Frank-Walter-Steinmeier:"Nicht alles Unerwartete muss uns das Fürchten lehren"

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht bei der Aufzeichnung der Weihnachtsansprache im Schloss Bellevue. (Foto: dpa)

Bundespräsident Steinmeier ruft zu Vertrauen in die Politik auf - trotz schleppender Regierungsbildung. In seiner Weihnachtsansprache sieht er viele Gründe, zuversichtlich zu sein.

Zum ersten Mal seit 1949 steht Deutschland an Heiligabend ohne richtige Regierung da. Dementsprechend gelten besondere Vorzeichen für die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten. Auf diese ungewohnte Situation geht Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede ein, die am Abend des 24. Dezember im Fernsehen ausgestrahlt wird.

"Schließlich muss nicht alles Unerwartete uns das Fürchten lehren. Das gilt auch für Regierungsbildungen, die in ungewohnter Weise auf sich warten lassen", sagt Steinmeier dem vorab veröffentlichten Redemanuskript zufolge. "Der Staat handelt nach den Regeln, die unsere Verfassung für eine Situation wie diese ausdrücklich vorsieht, auch wenn solche Regeln in den letzten Jahrzehnten nie gebraucht wurden", versichert der Bundespräsident. "Wir können Vertrauen haben."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
:Diese Weihnachtsansprache steht unter anderen Vorzeichen

Zum ersten Mal seit 1949 hat Deutschland an Heiligabend keine richtige Regierung. Auch deshalb muss Bundespräsident Steinmeier seine Worte mit Bedacht wählen.

Von Nico Fried

Steinmeier spricht über die Abgehängten, die sich in Deutschland seiner Ansicht nach zu oft alleingelassen fühlten. Im vergangenen Jahr sei er viel unterwegs gewesen und habe Orte kennengelernt, "in denen es schon lange keine Tankstelle oder Lebensmittelgeschäfte mehr gibt, inzwischen auch die Gaststätte geschlossen ist, die Wege zum Arzt immer weiter werden, und die letzte Busverbindung eingestellt ist." Solche Orte gebe es zu viele, im Osten wie im Westen.

Die Einwohner fühlten sich abgehängt: "Denn für die, die geblieben sind, ist das Leben schwer geworden! Und ich kann verstehen, dass die Menschen dort unzufrieden sind", sagt der Bundespräsident. Er dankt den Menschen, "die nicht hinnehmen, dass Leere sich breitmacht - Menschen, die diese Stille wieder mit Leben füllen". Es seien diese Leute, die ihre Heimat als Ort erhielten, der Gründe gebe zu bleiben, vielleicht sogar dorthin zurückzukehren. Die Begegnung mit solch engagierten Bürgerinnen und Bürger habe ihn tief beeindruckt.

"Solche Menschen machen Mut - und sie verdienen Ermutigung"

Konkret erwähnt Steinmeier einen kleinen Ort in Sachsen, an dem die Menschen sich von fehlendem Geld nicht hätten aufhalten lassen: "Deshalb gibt es dort jetzt wieder ein von Freiwilligen betriebenes Café, ein kleines, als Bürgerinitiative gegründetes Kino, einen von Nachbarn gebauten Spielplatz und Häuser, für die die Gemeinde Sorge trägt, die sie vor dem Verfall schützt und für junge Familien wiederherrichtet."

Diese Beispiele gebe es in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern ebenso wie in Bayern und Niedersachsen. Das stimme ihn zuversichtlich: "Solche Menschen machen Mut - und sie verdienen Ermutigung. Mehr noch: Sie verdienen Unterstützung durch die Politik."

Steinmeier ist überzeugt, dass "wir im Großen wie im Kleinen Ohnmacht und Entfremdung überwinden können, wenn wir gemeinsam etwas tun, wenn wir nicht nur nach Verantwortung anderer schauen, sondern auch die eigene erkennen." Die Millionen Freiwilligen, die in Deutschland Verantwortung übernähmen, gäben ihm das Gefühl, zuhause zu sein in diesem Land. "Und dafür bin ich allen sehr, sehr dankbar."

Eine Weihnachtsansprache nicht nur für Christen

In den vergangenen Jahren sei "die Welt um uns herum in Bewegung geraten". Das verunsichere viele Menschen, die sich nach Beständigkeit und Gewissheit sehnten. "Aber wären wir Menschen nicht auch mutig und offen für das Unerwartete, dann wären schon die Hirten vor Bethlehem auseinandergelaufen."

Seinen Weihnachtsgruß richtet Steinmeier explizit "auch an die Menschen in unserem Land richten, die nicht in der christlichen Tradition aufgewachsen sind, die einer anderen oder gar keiner Religion angehören". Ganz besonders danke er denjenigen, die sich um Menschen kümmern, die allein sind, die die Geborgenheit einer Familie vermissen. Allen, die überall dort ihren Dienst tun, wo sie gebraucht werden. "Lassen Sie uns aufeinander Acht geben!"

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