Gregor Gysi:Rückzug auf dem Höhepunkt der Macht

Gregor Gysi hat aus der SED die PDS gemacht, die PDS mit der der WASG zur Linkspartei zusammengeführt. Und ihr den Weg nach Westdeutschland geebnet. Jetzt will er im Herbst nicht mehr als Fraktionschef antreten. Eine Karriere in Bildern.

Von Thorsten Denkler

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Seit der Wende hat Gregor Gysi die Politik erst der PDS, dann der Linken entscheidend geprägt. Er hat sie erst im Osten, dann im Westen der Republik verankert. Einmal hat er sie aber auch in eine schwere Krise gestürzt. Er hatte alle führenden Positionen inne, die Partei und Fraktion zu vergeben haben. Im Herbst will Gysi nicht mehr für den Fraktionsvorsitz antreten. Das verkündete er auf dem Parteitag der Linken in Bielefeld. Der Schritt war so absehbar wie dann doch überraschend. Die Linke erlebt derzeit eine ihrer erfolgreichsten Phasen seit langem. Sie stellt mit Bodo Ramelow in Thüringen erstmals einen Ministerpräsidenten. Sie ist Oppositionsführerin im Bundestag. Sie hat in mehreren Landtagswahlen im Westen ihre Ergebnisse verbessert. Geblieben ist der alte Streit um eine Regierungsbeteiligung im Bund. Darauf scheint auch Gysi kaum noch zu hoffen. Vielleicht hätte er weitergemacht, wenn er seine Partei in rot-rot-grüne Koaitionsverhandungen hätte führen können. Eine Linke ohne Gregor Gysi? Kaum vorstellbar. An den Gedanken aber werden sich seine Genossen jetzt gewöhnen müssen. Er geht auf dem Höhepunkt seiner Macht. Ein Blick zurück auf seine Karriere.

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Gregor Gysi, 1948 als Sohn des späteren DDR-Kulturministers Klaus Gysi in Berlin geboren, studiert nach einer Ausbildung zum Rinderzüchter von 1966 bis 1970 Rechtswissenschaften in Berlin. 1976 promoviert er. 1967 wird er SED-Mitglied. Nach einer Karriere als Anwalt, der in Ostberlin vor allem systemkritische Bürger und kirchliche Basisgruppen vertritt, sitzt Gysi 1989 einer SED-Reformkommission vor, die Verfehlungen ehemaliger Parteispitzen untersuchte. Gysi spricht sich für die Sicherung von Archiven und Akten aus. Er selbst steht immer wieder in Verdacht, aktiv mit der Stasi zusammengearbeitet zu haben. Im Wendejahr 1989 wird er auf dem Sonderparteitag der SED mit rund 95 Prozent der Delegiertenstimmen zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. Drei Monate später, im Februar 1990, benennt sich die Partei in PDS um. Im Bild: Anwalt Gregor Gysi richtet sich an die Demonstrierenden vor dem Gebäude des Zentralkomitees der SED Ende 1989 in Berlin. Auf der Großkundgebung auf dem Alexanderplatz fordert Gysi ein neues Wahlrecht sowie ein Verfassungsgericht.

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Gregor Gysi gilt als eloquenter Redner. Schon 1992 verzichtet er jedoch auf eine erneute Kandidatur zum Parteivorsitz. Als Grund nennt er die andauernden Flügelkämpfe in der Partei. Gysi wird Vorsitzender der PDS-Gruppe im Bundestag. Die PDS setzt sich nach der Wende für einen demokratischen Sozialismus ein und für das Weiterbestehen zweier deutscher Staaten. Unter dem politischen Druck der Zeit spricht sich die Partei schließlich für einen stufenweisen Weg zur Deutschen Einheit aus. Im Bild: Frankreichs Präsident François Mitterrand mit Gregor Gysi bei dessen Staatsbesuch in der DDR im Dezember 1989.

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Erst 1995 distanziert sich die PDS von ihrem stalinistischen Erbe. Unter Leitung von Gysi, Lothar Bisky und Hans Modrow nimmt die PDS auf dem Berliner Parteitag die Züge einer Reformpartei an. Im Wahljahr zuvor hat sich die Linkspartei in den neuen Bundesländern als dritte politische Kraft etabliert. Im Bild von rechts: Der Vorsitzende der PDS-Gruppe im Bundestag, Gregor Gysi, der Parteivorsitzende Lothar Bisky und der damalige Alterspräsident des Bundestages, Stefan Heym, vor Beginn des 4. Parteitages der PDS in Berlin im Januar 1995.

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Bereits Mitte der Neunzigerjahre versucht Gysi ein bundesweites linkes Bündnis zu etablieren. Auftritte mit Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) und ein Treffen mit Oskar Lafontaine, damals noch SPD-Vorsitzender, im November 1995 bringen allrdings nicht den erwünschten Effekt. Im Bund bleibt die Linke weiter isoliert. Nach der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 1995, aus der die PDS als drittstärkste Kraft hervorgeht, schließt Gysi zwar eine Koalition mit der SPD aus, wirbt jedoch öffentlich für Tolerierungsmodelle. Im Bild: Oskar Lafontaine spricht mit Gregor Gysi während einer Haushaltsdebatte im Bonner Bundestag im November 1997.

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1998 überspringt die Partei bundesweit erstmals die Fünf-Prozent-Hürde und zieht als vollwertige Fraktion in den Bundestag ein. Gysi wird Fraktionschef. Im Bild: Gregor Gysi auf der Wahlparty der PDS in Berlin im September 1998. Neben ihm: Angela Marquardt, heute in der SPD.

