Guttenberg verliert Doktortitel - Reaktionen:"Die Universität Bayreuth kneift"

Karl-Theodor zu Guttenbergs Doktorgrad ist weg, den Vorwurf der Täuschung aber hat die Universität Bayreuth offengelassen. Massive Kritik am Vorgehen der Hochschule kommt nun aus der SPD. Eine ganz andere Interpretation liefert Kanzlerin Angela Merkel.

Es war eine schnelle Entscheidung: Am Mittwochabend hat die Universität Bayreuth Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) den Doktorgrad entzogen. Er habe in seiner Doktorarbeit andere Texte übernommen und dies nicht hinreichend kenntlich gemacht, wie es wissenschaftliche Pflicht gewesen wäre, hieß es zur Begründung.

Verteidigungsminister Guttenberg bei CDU/CSU-Fraktionssitzung

Bei den Bürgern beliebter als vor der Plagiatsaffäre: Verteidigungsminister Guttenberg (CSU).

(Foto: dapd)

Die Promotionskommission der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät habe sich davon überzeugt, dass Guttenberg gegen diese wissenschaftlichen Pflichten "in erheblichem Umfang verstoßen" habe, teilte Unipräsident Rüdiger Bormann mit. "Dies hat er auch selbst eingeräumt." Guttenberg hatte zuvor in einem Brief die Universität um Rücknahme seines akademischen Grades gebeten. Die Frage eines möglichen Täuschungsvorsatzes habe die Kommission aber nicht untersucht, sagte Bormann.

"Doktortitel erschlichen"

Harsche Kritik am Vorgehen der Hochschule kommt nun aus der SPD: Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, kritisierte die Entscheidung der Universität Bayreuth als halbherzig: "Die Universität Bayreuth kneift, denn sie verzichtet darauf zu prüfen, ob eine bewusste Täuschung vorliegt - und das trotz massivster Anhaltspunkte", sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. "Damit macht sie sich die Argumentation Guttenbergs zu eigen und erleichtert ihm das politische Überleben. Das ist nicht in Ordnung."

Eine ganz andere Interpretation als die SPD lieferte Kanzlerin Angela Merkel (CDU): Sie bezeichnete die Entscheidung der Uni als richtig und logisch. Das Votum zeige, dass zu Guttenberg mit seiner Selbsteinschätzung richtig liege. Der Minister hatte zuvor am Mittwoch in einer Fragestunde im Bundestag eingeräumt, er habe offensichtlich eine "sehr fehlerhafte Doktorarbeit geschrieben". Guttenberg sah sich im Bundestag scharfer Oppositionskritik und Rücktrittsforderungen ausgesetzt.

Der Präsident der Universität Bayreuth, Rüdiger Bormann, verteidigte das Vorgehen der Hochschule gegen die Kritik aus der SPD. "Ich kann aus politischer Sicht die SPD verstehen. Jeder Verwaltungsjurist wird aber mit uns übereinstimmen, dass unser Weg der richtige gewesen ist", sagte Bormann.

Bormann sagte, da Guttenberg selbst um die Aberkennung seines Doktortitels gebeten habe, habe die Universität das schnelle Verfahren wählen können. Die schnelle Entscheidung sei auch ein wichtiges Signal an die Wissenschaftswelt gewesen um dort Klarheit zu geben, dass bei falschen Zitaten der Doktortitel aberkannt werde.

Eine bewusste Täuschung habe Guttenberg hingegen bestritten, weshalb dieser Vorwurf nur in einem Indizienprozess überprüft werden könne, der deutlich länger als das jetzt gewählte Verfahren dauere. Gleichwohl werde sich die Uni-Kommission zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft weiter mit dem Fall beschäftigen. "Wir werden uns dort auch mit dem Täuschungsvorwurf beschäftigen." Dies werde aber einige Zeit in Anspruch nehmen - er gehe von einem mehrere Monate dauernden Verfahren aus.

In der ARD-Sendung Hart aber fair bekräftigte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, die Kritik seiner Partei: "Guttenberg hat in großem Umfang gefälscht", sagte er. "Er hat sich den Doktortitel erschlichen."

SPD-Chef Sigmar Gabriel appellierte deshalb am Donnerstag an die Bundeskanzlerin: Angela Merkel dürfe der Bundeswehr und der deutschen Öffentlichkeit dieses "unwürdige Schauspiel" nicht länger zumuten. "Jeder weiß, dass wir es mit einem politischen Hochstapler zu tun haben", sagte Gabriel. Der Verteidigungsminister tue, als stünde er über Recht und Gesetz.

