Iran:Atomverhandlungen mit Tendenz zum Durchbruch

Iran: Außenminister Steinmeier sagt seine Teilnahme am deutsch-französischen Ministerrat in Berlin ab, um in Lausanne zu verhandeln.

Außenminister Steinmeier sagt seine Teilnahme am deutsch-französischen Ministerrat in Berlin ab, um in Lausanne zu verhandeln.

(Foto: AP)
  • Die Atomverhandlungen fünf UN-Sicherheitsratsmitglieder und Deutschlands mit Iran gehen in die letzte Runde.
  • Nach wie vor wird um Knackpunkte gerungen, wie zum Beispiel die Dauer, für die den Iranern Beschränkungen bei der Anreicherung von Uran auferlegt werden.
  • Die Sorge ist, dass es nach dem Ende eines Abkommens zu einer scharfen Eskalation kommt, wenn Iran sein Atomprogramm dann schlagartig ausbauen kann.
  • Diplomaten lassen erkennen, dass durchaus Fortschritte gemacht worden seien und dass sie einen Durchbruch für möglich halten.

Von Paul-Anton Krüger, Lausanne

Die Nacht war kurz für die Außenminister in Lausanne. Um 7:10 Uhr trafen sich der Amerikaner John Kerry, Frankreichs Laurent Fabius, der Brite Philipp Hammond, Chinas Wang Yi, der russische Vize-Außenminister Sergej Riabkow und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. Sie stimmten das Vorgehen ab für den finalen Tag der Atomverhandlungen mit Iran. Um Mitternacht läuft die Frist ab, die sich die beiden Seiten selbst gesetzt haben, um sich über die Eckpunkte eines Abkommens zu einigen.

Weniger Schlaf noch als den Außenministern war den Experten in den Delegationen vergönnt, die beauftragt worden waren, die Nacht durchzuarbeiten, um doch noch Lösungen für die offenen Fragen zu finden, die bislang einer politischen Grundsatzeinigung entgegenstehen.

Steinmeier schließt "schlechtes Geschäft" aus

Steinmeier hatte am Abend gesagt, man werde "nur dann eine Vereinbarung unterzeichnungsreif bekommen, wenn nachprüfbar und dauerhaft ausgeschlossen ist, dass sich Iran Zugriff auf Nuklearwaffen verschafft". Das habe man mit der letzten Sicherheit noch nicht geklärt. Zugleich machte er deutlich, dass der Westen nicht bereit ist, eine Einigung um jeden Preis zu akzeptieren. Man werde "hier kein schlechtes Geschäft zulassen".

So bat die Morgenrunde bald den iranischen Außenminister Mohammad Dschawad Sarif dazu, um zu hören, ob die Iraner bereit sind, sich bei den Knackpunkten zu bewegen. Umstritten ist zum einen die Dauer, für die den Iranern Beschränkungen bei der Anreicherung von Uran auferlegt werden sowie eng verbunden damit: Forschung und Entwicklung moderner Nukleartechnologie - vor allem leistungsfähigerer Zentrifugen zu Urananreicherung. Da seien "die Erwartungen des Iran sehr anspruchsvoll", wie Steinmeier sagte. Zum anderen geht es um die Aufhebung der Sanktionen, vor allem jener, die der UN-Sicherheitsrat gegen Teheran verhängt hat.

Die P5+1 oder E3+3, wie Diplomaten die Verhandlungsgruppe der fünf UN-Sicherheitsratsmitglieder und Deutschlands nennen, will eine Laufzeit von zehn Jahren plus x, wobei das x fünf Jahre betragen soll. Die Iraner sehen bei zehn Jahren ihre Schmerzgrenze schon erreicht, wie es aus westlichen Delegationskreisen heißt. Man müsse aber Vorsorge treffen, dass "das, was dort geschieht, nach dem Ablauf von zehn Jahren transparent und überprüfbar ist und auch in der Größenordnung können wir nicht zulassen, dass es nach zehn Jahren eine geradezu explosionshafte Entwicklung gibt", wie Steinmeier es formulierte.

