Internationale Strafjustiz:Im Labor der Gerechtigkeit

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UN-Tribunal in Kambodscha: Dieses Gericht hat das Urteil gegen zwei ehemalige Funktionäre des Rote-Khmer-Regimes gefällt. (Foto: AP)

Die internationale Gemeinschaft hat viel probiert, um Verbrechen von Regimen zu ahnden. Das Urteil gegen die einstigen Führungskader der Roten Khmer ist eine weitere Wegmarke. Künftig soll Schluss sein mit vielen Tribunalen. Übrig bleibt nur ein Gericht.

Kommentar von Ronen Steinke

Nun geht die Zeit der Experimente zu Ende. Und was sind das für Experimente mit der Gerechtigkeit gewesen, seitdem im Oktober 1944 ein paar Beamte im Washingtoner Außenministerium entschieden, dass man die schlimmsten Nazis nicht einfach hinrichten, sondern erst vor ein Gericht stellen sollte.

Seitdem hat die Weltgemeinschaft viel probiert, um Verbrechen einzelner Regime zu ahnden: Internationale Tribunale, die vier Mächten gehorchten (1945 in Nürnberg und Tokio). Tribunale, die zwar keiner Regierung hörig waren, aber dem UN-Sicherheitsrat (UN-Gerichtshöfe für das Ex-Jugoslawien und Ruanda). Tribunale für im Wesentlichen einen Angeklagten (in Sierra Leone) oder ein Opfer (in Libanon).

Ein weiteres Beispiel ist Kambodscha, wo an diesem Donnerstag ein Urteil gegen zwei einstige Führungskader der Roten Khmer ergangen ist; für dieses Tribunal zahlten die Vereinten Nationen zwar die Rechnung, überließen es aber den lokalen Machthabern, heikle Ermittlungen auszubremsen. Im Namen des gesellschaftlichen Friedens.

Beachtliche Wegmarke, eine Art Schlussstein

Vorbei. In dem Labor, das die internationale Strafjustiz seit Nürnberg gewesen ist, sind die Aufräumarbeiten im Gange. Das Rote-Khmer-Urteil ist dafür eine beachtliche Wegmarke. Für Kambodscha bildet es eine Art Schlussstein. Mit dem Urteil hat das Tribunal sein wichtigstes Ziel erfüllt.

Ähnlich ergeht es der Handvoll weiterer UN-Tribunale auf dem Globus: Alle haben ihr baldiges Aus vor Augen. In Kürze will der UN-Sicherheitsrat den Sondertribunalen für Ruanda und Ex-Jugoslawien das Geld abdrehen. Das Sierra-Leone-Tribunal hat seine Mission schon beendet. Das Libanon-Tribunal muss sich beeilen, fertig zu werden.

Alle diese Gerichtshöfe haben gemeinsam, dass sie erst seit den Neunzigerjahren gegründet wurden. Stets wurden dafür Richter aus aller Welt geholt, und es wurde jeweils nach eigenen, völkerrechtlichen Strafgesetzen geurteilt. Dieser Aufwand hatte wenigstens einen Vorteil: Jedes Land bekam eine eigene Antwort auf die Verbrechen seiner Geschichte. Dies spricht für die bisherige Vielfalt der internationalen Strafjustiz. Nun stehen alle Zeichen auf Zentralisierung.

Der Haager Standard kennt weder Gnade noch politische Deals

Denn übrig wird nur der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag bleiben, der 2003 zu arbeiten begann. Dieses noch junge Weltstrafgericht soll eine Anlaufstelle für den gesamten Globus werden. Die Hoffnung ist, dass dadurch die Ahndung von Menschheitsverbrechen günstiger wird. Man spart sich den Aufwand, jedes Mal ein Tribunal zu gründen. Aber dann gibt es auch nur noch ein einziges genormtes Verfahren, einen Haager Standard. Das ist das Modell der Härte, für das der Internationale Strafgerichtshof steht. Es lässt keinen Raum für Gnade, Amnestien oder politische Händel zur Versöhnung à la Wahrheitskommission in Südafrika.

Immerhin: Die Zentralisierung der internationalen Justiz bedeutet auch, dass sie unabhängiger von den Machtspielen der Regierungen wird. Gerade das Rote-Khmer-Tribunal hat gezeigt, wie hilflos ein kleines Sondertribunal wird, wenn sich die lokale Regierung in seinen Weg stellt. Der heutige kambodschanische Premier Hun Sen trug einst die Uniform der Roten Khmer. Er argumentiert, die Vergangenheit müsse ruhen, um nicht alte Gräben aufzureißen, und er warnt vor einem "neuen Bürgerkrieg", wenn die UN-Ankläger ehemalige Militärchefs anklagen sollten.

Zwar haben die UN-Leute sich empört und entschieden, noch fünf weitere Personen anzuklagen, um zu zeigen, dass sie von der Regierung unabhängig sind. Aber ohne die Zustimmung der kambodschanischen Regierung kann kein neues Verfahren begonnen werden. Den Vereinten Nationen bleibt nur, diese Blockade zu beklagen - und dem offiziellen Ende des Rote-Khmer-Tribunals 2018 entgegenzusehen.

© SZ vom 07.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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