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Als Antwort auf den Kosovo-Krieg reist Gysi nach Belgrad, um Slobodan Milosevic einen eigenen Fünf-Punkte-Friedensplan zu übergeben. Alle anderen Parteien im Bundestag verurteilen diese Aktion scharf. Gysi stellt im Sommer 1999 sein Papier "12 Thesen für eine Politik des modernen Sozialismus" vor. Darin bezieht er Stellung gegen ein von Tony Blair und Gerhard Schröder verfasstes Reformpapier. Gysis Papier wird als Versuch gewertet, die SPD von links unter Druck zu setzen. Gleichzeitig versucht er, die PDS auf einen neuen Kurs in der Wirtschafts- und Sozialpolitik zu bringen. Im Bild: Gysi präsentiert sein Zwölf-Punkte-Papier in Berlin im August 1999.

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Im Jahr 2000 zieht er sich ein zweites Mal von einem wichtigen Amt zurück. Diesmal vom Fraktionsvorsitz. Der Grund: Auf einem Parteitag im April 2000 kann er sich nicht mit seiner Forderung durchsetzen, die Positionen der Linken in der Außenpolitik zu modernisieren. Ein Problem, dass die Partei bis heute beschäftigt. Ende 2001 ist er wieder da, als Spitzenkandidat der Berliner PDS, die nach der Wahl mit der SPD in eine Koalition geht. Im Januar 2002 wird er Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen. Nicht für lange allerdings. Im Bild: Gregor Gysi leistet im Januar 2002 den Amtseid im Berliner Abgeordnetenhaus. Im Hintergrund links der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit.

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Mit ihm in der Regierung legt das Land Berlin einen rigiden Sparkurs auf. Doch Beobachter attestieren der PDS einen Imagegewinn in bisher wenig erreichten Kreisen. Unter Berliner Unternehmen hinterlässt Gysi einen positiven Eindruck. Die Wähler aber strafen die Linke eine Wahl später ab. So lange hält Gysi nicht durch. Sein erstes und einzigs Regierungsamt gibt er im Juli 2002 wegen einer eher kleinen "Flugmeilen-Affäre" als Senator zurück - ein Schritt, der von vielen als "unangemessen" und "vorgeschoben" interpretiert wurde. Im Bild: Gysi besucht als Frauensenator am Internationalen Frauentag Prostituierte in einem Bordell.

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Mit seinem Rücktritt als Senator in Berlin gefährdet Gysi die Zukunft der Partei. Nach der Bundestagswahl 2002 verfehlt die Linke die Fünf-Prozent-Hürde. Sie kann sich nur mit zwei Direktmandaten in den Bundestag retten. Schließlich folgt 2005 Gysis erneutes Comeback. Die PDS geht mit der SPD-Abspaltung WASG (Arbeit & Soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative) ein linkes Wahlbündnis für die bevorstehende Bundestagswahl ein. Gysis Motivation: Die "historisch einmalige Chance" in einer gesamtdeutschen Linken jenseits der SPD Alternativen zum "neoliberalen Zeitgeist" zu artikulieren. Die neue Linkspartei gewinnt auf Anhieb 8,7 Prozent der Stimmen und 54 Mandate im Bundestag. Gregor Gysi und Oskar Lafontaine teilen sich den Fraktionsvorsitz. Am 16. Juni 2007 entsteht dann mit dem Zusammenschluss von Linkspartei.PDS und WASG die Partei Die Linke. Im Bild: Gregor Gysi und das Vorstandsmitglied der WASG, Klaus Ernst, auf einem Sonderparteitag 2005. Im Hintergrund der inzwischen verstorbene PDS-Vorsitzende Lothar Bisky. Auf dem Sonderparteitag wird der Name PDS in "Die Linkspartei.PDS" geändert und das linke Wahlbündis für die Bundestagswahl vorbereitet.

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Bundestagswahlkampf 2009: Die Linkspartei ist als einzige Partei gegen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Sie fordert einen Mindestlohn von zehn Euro, eine Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes auf 500 Euro sowie ein milliardenschweres Investitionsprogramm. Manche hofften dennoch auf ein rot-rot-grünes Wahlbündnis. Am Ende hatten Union und FDP eine Mehrheit. Im Bild: Gregor Gysi, Katja Kipping und Oskar Lafontaine auf dem Bundesparteitag der Linken in Berlin im Juni 2009.

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Bei der nächsten Bundestagswahl 2013 holte die Linke mit Gregor Gysi als Spitzenkandidat 8,6 Prozent der Stimmen. Als Fraktionschef wird er noch bis Oktober 2015 an der Spitze der mit 64 Abgeordneten größte Oppositionspartei im Bundestag stehen. Im Bild: Gregor Gysi, Katja Kipping und Bernd Rixinger reagieren auf die Ergebnisse der Bundestagswahl.

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Im Bund hat es für eine rot-rot-grüne Koalition nie gereicht, schon gar nicht unter einer Führung der Linken. Auf Länderebene änderte sich das 2014: Bodo Ramelow ist der erste linke Ministerpräsident der Bundesrepublik. In Thüringen führt er die rot-rot-grüne Regierung. Vor der Wahl kam es zu einem Streit zwischen Gysi und Ramelow. Ramelow bezeichnete die DDR als "Unrechtsstaat", Gysi widersprach. Im Bild: Gregor Gysi und Bodo Ramelow bei einem Pressegespräch in Berlin.

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