Die Sorge ist, dass es nach dem Ende eines Abkommens zu einer scharfen Eskalation kommt, wenn Iran sein Atomprogramm dann schlagartig ausbauen kann. Die Verhandlungen zielen darauf, durch technische Begrenzungen sicherzustellen, dass die Islamische Republik mindestens ein Jahr brauchen würde, um genug spaltbares Material für einen nuklearen Sprengsatz herzustellen. Das soll genügend Zeit lassen, um politisch und notfalls auch militärisch reagieren zu können, sollte das Regime in Teheran eine eventuelle Vereinbarung brechen und entgegen aller Beteuerungen doch nach der Bombe greifen. Würden die Beschränkungen am Tag eins nach einem Abkommen komplett fallen, würde diese Vorwarnzeit womöglich binnen Monaten auf wenige Wochen zusammenschnurren.

Alle Sanktionen aufheben, fordert Teheran

Deswegen hat auch die auf den ersten Blick vielleicht nebensächlich erscheinende Frage nach der Entwicklung neuer Zentrifugen so große Bedeutung: Moderne Hochleistungs-Maschinen, wie sie etwa vom europäischen Anreicherungskonsortium Urenco betrieben werden, sind mehr als 300 Mal so leistungsfähig, wie die derzeit von Iran betriebenen Zentrifugen vom Typ IR-1. Schon die zweite Generation der iranischen Zentrifugen, die das Land ausgiebig getestet hat, würde etwa das Fünffache leisten.

Tausend dieser Maschinen haben die iranischen Techniker in den Hallen der Anreicherungsanlage Natans unter einer meterdicken Betonplatte bereits aufgestellt. In Entwicklung sind mindestens vier weitere Typen. Ein paar Dutzend moderne Zentrifugen könnten die Kapazität des iranischen Programms also vervielfachen.

Vor den Diplomaten dürfte eine weitere lange Nacht liegen

Bei den Sanktionen sind die Gegensätze ähnlich groß: Die westlichen Staaten haben Iran angeboten, einen Großteil der Wirtschafts- und Finanzsanktionen, die vor allem bilateral von den USA und der EU verhängt worden sind, in einer frühen Phase des Abkommens zu lockern und damit der schwer angeschlagenen iranischen Wirtschaft Luft zum Atmen zu gewähren. Iran könnte dann auch wieder in größerem Stil Öl und Gas exportieren. Allerdings besteht Teheran darauf, dass alle Sanktionen sofort aufgehoben werden müssen - darunter auch jene des Sicherheitsrates, die etwa die Einfuhr von Atomtechnologie verbieten. Kompliziert wird diese Frage dadurch, dass der Oberste Führer Ali Chamenei diese Position jüngst in seiner Rede zum persischen Neujahr nochmals bekräftigt hat.

Für die P5+1 ist das nicht akzeptabel, auch wenn sie sich bereit zeigen, einzelne Personen oder Organisationen, die derzeit etwa mit Reisebeschränkungen belegt oder deren Konten eingefroren sind, von den Listen zu streichen. Zudem bestehen die westlichen Staaten auf einem sogenannten snap-back-Mechanismus. Demnach würden die Sanktionen nur suspendiert und sofort wieder "scharfgestellt", wie ein Diplomat sagte, sollte Iran gegen ein mögliches Abkommen verstoßen.

Diplomaten ließen am Vormittag allerdings erkennen, dass durchaus Fortschritte gemacht worden seien und dass sie einen Durchbruch für möglich hielten. Es werde an Dokumenten gearbeitet - die allerdings auch wieder verworfen werden können. Die Entschlossenheit, bis zur letzten Minute alles für eine Einigung zu tun, spiegelte sich auch in der Tatsache, dass Steinmeier und Fabius ihre Teilnahme am deutsch-französischen Ministerrat in Berlin absagten.

Russlands Außenminister Sergeij Lawrow wurde am Nachmittag ebenfalls wieder in Lausanne erwartet. Er war am Montagabend nach Moskau zurückgeflogen, um den Außenminister des von Zyklon Pam schwer getroffenen Inselstaats Vanuatu, Sato Kilman, zu treffen. Wenn Aussichten auf eine Einigung bestünden, werde er nach Lausanne zurückkehren, hatte er gesagt. In Moskau fügte er am Morgen hinzu, die Aussichten dieser Gesprächsrunde sind "nicht schlecht, ich würde sogar sagen gut", die Chancen nannte er gar "hoch". Auch wenn aller Erfahrung nach eine weitere lange Nacht vor den Diplomaten liegen dürfte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: