Vorwahlen in Frankreich:Wer dieses Duell gewinnt, dürfte Frankeichs nächster Präsident werden

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Die Favoriten: Nicolas Sarkozy (links), der bereits von 2005 bis 2012 im Élysée-Palast residierte, und der Bürgermeister von Bordeaux, Alain Juppé. (Foto: Charly Triballeau/AFP)

Bei den Vorwahlen der Republikaner liegt der besonnene Alain Juppé vorn. Ex-Staatschef Sarkozy greift von rechtsaußen an - und macht dem Volk ein gefährliches Versprechen.

Von Christian Wernicke

Die Angst vor großen Worten hat ihn nie geplagt, im Gegenteil. Nicolas Sarkozy liebt es, seinen Zuhörern das Gefühl zu geben, er spreche jeden Satz mit dem Atem der Geschichte. So wie am vergangenen Sonntag. Leise, fast zärtlich haucht der Ex-Präsident seine Phrasen ins Mikrofon, als er im "Zenith", der riesigen Konzerthalle von Paris, von den kleinen Leuten spricht. Er redet von "diesem Frankreich des wahren Lebens", auf das so viele Politiker nur noch arrogant herabblickten, von der "französischen Mehrheit" im Land, die - "unverstanden, malträtiert, verspottet" - sich längst "nicht mehr beachtet fühlt".

Viele der mehr als 6000 Getreuen im Saal, die andächtig lauschen, nicken da. Ihre Gesichter strahlen, da ihr Idol versichert, er pfeife auf das Wohlwollen der Reichen und Mächtigen. Sarkozy wird lauter, er schwört, er werde die Stimme sein für "diese schweigende Mehrheit". Und siehe da, sein Publikum erhebt sich, jubelt und johlt, als er sagt: "Ich strebe nach der Wiederauferstehung des französischen Volkes!" Schreiend fügt er hinzu, das sei - "voilà!" - eben der Unterschied: "Zwischen denen - und uns!"

"Die da", damit meint Sarkozy nicht nur die Sozialisten. Also nicht nur die linken "Versager", die Frankreich seit seiner Abwahl 2012 regieren und dem Abgrund entgegentreiben. "Die da" macht er auch in den eigenen Reihen aus, unter dem Dach von Frankreichs Republikanern, in deren Namen Nicolas Sarkozy als Kandidat bei der Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2017 antreten will.

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Sieben Bewerber bei den Bürgerlichen, die meisten alte Bekannte

Es sind "die da oben", vor denen er warnt: die Eliten, die den Staatsapparat und die Medien durchsetzen. Sarkozy schimpft sie "Schöngeister" und "Gutmenschen" und höhnt, diese würden "nicht die Metro nehmen und den Zug in die Vorstadt nur vom Foto kennen". Sarkozy, der Tribun des Volkes, gibt sich als Retter der Nation: ein wenig de Gaulle, ein bisschen Bonaparte. Nächstes Jahr will er zurück in den Präsidentenpalast.

Ob das gelingt, entscheidet sich nicht erst im Frühjahr, wenn die Republik ihre Citoyens zur Wahl ruft, sondern jetzt: Am 20. und 27. November lädt Frankreichs bürgerliche Oppositionspartei alle Anhänger "der Rechten und des Zentrums" an die Urnen, zu den beiden Wahlgängen ihrer "Primaire", zur Urwahl ihres Spitzenkandidaten. Die Kampagne beginnt diese Woche, am Donnerstagabend treten gleich sieben Bewerber - sechs Männer und eine Frau - zur ersten TV-Debatte an.

Der republikanische Sieger vom November hat beste Chancen, im Mai auch die Präsidentschaftswahl im Land zu gewinnen. Warum? Weil der Aufstieg des Front National (FN) zur stärksten Kraft der V. Republik erstmals ein Drei-Parteien-System geschaffen hat. Die regierenden Sozialisten aber sind zerschlissen und voraussichtlich zu schwach, um es im Frühjahr in den zweiten Wahlgang zu schaffen. So gut wie jeder Republikaner dürfte es also in die Stichwahl schaffen gegen Marine Le Pen - und eine Mehrheit der Franzosen würde für ihn stimmen, um die FN-Chefin auf der Zielgeraden zur Macht zu stoppen.

