In der Nachkriegsgeschichte dürfte kaum eine außenpolitische Rede eines Bundespräsidenten so heftig diskutiert worden sein wie diese. Zur Eröffnung der Münchner Sicherheitskonferenz Ende Januar hatte Joachim Gauck Deutschland dazu aufgerufen, in der Welt mehr Verantwortung zu übernehmen. Die Bundesrepublik sei "überdurchschnittlich globalisiert" und profitiere daher überdurchschnittlich von einer offenen Weltordnung. Es sei deshalb für Deutschland das "wichtigste außenpolitische Interesse im 21. Jahrhundert", diese offene internationale Ordnung zu erhalten, sagte Gauck. Dazu könne manchmal auch der Einsatz von Soldaten notwendig sein.
Mit diesem Appell verärgerte der Bundespräsident nicht nur den Teil des politischen Spektrums, der militärische Einsätze prinzipiell ablehnt. Gauck löste auch eine Debatte darüber aus, ob ein Präsident sich so weit in die Außenpolitik einmischen darf. Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags haben diese Frage jetzt verfassungsrechtlich geprüft.
Bundespräsident Joachim Gauck:Weltmeister im lauten Denken
Er kann Menschen besoffen reden, berauscht sich, so scheint es, auch gerne an sich selbst. In der Hälfte seiner Amtszeit ist Bundespräsident Joachim Gauck immer mutiger geworden, ist vielfach angeeckt und stößt Kontroversen an. Aber ist das wirklich seine Aufgabe?
Das Gutachten, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, verweist dabei zunächst auf Artikel 58 des Grundgesetzes. Demnach bedürfen alle "Anordnungen und Verfügungen" des Bundespräsidenten zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung durch die Kanzlerin oder die zuständigen Bundesminister. Die Frage sei nun, ob auch Akte ohne Rechtswirkung - und dabei vor allem Reden - einer Gegenzeichnungspflicht unterliegen, heißt es in dem Gutachten. Auf sechs Seiten werden dann alle möglichen Argumente für eine enge und für eine weite Auslegung des Artikels 58 durchdekliniert. Außerdem wird die aktuelle Staatspraxis beschrieben. Demnach werden Reden des Präsidenten bisher - allerdings nicht im Wortlaut - mit dem Kanzleramt oder dem Außenministerium abgestimmt. Am Ende des Bundestagsgutachtens steht dann ein eher abwägenden Ergebnis.
"Die Frage, ob Reden und politische Äußerungen des Bundespräsidenten der Gegenzeichnung durch die Bundesregierung bedürfen, ist umstritten", schreibt die Gutachterin. "Eine stark im Vordringen befindliche Auffassung im verfassungsrechtlichen Schrifttum" lehne eine Gegenzeichnungspflicht ab. Allerdings sei der Präsident "auch nach dieser Auffassung nicht in seinen Äußerungen gänzlich frei, sondern wegen der Verfassungsorgantreue verpflichtet, keine 'Nebenaußenpolitik' zur Bundesregierung zu betreiben". Hieraus könne sich "im Einzelfall auch die Pflicht zu einer engen Abstimmung von Äußerungen, insbesondere im Bereich der Außenpolitik, ergeben".