Friedensnobelpreisträger Obama:Der Versöhner

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Er will eine Welt ohne Atomwaffen, Völker versöhnen und den Umweltschutz vorantreiben: Barack Obama personifiziert die Hoffnung auf eine bessere Welt - doch in der Heimat nützt ihm das wenig.

Wolfgang Jaschensky

Zehntausende Menschen strömen bereits am frühen Morgen den steilen Weg hinauf zum Hradschiner Platz in Prag. Journalisten und Kamerateams aus der ganzen Welt sind längst in Position. Sie alle warten auf den Mann, der seit Monaten für viele Menschen die Hoffnung auf eine bessere Welt personifiziert, auf Barack Obama.

An diesem 5. April 2009 wird sich der neue amerikanische Präsident erstmals auf europäischem Boden an die Europäer wenden. Obama hat eine große Rede angekündigt, entsprechend groß ist die Erwartungshaltung. Der US-Präsident verspätet sich, kämpft mit einer Erkältung - und hält am Ende eine Rede mit einer großen Vision, einer Vision, die ihm jetzt den Friedensnobelpreis gebracht hat.

Vor den immer wieder jubelnden Zuhörern verspricht der Präsident eine "Welt ohne Atomwaffen". Obama wendet sich gegen die Behauptung, die Verbreitung nuklearer Waffen könne nicht gestoppt werden. "Solch ein Fatalismus ist ein tödlicher Gegner", sagte der US-Präsident. Man müsse denen widersprechen, die erklärten, die Welt sei nicht zu ändern. "Wir müssen darauf beharren: ja, wir können" - Yes, we can.

Ein halbes Jahr nach der Prager Rede erhält Obama den Friedensnobelpreis. Das norwegische Komitee würdigt insbesondere Obamas Idee einer atomwaffenfreien Welt - und seine "außergewöhnlichen Bemühungen um eine Stärkung der internationalen Diplomatie und um Zusammenarbeit zwischen den Völkern".

Bereits im Wahlkampf hatte Obama angekündigt, mit Bushs unilateraler Außen- und Sicherheitspolitik zu brechen und der Missachtung von Bürger- und Menschenrechten im Kampf gegen den Terror ein Ende zu setzten.

Von Beginn an setzte Obama auf Kooperation statt auf Konfrontation - auch gegenüber strategischen Konkurrenten wie Russland und China. Obama tilgte den Begriff des "War on Terror" aus dem Sprachgebrauch und arbeitete an neuen Strategien im Irak und in Afghanistan.

Für den Irak präsentierte Obama kurz nach seinem Amtsantritt einen Plan für den Abzug der US-Kampftruppen binnen 18 Monaten. In Afghanistan, wo die aufständischen Milizen der radikal-islamistischen Taliban erneut Oberhand zu gewinnen drohten, stockte Obama die Truppen hingegen deutlich auf.

Auch die Rede in Prag blieb nicht ohne Folgen. Am 24. September 2009 nahm der UN-Sicherheitsrat unter Vorsitz Obamas eine Resolution für nukleare Abrüstung einstimmig an. Eine Woche zuvor hatte Obama verkündet, dass die USA auf den bisher geplanten Raketenschild in Polen und Tschechien verzichten wolle.

Doch nicht nur die Prager Rede dürfte die Juroren in Oslo beeindruckt haben. Zwei Monate nach dem Aufritt in Prag sprach Obama während eines Staatsbesuches in Ägypten in der Universität Kairo. Dem "Assalamu alaikum", dem arabischen Friedensgruß, folgte eine Tour de Force durch die Befindlichkeiten der islamischen Welt.

Obama hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für ein neues, von wechselseitigem Respekt getragenes Verhältnis zwischen den USA und der islamischen Welt. Deutlicher hätte der Bruch mit der Rhetorik seines Vorgängers kaum sein können, obwohl auch Obama deutlich auf die Interessen der Supermacht verwies.

Für die Rolle des Versöhners zwischen den Völkern ist Obama auch wegen seiner Biographie besser geeignet als jeder US-Präsident vor ihm. Obama wurde am 4. August 1961 als Sohn eines schwarzen kenianischen Austauschstudenten und einer weißen Amerikanerin auf Hawaii geboren. Nach der Trennung der Eltern heiratete die Mutter einen Indonesier, die Familie zog nach Jakarta, wo Obama bis 1971 auf die Schule ging. Danach wuchs er bei seinen weißen Großeltern in Honolulu auf.

Nach einem Politikstudium in New York, Sozialarbeit in Chicago und einem Jurastudium an der Eliteuniversität Harvard lehrte Obama an der Universität von Chicago Rechtswissenschaft - und bereitete sich auf seine politische Karriere vor. 1996 schaffte er den Sprung in den Senat des Bundesstaates Illinois, 2004 in den US-Senat in Washington.

Bereits im Februar 2007 kündigte Obama seine Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur an. Zunächst galt er als hoffnungsloser Außenseiter gegen die ehemalige First Lady Hillary Clinton. Doch er überzeugte mit rhetorischer Brillanz und eingängiger Botschaft: "Hoffnung", "Wandel" und "Versöhnung".

In Deutschland bleibt aus dieser Zeit besonders seine Rede an der Berliner Siegessäule vor 200.000 Menschen in Erinnerung. "Jetzt ist es Zeit, neue Brücken zu bauen", rief Obama in Berlin den jubelnden Massen zu - und grenzte sich so deutlich von George W. Bush ab.

Auch in der Umweltpolitik bricht Obama mit der Politik seines Vorgängers. Anders als die Regierung Bush mit ihrer industriefreundlichen Rohstoff- und Energiepolitik, will Obama, dass die USA in Klimafragen international wieder eine Vorreiterrolle einnehmen. Dazu gehört ein milliardenschweres Investitionsprogramm zur Förderung alternativer Energien, zum Abbau der Treibhausgasemissionen und zur Reduzierung der Abhängigkeit von importiertem Öl.

Doch die Begeisterung, die Obama im Ausland häufig erfährt, kühlt im eigenen Land zusehends ab. Die Wirtschafts- und Finanzkrise, steigende Arbeitslosenzahlen und heftiger Widerstand gegen die geplante Gesundheitsreform ließen die Beliebtheitswerte Obamas zuletzt sinken.

Barack Obama ist erst der dritte US-Präsident, der während seiner Amtszeit den Preis erhält - nach Theodore Roosevelt im Jahr 1906 und Woodrow Wilson 1919. Doch keiner hat ihn bereits im ersten Jahr seiner Amtszeit erhalten.

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