Transferzeit im Fußball:Monopoly mit Menschen

Training VfL Wolfsburg Kevin De Bruyne

In der reichsten Liga der Welt gelandet: Kevin De Bruyne, einst VfL Wolfsburg.

(Foto: dpa)

Der Transfer von Kevin de Bruyne zu Manchester City kostet so viel wie 4200 VW Golf. Kann ein Fußballer so viel wert sein?

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Das Beispiel mag im konkreten Fall nicht das originellste sein, aber es macht den Vorgang anschaulich: Würde man die Ablösesumme für den Fußballer Kevin De Bruyne in Wolfsburg direkt in den Kauf von Fahrzeugen der Marke Golf investieren, man würde als Gegenwert um die 4200 Autos erhalten. Zum Listenpreis von 17 500 Euro, ohne Extras, ohne Klimaanlage, Navi oder Lederpolster.

Der Klub Manchester City, namentlich sein Besitzer Scheich Mansour aus Abu Dhabi, hat sich jedoch entschlossen, im Augenblick beim VW-Konzern kein Auto, sondern einen Mittelfeldspieler zu erwerben. Für 74 Millionen Euro plus diversen Extras. Einen solchen Profi gibt es nicht vom Band. Der exklusive Wert von De Bruyne zeigt sich darin, dass in der vorigen Saison nicht etwa die Münchner Weltmeister-Modelle Manuel Neuer, Thomas Müller oder Philipp Lahm, sondern dieser 24 Jahre junge Belgier vom VfL Wolfsburg zu Deutschlands "Fußballer des Jahres" gewählt wurde.

Zur Einordnung: De Bruyne ist damit zwar nicht der teuerste Profi, der jemals transferiert wurde - das bleibt der bei Real Madrid beschäftigte Cristiano Ronaldo mit 94 Millionen Euro. Doch das Volumen des De-Bruyne-Wechsels ist doppelt so umfangreich wie beim zuvor gehaltvollsten Transfer unter Mitwirkung der deutschen Bundesliga. Das zeugt von galoppierender Inflation. Rechtfertigt überhaupt irgendetwas diesen Preis?

Der englische Fußball ist der globale Sport

Jenseits aller berechtigten moralischen Fragen, was überhaupt der Maximalwert für die Dienstleistung eines Menschen sein sollte, von welchem Preis an es obszön wird, handelt es sich zunächst einmal um einen marktwirtschaftlichen Vorgang von Angebot und Nachfrage. Die englischen Klubs haben das Geld, es verführt dazu, sofort investiert zu werden. Preistreibend ist dabei die Sondersituation auf dem dortigen Fernseh-Markt. Es ist der weltweit extremste Fußball-Markt.

Die wichtigsten Spieler sind dabei in England längst nicht mehr die Fußballer selbst, sondern die Vorstandsvorsitzenden der TV-Riesen British Telecom und Sky. Beide Bezahlsender liefern sich einen Bieterwettstreit, der jüngst in einen Rekordvertrag mündete. Für die drei Spielzeiten von 2016 bis 2019 wurde der Premier League die irrwitzig anmutende Summe von 6,9 Milliarden Euro versprochen. Nun handeln die Klubs auch im Vorgriff auf die kommende Geldflut.

Die reichste Liga der Welt wird immer reicher, sie kalkuliert mit zwei- bis dreimal so hohen Einnahmen, wie sie die Bundesliga erwarten kann. Weiterer Wettbewerbsvorteil: Englisch ist die globale Sprache, der englische Fußball der globale Sport. Auch deshalb kann nicht nur Champions-League-Prominenz wie der FC Chelsea oder Manchester City, sondern auch der FC Bournemouth oder West Bromwich Albion mit Millionen kalkulieren, dass sogar der FC Bayern neidisch wird.

Scharfer Kontrast zum Flüchtlings-Elend

Das Modell rentiert sich - das weltweite TV-Publikum hilft den Briten beim großen Verdienen. Die Premier League ist in Mumbai, Peking und Shanghai, in Melbourne und Chicago attraktiv. Um es zu bleiben, sucht sie neue Hauptdarsteller wie De Bruyne.

Doch das Geschacher, das Monopoly mit Menschen, diese immer neuen Meldungen von immer neuen Rekordtransfers - all das steht in scharfem Kontrast zu den Bildern, die die Nachrichten dominieren. Sie kommen zwar aus unterschiedlichen Welten, die Fußballer und die Flüchtlinge, aber die Schlagzeilen werden über die Medien zusammengeführt. Dass der Marktwert eines Fußballers auf mehr als 74 Millionen Euro festgelegt wurde, muss - in Bezug gesetzt zu Elend und Tod - zwangsläufig zynisch wirken.

Vor dieser traurigen Kulisse wird dem Sport umso mehr zum Problem, was ihn für viele so kostbar macht: Zwar gibt es gerade im Fußball eine gewaltige Schattenwelt, das Spiel selbst aber kommt im grellen Licht der Öffentlichkeit zur Austragung. Die Macht der teuren Bilder kann sich da schnell umkehren. Keine Kamera sieht einem Investmentbanker dabei zu, wie er Millionen verdient. Dessen Arbeit wird nicht im Fernsehen übertragen, er hat keine Facebook-Seite, auf der ihn die Fans beschimpfen können. Der Fußballer aber spielt vorne auf der Bühne. Seine Leistung steht immer in der Kritik.

Übersehen wird in der Debatte, ob der Fußball sein Geld wert ist, dass die Sportlandschaft als sozialer Faktor an der Basis gut funktioniert. Viele Vereine stellen derzeit Heime und Turnhallen für Flüchtlinge zur Verfügung, das Engagement der Ehrenamtlichen ist enorm. Den Spitzenklubs fällt es hingegen oft schwer zu begreifen, dass ihre Rolle über den Sport hinausgeht. Dass ihr einziges Unternehmensziel nicht der Sieg um jeden Preis sein darf. Sondern dass die Herausforderung jenseits der Stadiontore erst beginnt.

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