Irak: Anti-Bush-Kämpfer:Vom Schuhwerfer zum Millionär

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Manchmal lohnt sich Ungehorsam doch: Weil Muntaser al-Saidi seine Schuhe nach George W. Bush warf, kam er ins Gefängnis. Jetzt wird er ein reicher Mann.

Als der irakische Fernsehjournalist Muntaser al-Saidi während einer Pressekonferenz im Dezember vergangenen Jahres seine Schuhe auf den ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush warf, konnte er noch nicht ahnen, welche Folgen dies für ihn haben würde. Erschossen zu werden war für ihn wahrscheinlicher als das, was jetzt passiert: Nach nur neun Monaten ist er nun wieder auf freiem Fuß.

Oday al-Saidi hängt Poster seines Bruders Muntaser für dessen Willkommensfeier auf. (Foto: Foto: dpa)

Jetzt kann al-Saidi von der spärlichen Gefängniszelle des Bagdader Mathana-Gefängnisses mit brandneuem Auto direkt in ein ebenfalls neues Haus mit vier Schlafzimmern ziehen. Beides schenkte ihm der Chef des Fernsehsenders al-Baghdadia, für den al-Saidi arbeitete.

Seit seiner Schuh-Attacke auf George W. Bush ist Muntaser (Arabisch: der Sieger) in den Augen vieler Muslime der Rächer für erlittene Schmach. Millionen sprach er aus dem Herzen, als er den damaligen US-Präsidenten auf einer Pressekonferenz in Bagdad beleidigte: "Das ist der Abschiedskuss für dich, du Hund" rief er Bush damals zu.

Der Schuhwerfer als Volksheld

Zahlreiche Graffitis zieren mittlerweile irakische Hauswände und zeigen die Szene. Außerdem gibt es den Wurf mit den Schuhen als Bild auf ägyptischen T-Shirts und als Brettspiel für Kinder.

Die Aufmerksamkeit der gesamten Bagdader Öffentlichkeit wird ihm in nächster Zeit also sicher sein. Sein Bruder Maitham wird seit dem Schuhwurf zumindest ständig von Leuten umringt, die Autogramme von ihm verlangen oder ihn fotografieren möchten. "Ich fühle mich so berühmt wie Michael Jackson. In Läden erhalte ich kostenlos Kleidung", sagte der Bruder dem britischen Guardian. "Wenn die Leute mich schon so behandeln, wie werden sie dann erst mit meinem Bruder umgehen?", fragt er weiter.

Schon im Vorfeld der Entlassung kündigten Personen aus der gesamten islamischen Welt allerlei Geschenke für al-Saidi an: Ein Saudi rief die Redaktion des Fernsehsenders al-Baghdadia an und bot für die Schuhe zehn Millionen Dollar. Allerdings ist nicht klar, ob Muntasser al-Saidi die Schuhe überhaupt noch besitzt. Der Emir von Katar versprach al-Saidi mehrere Sportwagen und ein goldenes Pferd. Auch ein Marokkaner will al-Saidi ein Pferd schenken, dazu einen goldenen Sattel.

Aber vor allem bekam der erste irakische Held der Ära nach Saddam Hussein viele Heiratsanträge aus arabischen Ländern. Ein in Marokko lebender Iraker trug dem Landsmann seine Tochter an. Ein Bauer aus der Nähe des palästinensischen Nablus verkaufte laut Guardian die Hälfte seiner Ziegen und sammelte zusätzlich in seiner weitläufigen Verwandtschaft Zehntausende Dollar für den Iraker. Außerdem versprach er, dass er eine junge Frau aus seiner Sippe zur Heirat mit Muntaser al-Saidi überreden wolle. Diese wolle er dann - al-Saidis Einverständnis vorausgesetzt - "beladen mit Gold" nach Bagdad schicken.

Pläne für die Zukunft

Fast neun Monate saß der Schuhwerfer von Bagdad nun im Gefängnis. Ursprünglich wurde er zu drei Jahren Haft verurteilt, ein Berufungsgericht verkürzte aber die Strafe wegen guten Verhaltens und weil al-Saidi noch nicht vorbestraft ist. Eigentlich sollte er schon am Montag frei kommen. Seine Familie hatte bereits eine Willkommensfeier vorbereitet und Poster ihres "Helden" aufgehängt. Viele der Verwandten brachen dann in Tränen aus, nachdem sie erfahren hatten, dass al-Saidis Freilassung verschoben wurde. Es gab noch Papiere zu bearbeiten, sagte einer seiner Brüder.

Unterdessen gab es Spekulationen, welche Pläne al-Saidi für die Zukunft hat. Bei Al-Baghdadia-TV - wo man ihm sein Gehalt auch während der Zeit in Haft weiterzahlte - ist man sich sicher, dass er wieder für den Sender arbeiten wird. Sein Bruder ist sich dessen nicht so sicher. Er glaubt, dass Muntaser als Journalist künftig von offiziellen Regierungsmitarbeitern boykottiert werden könnte. Er erzählte außerdem, dass Muntaser sich vielmehr vorstellen könnte, für eine humanitäre Hilfsorganisation oder als Aktivist für die Rechte von Frauen und Waisen zu arbeiten.

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