Die Vorwahl wird so zur eigentlichen Wahl. Die meisten der sieben Aspiranten sind alte Bekannte, etwa Sarkozys Ex-Premier François Fillon oder sein früherer Landwirtschafts- und Europaminister Bruno Le Maire. Nur, sämtliche Umfragen zeigen, dass sich der Siebenkampf zum Duell verengt, zum Showdown zwischen dem Ex-Präsidenten und Alain Juppé, dem 71 Jahre alten Konservativen.

Juppé ist das Gegenmodell: ein Vernunftpolitiker, abgeklärt, technokratisch, bisweilen langweilig. Seit bald fünf Jahrzehnten macht Juppé, einstiger Musterschüler und Elitestudent, ehemaliger Minister und Regierungschef, Karriere in Verwaltung und Politik. Er zählt zu der Kaste, die man in Paris den "Adel der Republik" nennt. Also zu "denen".

Sarkozy muss kämpfen. In den Umfragen liegt er klar hinter Juppé. Also greift er an, über Rechtsaußen. Vor fünf Jahren war er als "Président bling-bling" verschrien, als Präsident der Millionäre. Heute schleudert er Gift und Galle gegen das Establishment, malt das düstere Bild von einem Land im Niedergang. Er warnt vor Islamisten und Immigranten, bangt um Frankreichs Identität - und geißelt all jene, die in Volkes Stimme rassistische oder xenophobe Töne ausmachen.

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Es stört ihn nicht, dass Juristen sein Vorhaben für verfassungswidrig halten, vom Geheimdienst beobachtete Verdächtige ohne Gerichtsurteil präventiv in Lager à la Guantanamo zu internieren. Oder dass er, um den Nachzug von Familienangehörigen legaler Einwanderer zu stoppen, notfalls internationale Menschenrechtskonventionen aufkündigen müsste. In seinen Augen rebelliert da nur das übliche "Kartell der Neinsager", inklusive dem obersten Gerichtshof und Parteifeind Juppé.

Sarkozy, der Populist, kontert von unten: Kürte das Volk ihn im Mai 2017 zum Präsidenten, so verspricht er, dürfe seine "schweigende Mehrheit" per Referendum schon einen Monat später ein Machtwort sprechen - gegen Verdächtige und Fremde.

Moderate Parteifreunde argwöhnen, Sarkozy folge amerikanischen Vorbildern. Etwa Donald Trump. Im Bemühen, Stimmen vom Front National zurückzugewinnen, kopiere Frankreichs Ex-Präsident "die konservative Rechte der US-Südstaaten", sagt Hervé Gaymard, ein republikanischer Abgeordneter in der Nationalversammlung: "wirtschaftsfreundlich, autoritär, gegen Immigranten." Das sei eine Strategie, die vorrangig auf weiße Wähler ziele. Eben auf jene "Nachfahren der Gallier", von denen Sarkozy regelmäßig spricht.

Sarkozy macht Schlagzeilen. Aber bisher punktet er nicht. Alain Juppé, der Beherrschte, konnte seinen Vorsprung in den Umfragen zuletzt sogar ausbauen. Das Programm dieses gediegenen Konservativen ist solide, nicht sensationell. Er verspricht (ähnlich wie Sarkozy) weniger Steuern und weniger Beamte, und er verlangt (strenger als Sarkozy) mehr Arbeit: Die 35-Stundenwoche will er lockern, das Rentenalter von 62 auf 65 Jahre erhöhen.

Aber Juppés Ton ist anders. Ruhiger, bedächtiger. "Ich will keinen Bürgerkrieg, sondern einen Dialog der Kulturen", sagt Juppé, wenn er nach dem Islam oder Frankreichs Muslimen gefragt wird. Ja, Frankreich stecke in der Krise - "aber wir müssen uns nicht immer ausmalen, dass alles noch schlimmer wird". Juppé weiß um die nationale Trübsal im Land - und riskiert als einziger Optimismus. Den Franzosen verheißt er, nach Reformen und nur einer Amtszeit als Präsident, eine "Identité heureuse", eine glückliche Identität. Das erinnert an Angela Merkels "Wir schaffen das!"

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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