Großbritannien:Mutmaßlicher Ex-Doppelagent wegen Vergiftung im Krankenhaus

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  • In der südenglischen Stadt Salisbury liegen ein Mann und eine Frau mit Verdacht auf Vergiftung durch eine "unbekannte Substanz" im Krankenhaus.
  • Bei dem Mann soll es sich BBC zufolge um einen Ex-Doppelagenten aus Russland handeln. Falls es sich um den Spion handelt, hat die russische Regierung der britischen ihre Kooperation angeboten.
  • Der britische Außenminister Johnson droht hingegen mit einer "robusten" Antwort, sollte sich herausstellen, dass die russische Regierung in den Fall involviert sei.
  • Der Fall erinnerte an die Ermordung des Kremlgegners Alexander Litwinenko im Jahr 2006.

Ein mutmaßlicher Ex-Doppelagent aus Russland ist in Großbritannien offenbar einem Gift-Anschlag zum Opfer gefallen. In der südenglischen Stadt Salisbury wurden am Wochenende zwei Menschen mit Verdacht auf Vergiftung durch eine "unbekannte Substanz" in ein Krankenhaus eingeliefert und ringen seitdem auf der Intensivstation mit dem Tod. Das teilte die Polizei am Montag mit.

BBC und der Agentur PA zufolge handelt es sich bei dem Mann um den früheren russischen Geheimdienstoffizier Sergej Skripal und seine Tochter Yulia Skripal. Sergej Skripal hatte als Mitglied des Militärgeheimdienstes GRU für den britischen Geheimdienst spioniert. Nach seiner Enttarnung war er in Moskau wegen Hochverrats zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Im Rahmen eines Gefangenenaustauschs zwischen Moskau und Washington kam er 2010 nach Großbritannien.

Der britische Außenminister Boris Johnson sandte am Dienstag warnende Worte in Richtung Russland: Sollte sich herausstellen, dass die Regierung in Moskau hinter dem mutmaßlichen Gift-Anschlag stecke, werde das Vereinigte Königreich "angemessen und robust" anworten. Johnson nannte mögliche weitere Russland-Sanktionen.

Auf einer Bank in einem Einkaufszentrum in Salisbury wurden der Mann und seine Begleitung in kritischem Zustand gefunden. (Foto: AP)

Der Kreml hatte der britischen Regierung zuvor angeboten, in dem Fall zusammenzuarbeiten. Bislang sei jedoch keine solche Anfrage aus Großbritannien eingegangen, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow am Dienstag. Er bezeichnete den Vorgang als "tragische Situation". Über die Hintergründe habe er keine Informationen, auch nicht darüber, ob S. noch russischer Staatsbürger sei.

Die Polizei gab offiziell nur an, es handle sich um einen Mann, der zwischen 60 und 70 Jahre alt ist, und eine Frau zwischen 30 und 40. Sie wurden bereits am Sonntag bewusstlos in der Nähe eines Einkaufszentrums von Passanten entdeckt. Beide befinden sich in einem kritischem Zustand.

Die mysteriöse Vergiftung weckt böse Erinnerungen

In der Nacht zum Dienstag schloss die Polizei im Rahmen der Ermittlungen eine Pizzeria in Salisbury "als Vorsichtsmaßnahme". Die Behörden gehen zwar anhand der vorliegenden Informationen nicht von einer Gesundheitsgefährdung aus. Dennoch wurde die Öffentlichkeit gebeten, Verdachtsfälle bei plötzlicher Erkrankung umgehend zu melden. Auf Fernsehbildern waren Einsatzkräfte in Schutzanzügen zu sehen, die den Fundort der Verletzten reinigten.

Die Polizei sprach von einem "schweren Vorfall", eine ganze Reihe von Behörden sei eingeschaltet worden. Noch sei nicht klar, ob eine Straftat vorliege. "Wir wollen den Menschen versichern, dass wir Vorfälle dieser Art extrem ernst nehmen", hieß es in der Mitteilung. Der Vorfall werde bislang nicht als Terroranschlag behandelt, doch es werde auch in diese Richtung ermittelt.

Großbritannien
:Fall Litwinenko: Bericht mit diplomatischem Sprengstoff

Ein britischer Untersuchungsbericht sieht den russischen Staat hinter dem Mord an Kreml-Kritiker Litwinenko. Strafrechlichte Folgen hat das nicht - aber politische.

Von Christian Zaschke, London

Die mysteriöse Vergiftung sorgt nicht nur für Aufsehen in britischen Geheimdienstkreisen, sondern weckt auch böse Erinnerungen: Der Fall erinnert an die Ermordung des Kremlgegners Alexander Litwinenko im Jahr 2006. Unbekannte hatten ihn in London mit radioaktiv verseuchtem Tee vergiftet. Das darin enthaltene hochgiftige Polonium 210 tötete ihn nach drei Wochen. Nach britischen Ermittlungen stecken frühere russische Geheimdienstler hinter dem Mord an dem abtrünnigen Exilanten.

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