Gastgeber der Eishockey-WM in der Kritik:Weißrussland ist "kein würdiger Gastgeber"

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Nicht nur über einen politischen Boykott der Fußball-EM in der Ukraine wird im Moment heftig debattiert: Die Eishockey-WM dürfe nicht in Weißrussland stattfinden, fordern jetzt SPD und Grüne. Diktator Lukaschenko, dessen Leidenschaft für Eishockey bekannt ist, steht wegen der gewalttätigen Niederschlagung von Protesten in der Kritik.

Daniel Brössler und Michael Neudecker

Im Bundestag formiert sich fraktionsübergreifend Widerstand gegen die Austragung der Eishockey-Weltmeisterschaft 2014 im diktatorisch regierten Weißrussland. Das Regime von Präsident Alexander Lukaschenko sei "kein würdiger Gastgeber", heißt es in einem der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Antragsentwurf von SPD und Grünen. Auch CDU/CSU und FDP arbeiten nach SZ-Informationen an einem Antrag, der die geplante Weltmeisterschaft kritisiert. "Wir möchten nicht, dass die Eishockey-Weltmeisterschaft in Weißrussland stattfindet", sagte am Mittwoch die Vizevorsitzende der FDP-Fraktion, Birgit Homburger.

Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko (re., mit Bundesaußenminister Guido Westerwelle) gilt als letzter Diktator Europas. (Foto: dpa)

Auftrieb erhielten die Gegner des Turniers in Weißrussland durch Proteste gegen die Führung der benachbarten Ukraine, wo im Juni die Fußball-EM ausgetragen wird. "In Weißrussland ist die Lage wesentlich dramatischer als in der Ukraine. Wir sollten jetzt rechtzeitig Druck auf die Verbände ausüben, die Eishockey-WM 2014 in ein anderes Land zu verlegen", sagte die Osteuropa-Expertin der Grünen im Bundestag, Marieluise Beck.

An den Deutschen Eishockey-Bund (DEB) wird im Antragsentwurf von SPD und Grünen die Bitte formuliert, beim Kongress der Internationalen Eishockey-Föderation (IIHF) in Helsinki dafür zu plädieren, Weißrussland die Austragung der WM zu entziehen. Man gehe davon aus, dass "auch die große Mehrheit der Sportlerinnen und Sportler sich nicht gerne von einem Diktator auszeichnen lassen will".

Darf Sport unpolitisch sein?

Die direkte Aufforderung an den DEB wird von den Koalitionsfraktionen als problematisch angesehen. "Die Politik sollte sich nicht direkt in den Sport einmischen", sagte der FDP-Abgeordnete Bijan Djir-Sarai. Union und FDP wollen in ihrem Antrag den Eindruck vermeiden, die Unabhängigkeit von Sportverbänden zu missachten. Weißrussland als Austragungsort der Eishockey-WM halten sie aber ebenfalls für ungeeignet. Die Möglichkeiten eines gemeinsamen Antrags mit der Opposition sollen noch ausgelotet werden.

DEB-Präsident Uwe Harnos räumte ein, der Sport könne "sich nicht darauf zurückziehen, dass er unpolitisch ist". Es sei aber eine einheitliche Haltung nötig. "Es kann nicht sein, dass zum Beispiel in der Ukraine eine Fußball-EM stattfindet, aber in Weißrussland keine Eishockey-WM", sagte er. In jedem Fall sei wichtig, dass das Thema Weißrussland beim IIHF-Kongress "auf der Agenda ist". IIHF-Präsident René Fasel hat eine Verlegung mit Verweis auf die "Neutralität des Sports" abgelehnt.

Weißrusslands Präsident Lukaschenko, dessen Leidenschaft für Eishockey bekannt ist, steht wegen der gewalttätigen Niederschlagung von Protesten sowie der Inhaftierung zahlreicher Oppositionspolitiker in der internationalen Kritik. Entsetzen hat die Hinrichtung zweier junger Männer ausgelöst, die in einem international kritisierten Verfahren als Urheber eines Anschlags auf die Minsker U-Bahn verurteilt worden waren.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) drohte Kiew am Mittwoch wegen der Behandlung von Oppositionsführerin Julia Timoschenko mit Konsequenzen. In der Bild-Zeitung sagt er mit Blick auf die EU-Beitrittspläne Kiews: "Der Weg nach Europa führt über eine Brücke, die auf zwei Pfeilern steht: Demokratie und Rechtsstaatlichkeit."

© SZ vom 03.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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