzte Chef der Regionalregierung gilt nicht als besonders starker Anführer

Der Politiker hatte am Samstag in Brüssel alle Parteien, die für die Sezession Kataloniens von Spanien eintreten, zur Einheit aufgerufen. Die Katalanische Demokratische Europäische Partei (PDC), der er angehört, schlug ihn als Spitzenkandidaten einer Einheitsliste für die vorgezogenen Regionalwahlen vor. Doch ist ungeklärt, ob die bisherigen Spitzenleute dieser Parteien zu den Wahlen zugelassen werden. Gegen fast alle sind Verfahren eingeleitet, in Madrid wird nicht ausgeschlossen, dass die Wahlleitung ihnen deshalb die Kandidatur verweigert. Da das Parlament in Barcelona ebenfalls aufgelöst ist, wird die Wahlkommission von der Zentralregierung eingesetzt. Diese hatte bei allen Maßnahmen gegen die Sezessionsbestrebungen das Verfassungsgericht hinter sich.

Nach den jüngsten Umfragen würde eine solche Einheitsliste allerdings knapp unter der Mehrheit bleiben. Auch ist fraglich, ob sie überhaupt zustande kommt. Trotz aller Loyalitätsbekundungen ist Puigdemont umstritten, nicht zuletzt, weil er nicht als starker Führer gilt. Die PDC bildete bislang mit der Katalanischen Republikanischen Linken (ERC) einen Wahlblock. Die traditionsreiche ERC möchte sich allerdings nur an einer Einheitsliste beteiligen, wenn auch der katalanische Ableger der linksalternativen Sammelbewegung Podemos sowie die Gruppierung "Katalonien gemeinsam" der Oberbürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, sich daran beteiligen. Colau hat jeden Schritt vermieden, der ihr als verfassungswidriges Handeln ausgelegt werden könnte. Auch müsste dieser Einheitsliste die "Kandidatur für die Volkseinheit" (CUP) angehören, die für den Austritt einer künftigen Republik Katalonien aus Nato und EU eintritt.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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