Die Abgeordneten im Bundestag habe er bei seiner Befragung am Mittwoch "für dumm verkaufen" wollen. Es sei völlig unglaubwürdig, dass jemand "aus Versehen" so große Teile einer Doktorarbeit abschreibe. "Für jeden Abgeordneten ist es eine Zumutung, dass wir uns auf dieses moralische und intellektuelle Niveau herab begeben müssen", sagte Gabriel. Merkel dürfe ihrem Minister ein solches Fehlverhalten nicht durchgehen lassen. Es gehe nun für die Kanzlerin darum, Schaden vom Land abzuwenden.

Auch die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig hält an der Rücktrittsforderung fest. Guttenberg habe gelogen, sagte sie dem Hamburger Abendblatt. "Wenn er seine hohen Maßstäbe an sich selbst anlegt, bleibt nur der Rücktritt." Man könne Guttenbergs "Täuschungsversuch bei seiner Doktorarbeit und seine Verschleierungstaktik der vergangenen Tage" nicht von seinem politischen Amt trennen, so Schwesig weiter.

Unterstützung für Ex-Doktor Guttenberg kommt dagegen vom Koalitionspartner: Die FDP-Wehrexpertin Elke Hoff hat den Verteidigungsminister gegen die heftigen Angriffe der Opposition in Schutz genommen und ihm Unterstützung für die Wehrpflichtreform zugesichert.

Sie distanziere sich im Namen der Liberalen davon, dass Guttenberg wegen seiner Plagiatsaffäre als "Hochstapler" und "Lügner" bezeichnet werde. "Das ist nicht der Stil, in dem hier debattiert werden sollte", sagte Hoff im Bundestag. Die Debatte über Guttenbergs in Teilen abgeschriebene Doktorarbeit überschatte die Bundeswehrreform. Das bedaure sie sehr, denn die Reform sei eine "historische Zäsur". Bei der Umsetzung wollten die Liberalen den Minister unterstützen.

Bundeswehrverband mahnt Konzentration auf Reform an

Während also die Debatte um Guttenbergs Doktorgrad weitergeht, fordert der Bundeswehrverband die Politik auf, sich nun voll auf die anstehende Reform der Streitkräfte zu konzentrieren: "Ich kann nur alle anmahnen, von den Machtfragen zu den Sachfragen zu kommen", sagte der Verbandsvorsitzende Oberst Ulrich Kirsch im ZDF-Morgenmagazin. "Wir haben eine Reform ins Haus stehen, die in dieser Größe noch nie da war."

Noch sei "keine Entscheidung" zum Umbau der Streitkräfte getroffen worden. Vor allem in der Frage der Schließung von Bundeswehrstandorten erwarteten die Soldaten bald Klarheit. Der Bundestag wird an diesem Donnerstag in erster Lesung über die Aussetzung zur Wehrpflicht beraten.

Zuvor hatte sich Kirsch in der Passauer Neuen Presse auch direkt zur Plagiatsaffäre geäußert: "Die Glaubwürdigkeit des Ministers ist angekratzt. Daran besteht kein Zweifel." Zur Reaktion in der Truppe sagte Oberst Kirsch: "Die Soldaten im Auslandseinsatz beschäftigt diese Angelegenheit wenig. Ihnen kommt es darauf an, dass sich der Minister um ihre Anliegen kümmert. Das tut er."

Den Rücktritt des Ministers fordert Kirsch nicht: "Ich sehe keine Notwendigkeit für einen solchen Schritt. Die Bundeswehrreform ist das Projekt von Herrn zu Guttenberg."

Beliebter als vor der Affäre

Guttenbergs Ansehen bei den Bürgern jedenfalls scheint die Plagiatsaffäre bislang nicht geschadet zu haben - im Gegenteil: Einer aktuellen Umfrage zufolge ist der Minister in der Öffentlichkeit außerordentlich beliebt, sogar noch mehr als davor. 73 Prozent der Deutschen sind mit seiner politischen Arbeit zufrieden, fünf Prozentpunkte mehr als zu Monatsbeginn, ergab eine Umfrage im Auftrag der ARD-Sendung Hart aber fair.

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