Frankreich:Marine Le Pen will Volksabstimmung über französischen EU-Austritt

Frankreich: "Marine Présidente, Marine Présidente!" hallen die Sprechchöre durch den Raum, als die Chefin des Front National ihren Präsidentschaftswahlkampf inoffiziell eröffnet.

"Marine Présidente, Marine Présidente!" hallen die Sprechchöre durch den Raum, als die Chefin des Front National ihren Präsidentschaftswahlkampf inoffiziell eröffnet.

(Foto: AFP)
  • Marine Le Pen, Chefin des französischen Front National, hat am Sonntag inoffiziell ihren Präsidentschaftswahlkampf begonnen.
  • Sie fordert einen Stopp jeglicher Zuwanderung und kündigte an, eine Volksabstimmung über Frankreichs Austritt aus der EU durchführen zu wollen.
  • Umfragen zufolge könnte Le Pen es zumindest in die Stichwahl um die Präsidentschaft schaffen.

Von Christian Wernicke, Paris

Ihr Ziel ist der Élysée-Palast - und am Sonntag hat Marine Le Pen ihren langen Marsch begonnen. "Alles für das Volk - nichts ohne es, nichts gegen es", verspricht die Vorsitzende des rechtsextremen Front National ihren Parteifreunden.

Die über 3000 Anhänger im südfranzösischen Fréjus, etwa 800 Kilometer südlich der Hauptstadt gelegen, antworten, indem sie ihre 48-jährige Chefin bereits zur ersten Frau im Staate ausrufen: "Marine Présidente, Marine Présidente!" hallen die Sprechchöre durch den "Espace Caquot", den Hangar eines früheren Militärstützpunktes der französischen Armee.

Frankreich: Kampfbereit in den Herbst: Front-National-Chefin Marine Le Pen beim Auftakt des Sommerkongresses in Fréjus.

Kampfbereit in den Herbst: Front-National-Chefin Marine Le Pen beim Auftakt des Sommerkongresses in Fréjus.

(Foto: Franck Pennant/AFP)

Das Parteitreffen am Mittelmeerstrand läutete inoffiziell Le Pens Präsidentschaftswahlkampf ein. Die Inszenierung des zweitägigen Kongresses war völlig auf die Person der FN-Chefin ausgerichtet: Die traditionelle "Sommeruniversität" des FN wurde umgetauft zu "Estivales de Marine Le Pen".

Ein befriedetes Frankreich verspricht Marine Le Pen

Auf Schildern oder Stellwänden fehlten die zwei Buchstaben "FN" ebenso wie die blau-weiß-rot lodernden Flammen, das Parteisymbol. Stattdessen entbot per Plakat eine ernst dreinblickende Marine Le Pen eine einfache Botschaft: "La France apaisée", ein befriedetes Frankreich. Und auf der blauen Bühne stand, hinter drei französischen Fahnen, das Kampagnenmotto der selbst erklärten Volkstribunin: "Im Namen des Volkes".

In Fréjus versprach Le Pen, ihr Feldzug für die Präsidentschaftswahl im Frühjahr kommenden Jahres werde "wie kein anderer" sein. Auf dem Spiel stehe nicht weniger als die nationale Zivilisation und die Frage: "Wird Frankreich Frankreich bleiben?" Unter dem Jubel ihrer Anhänger warnte Le Pen vor einem Vormarsch des Islam in Frankreich und einer angeblichen Überfremdung: "Masseneinwanderung und Multikulti sind Kinder der EU!"

Sie forderte einen Stopp jeglicher Zuwanderung und kündigte an, als Präsidentin nach dem Vorbild des Brexit eine Volksabstimmung über Frankreichs Austritt aus der EU durchzuführen: "Frankreichs Politik wird vom Ausland diktiert - von Berlin, von Brüssel oder von Washington!"

Le Pen könnte es in die Stichwahl um das Präsidentenamt schaffen

Laut Umfragen kann Le Pen damit rechnen, als Kandidatin mit den meisten Stimmen im ersten Wahlgang in die Stichwahl um die Präsidentschaft am 7. Mai 2017 zu gelangen. Einen Sieg im zweiten Wahlgang halten die meisten Demoskopen für eher unwahrscheinlich, weil eine Mehrheit Marine Le Pen als Staatsoberhaupt klar ablehnt.

Seit sie die Parteiführung vor mehr als fünf Jahren übernahm, ist es ihr jedoch gelungen, das Image des Front zu verbessern. Dazu trug bei, dass sie vor einem Jahr öffentlich den Bruch mit ihrem greisen Vater, dem FN-Mitbegründer Jean-Marie Le Pen, vollzog. Allerdings baut die Partei weiterhin auf dessen Fonds "Cotelec", um 15 Millionen Euro für die Vorfinanzierung des Wahlkampfs zu mobilisieren.

Inzwischen ist die rechtsextreme Partei für weite Kreise wählbar geworden. So gilt der FN seit Jahren als die stärkste Arbeiterpartei Frankreichs. Auch aus den Reihen von Polizei und Militär erhält sie viel Zulauf. Eine neue Studie des "Centre des recherches de Sciences-Po"analysiert, dass der FN inzwischen auch in traditionell linke Wählerschichten vordringt: In den Belegschaften von Staatsunternehmen wie unter Beamten im öffentlichen Dienst liegt die rechtsextreme Partei inzwischen vor den regierenden Sozialisten.

In letzter Zeit bemüht sich Le Pen um ein neues Image

Zudem versucht Le Pen, ihr eigenes Image zu korrigieren. In der hitzigen Debatte nach den Terroranschlägen von Nizza und bei Rouen warnte sie, Frankreichs politische Klasse verliere ihre "Beherrschung" und verkämpfe sich in "Schikanen". Ausdrücklich widersprach sie Vorschlägen des konservativen Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy, der einen Sondergerichtshof für Terrortaten oder die präventive Internierung von Menschen gefordert hatte, die vom französischen Geheimdienst wegen möglicher Kontakte zu Islamisten überwacht werden.

Ebenso wiesen FN-Spitzenpolitiker die Einlassung der republikanischen Präsidentschaftskandidatin Nadine Morano zurück, Frankreich sei "ein Land der weißen Rasse". Der einflussreiche FN-Funktionär Sébastien Chenu scherzte jüngst, Sarkozy entwickle sich "zu einer Maschine, die neue FN-Wähler produziert".

Für Aufsehen sorgte zuletzt, dass der so rechte wie populäre Publizist Éric Zemmour Le Pen kürzlich vorhielt, sie sei "eine Linke" und kämpfe zu wenig um Frankreichs Identität, die vom Islam bedroht sei. Le Pen hatte zuvor erklärt, ethnische Herkunft oder religiöse Überzeugung seien für sie kein Hindernis, Franzose zu sein. Ein "aufgeklärter, laizistischer Islam" sei mit der Verfassung vereinbar.

Zum Manager ihres Wahlkampfs hat Le Pen den Gastgeber des Wochenendes gekürt, den Bürgermeister von Fréjus, David Rachline. Der erst 28 Jahre alte Senator war bereits vor 13 Jahren der Partei beigetreten und gilt als gut vernetzter Apparatschik mit Kontakten zu allen Parteiströmungen. Zudem erfüllt er als Rathaus-Chef seit Frühjahr 2014 eine weitere Mission: Er soll beweisen, dass der FN regieren kann.

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