Griechenland:Varoufakis will Steuersünder mit Hausfrauen und Studenten jagen

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  • Griechenland beginnt mit Rückzahlung fälliger Schulden.
  • Das Geld ist knapp: Athen bekommt nur noch kurz laufende Kredite am Kapitalmarkt, weil die durch Liquiditätsnothilfen der EZB gedeckt sind.
  • Wie viel Geld Griechenland aktuell braucht, ist unklar: Athen weigert sich, gemeinsam mit den Kreditgebern einen Kassensturz zu machen.
  • Varoufakis möchte Bürger zu Steuerfahndern machen.

Von Cerstin Gammelin und Christiane Schlötzer, Brüssel

Die griechische Regierung von Premierminister Alexis Tsipras hat an diesem Freitag begonnen, eine im März fällige Kreditrate an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzuzahlen. Wie aus dem Athener Finanzministerium verlautete, überwies das Land fristgemäß 310 Millionen Euro. Weitere 1,19 Milliarden Euro werden in zwei Wochen fällig. Finanzminister Yanis Varoufakis hat zugesichert, das Geld pünktlich fließen zu lassen.

Die derzeit einzige Möglichkeit, am Kapitalmarkt Geld zu leihen, besteht in der Ausgabe von Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit. Athen plant, allein im März über die Ausgabe solcher T-Bills bis zu vier Milliarden Euro einzunehmen. Diese Summe gilt als realistisch, weil sie von Liquiditätsnothilfen der Europäischen Zentralbank (EZB) gedeckt ist.

Bei der jüngsten Ausgabe, die 1,138 Milliarden Euro erbrachte, kamen die Käufer fast ausschließlich aus Griechenland. Es waren einige institutionelle Anleger wie Renten- und Versicherungsfonds, aber überwiegend staatseigene Betriebe. Um T-Bills zu kaufen, holen sie Geld von ihren Konten bei griechischen Banken; dieser Abfluss wird über die Notenbankliquidität ausgeglichen. Die EZB hat Athen bereits 68,8 Milliarden Euro gewährt, davon sind drei Milliarden Euro noch ungenutzt. Selbst wenn bei den nächsten Auktionen kein internationaler Investor kaufen würde, könnten griechische Anleger daher Anleihen im Wert von bis zu drei Milliarden Euro aufkaufen. Da aber bisher immer auch Ausländer kauften, dürfte die Summe höher ausfallen. Der dramatische Finanzbedarf der Regierung in Athen lässt sich nicht genau beziffern. Athen weigerte sich bisher, mit den Buchprüfern der Kreditgeber von Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und Europäischer Kommission einen Kassensturz zu machen. "Weil keine Gespräche stattfinden, ist der Zustand des Haushalts unbekannt", sagte ein EU-Diplomat am Freitag.

"Wir sind nicht Merkels Kolonie": Demonstration in Athen im Februar. (Foto: Milos Bicanski/Getty)

Schätzungen zufolge sollen die Steuereinnahmen in diesem Jahr um 50 Prozent eingebrochen sein. Das Europäische Statistikamt Eurostat meldete am Freitag, dass die Wirtschaftsleistung Griechenlands im vierten Quartal 2014 mit minus 0,4 Prozent stärker gesunken sei als ursprünglich angenommen. Die Regierung bestätigte am Freitag, dass Tsipras am Vortag EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker telefonisch um ein möglichst zeitnahes Treffen gebeten habe. Es soll in den nächsten Tagen stattfinden und dazu dienen, Geld zu mobilisieren, mit dem die humanitäre Krise bekämpft werden soll.

Am kommenden Montag werden die Euro-Finanzminister in Brüssel beraten. Varoufakis hat vorab am Freitag einen Brief an Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem geschrieben. Er liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Darin heißt es, die Gespräche mit den Buchprüfern sollten in Brüssel, aber nicht in Athen stattfinden. Tsipras hatte schon im Wahlkampf erklärt, er wolle die Troika der Kreditgeber nicht mehr in Athen sehen. Um Steuerhinterzieher zu fassen, schlägt Varoufakis nun vor, eine große Zahl von Bürgern ("Studenten, Hausfrauen, sogar Touristen") nach "kurzer Ausbildung" als verdeckte Ermittler in Restaurants, Bars oder Arztpraxen zu schicken. Sie sollten im Auftrag der Steuerbehörden heimliche Ton- oder Bildaufnahmen machen. Des weiteren will Athen alle Staatsausgaben von einer unabhängigen Aufsicht überwachen lassen. Säumige Steuerzahler sollen mit Nachlässen bei Strafgebühren und mit Ratenzahlungen gelockt werden.

© SZ vom 07.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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