Die sieben führenden Industriestaaten und Russland haben in L'Aquila einen Gipfel der Großzügigkeit inszeniert. Auf dem G-8-Treffen versprachen sie den armen Kleinbauern, vor allem in Afrika, Milliarden für den Aufbau eigener Betriebe. Und das, obwohl die Industrieländer angesichts der Wirtschaftskrise und teurer Konjunkturprogramme eigentlich keine Großzügigkeit zeigen können. So viel Spendierfreude in so schlechten Zeiten?
Dahinter steckt weniger die Einsicht, dass die Hilfe im Kampf gegen die weltweite Armut notwendig wäre. Vielmehr befürchten Obama, Merkel und Kollegen, politisch abgestraft zu werden, wenn sie die finanzielle Unterstützung verweigerten.
Man stelle sich nur die Kampagnen der Entwicklungshelfer und afrikaverliebten Popsänger vor: "Reiche Staaten retten Banken mit Billionenbeträgen und überlassen eine Milliarde Menschen dem Hungertod." Welche moralische Entrüstung würde das in der Öffentlichkeit auslösen! Das wollten eine wahlkämpfende Bundeskanzlerin und ein schwarzer US-Präsident, der sich gerade nach Ghana begibt, wohl nicht riskieren.
So tun, als täten sie was
Den G-8-Staaten blieb nichts anderes übrig als zu helfen. Oder besser: so zu tun, als täten sie was. Die Erfahrung aus den vergangenen Jahren zeigt jedenfalls, dass die tatsächlich ausbezahlten Beträge der Geberländer deutlich geringer ausfielen als zuvor großspurig auf Gipfeln zugesagt war. Dafür ist die Landwirtschaft, die jetzt mit einem Sonderfonds gefördert werden soll, ein gutes Beispiel.
Vor einem Jahr revoltierten die Menschen in vielen armen Ländern, weil die Lebensmittelpreise so stark gestiegen waren. Afrikaner, Lateinamerikaner und Asiaten konnten sich ihr Essen nicht mehr leisten. Weil die Entwicklungsländer selbst zu wenig anbauten, mussten sie teure Importe bezahlen.
Die Gebergemeinschaft sagte schon damals zwölf Milliarden Dollar zu, um Kleinbauern zu fördern. Bis jetzt ist davon nur ein Bruchteil angekommen. Und obwohl seit vielen Jahren klar ist, dass die Menschen in den armen Ländern nur genug Nahrung zu einem bezahlbaren Preis erhalten können, wenn die heimischen Bauern mehr produzieren, haben die Geberländer die finanzielle Unterstützung ausgerechnet für die Landwirtschaft bis vor kurzem stetig gesenkt.
Keine verbindlichen Regeln
Die reichen Staaten können die Weltöffentlichkeit leicht über die tatsächlich geleistete Entwicklungshilfe täuschen. Es gibt keine verbindlichen Regeln, welche Ausgaben die Regierungen in ihren Hilfepakten mitzählen dürfen. Daher bleiben nur eingeschränkte Möglichkeiten, die Zusagen zu überprüfen.
Gehört etwa der Schuldenerlass zur offiziellen Entwicklungshilfe? Oder die Militärausgaben, wenn die Armee Aufbauhilfe leistet? Oder die Spenden, die Hilfsorganisationen sammeln? Schichten die Geber, wenn sie Zusagen machen, nur bestehende Geldtöpfe um? Viele Regierungen haben nicht einmal ein eigenständiges Entwicklungshilfeministerium, was die Kontrolle noch schwieriger macht.
Geradezu absurd wirken die Entwicklungshilfeversprechen angesichts der Handelspolitik der Industriestaaten. Derart großzügig subventionieren sie ihre Landwirtschaft, dass die Bauern aus den reichen Staaten ihre Überschüsse zu Dumpingpreisen in den armen Ländern verschleudern können. Gleichzeitig drängen die Industriestaaten auch noch die armen Länder dazu, ihre Schutzzölle zu senken.
Der Kleinbauer in Sambia, der sich mit fremder Hilfe ein paar Kühe zugelegt hat, hat also gar keine Chance, weil die (überwiegend armen) Sambier das ausländische Milchpulver kaufen, das dank der Subventionen der reichen Staaten zum Spottpreis zu haben ist. Solange die Industrieländer diese Handelspolitik beibehalten, verpufft jede Entwicklungshilfe. Und die Staatstreffen verkommen zum Gipfel der Heuchelei.