George W. Bush:Der Gescheiterte

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Selbst nach acht Jahren Präsidentschaft ist nicht auszumachen, was Georg W. Bush tatsächlich antreibt. Woran glaubt er, wofür steht er, was eigentlich denkt er sich?

Stefan Kornelius

Nach acht Jahren Präsidentschaft ist es nach wie vor nicht auszumachen, was Georg W. Bush tatsächlich antreibt. Woran glaubt der Mann, wofür steht er, was eigentlich denkt er sich?

Am 11. September 2001 erfuhr Bush beim Besuch einer Schule in Florida vom Terroranschlag auf das World Trade Center - doch der aufregendste Moment als Präsident war für ihn ein anderer. (Foto: Foto: AFP)

Auf seltsame Weise ist George Bush abgeschirmt und dabei scheinbar unschuldig geblieben, unberührt von den Turbulenzen seiner Amtszeit, als wäre er noch der joviale und großzügig-konservative Gouverneur aus Texas, der belustigt und ohne die Last der Verantwortung auf das Präsidentenamt schauen kann.

Als Bush kürzlich in einem der Abschiedsinterviews nach dem aufregendsten Moment seiner Präsidentschaft gefragt wurde, erzählte er von dem Ballwurf, mit dem er 2001 ein Finalspiel der amerikanischen Baseball-Meisterschaften eröffnete: Niemals wieder sei ihm so bange gewesen.

Das war wenige Wochen nach dem 11. September. Eine frivole, geradezu dumme Bemerkung.

Ein seltsamer Mensch ist das also, der in fünf Tagen den mächtigsten Posten der Welt verlässt. Ungreifbar, gesteuert und mehrfach gefiltert erreicht noch immer das Bild eines Präsidenten die Öffentlichkeit, über den heute dasselbe Urteil gesprochen wird wie nach den ersten Monaten im Amt: Der kann es nicht.

Führungsschwach, desinteressiert und seltsam apathisch stand Bush acht Jahre lang an der Spitze der USA, eindeutig überfordert mit der Aufgabe, die auch ohne sein verhängnisvolles Zutun gewaltig gewesen wäre.

Amerika schrumpfte in diesen acht Jahren. Einmal Imperium und zurück, vom Hegemon zum Hampelmann - als hätten sich die Ambitionen dieser großen Nation dem Mann im Weißen Haus angepasst.

Man darf George Bush nicht freisprechen wegen mangelnder Kompetenz. Denn es wäre bei allen Grabenkämpfen und Unzulänglichkeiten der Berater und bei noch so viel fehlender Neugier möglich gewesen, Nein zu sagen.

Nein zur Invasion des Irak zum Beispiel, oder Nein zu Folter und zum Lager Guantanamo. Denn dabei ging es nicht um Methoden im Anti-Terror-Kampf, sondern um Prinzipien des Rechtsstaats, die der ältesten modernen Demokratie hätten heilig sein müssen.

Bush verwechselte Sturheit mit Prinzipientreue. Wie so häufig, wenn sich Menschen unsicher oder ihrer Rolle nicht gewachsen fühlen, muss er befürchtet haben, dass man ihn schwach oder prinzipienlos nennen könnte, wenn er seine Position wechselte.

Diese lächerliche Geradlinigkeit verengte die amerikanische Politik und steht für ein wichtiges Charakteristikum von Bushs Regierungsstil: In dieser Präsidentschaft verengte sich das Land und wurde außergewöhnlich intolerant.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Folgen die extreme Politik Bushs hat und wie Amerikas Rechtsstaat während seiner Amtszeit ausgehöhlt wurde.

Peinlichste Verbal-Patzer von George W. Bush
:"Völlig verunterschätzt"

Wohl kein Spitzenpolitiker verhaspelte sich so oft: Die peinlichsten Patzer des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush.

Die Feindseligkeit gegenüber einer multilateralen Politik, gegenüber internationalen Institutionen, die Selbstzufriedenheit, die Präventivschlags- Doktrin, die ideologische Überhitzung - all das waren Symptome von Isolationismus.

Der Rückzug aus der Welt ist immer dann verlockend, wenn Politik komplex wird und simple Antworten gesucht werden.

Drei Ereignisse werden das historische Bild der Bush-Präsidentschaft prägen: der 11. September und der daraus entwickelte "Krieg gegen den Terror", der Irakkrieg und die Finanzkrise.

Selbstüberschätzung und Maßlosigkeit

Alle drei verbindet, dass ihnen Elemente der Selbstüberschätzung und der Maßlosigkeit innewohnen. Alle drei wurden mit extremer Politik geführt: mit dem mächtigsten Militär aller Zeiten, mit einer Ideologie der Weltbeglückung und einem klaren Freund-Feind-Bild, mit dem größten Schuldenberg, den eine Regierung in so kurzer Zeit aufhäufen konnte.

Amerika wurde in seiner Geschichte immer wieder von extremen Ereignissen geschüttelt. Selten zuvor aber verdichteten sich politische Umstände, Personen und Ideologien zu einem derart gefährlichen Gebräu wie unter Bush.

Dokumentiert ist diese Maßlosigkeit im Aufstieg und Fall der Neokonservativen, in einer demokratischen Weltverbesserung-Philosophie, in militärischen Doktrinen und geheimen Präsidenten-Weisungen, die niemals den Segen des Parlaments erhielten und die das rechtsstaatliche Gefüge Amerikas aushöhlten.

Amerika erlag in den Bush-Jahren seiner Hybris, seiner Machtbesoffenheit. Es ignorierte die Erkenntnis, dass jede Anhäufung von Macht eine Gegenmacht provoziert, dass kluge Politik also gerade dieses konfrontative Szenario vermeidet und sich stattdessen in der Kunst der Verbrüderung übt.

Jimmy Carter bezeichnete unlängst George Bush als den schlechtesten Präsidenten aller Zeiten - ausgerechnet Carter, dem die Geschichtsbücher bestimmt keine Sonderseiten widmen werden.

Tatsächlich aber hätte es in diesem Moment des Weltumbruchs, als das Eis des Kalten Krieges schmolz und sich die Verwerfungen und Konflikte einer globalisierten Menschheit abzeichneten, einen anderen Präsidenten an der Spitze der USA gebraucht.

Nun verlässt George Bush die Politik, und wenig wird man künftig von ihm hören, ähnlich wie seine Präsidentschaft in den letzten Monaten im Dämmerzustand verharrte.

Amerika, das ihn zwei Mal (wenn überhaupt) mit knapper Mehrheit wählte, hat sich mit George Bush verändert. Es wird sich dieser Erfahrung so schnell nicht entledigen können.

© SZ vom 15.01.2009/ihe/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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