Jahresrückblick:"Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren."

Scheitern der Jamaika-Sondierungen

"Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren." Am 19.11., um kurz vor Mitternacht, bricht Christian Lindner, FDP-Chef, die Sondierungsgespräche ab.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Dieses Jahr war geprägt von der Bundestagswahl, in Erinnerung bleiben vor allem böse Worte von AfD-Politikern und der Abbruch der Jamaika-Sondierungen durch Christian Lindner. Die deutsche Politik 2017 in Zitaten.

Von Jasmin Siebert

"Also, ich denke, wir Europäer haben unser Schicksal selbst in der Hand." Kanzlerin Angela Merkel reagiert am 16. Januar auf ein Interview des designierten US-Präsidenten Donald Trump. Der hatte die Flüchtlingspolitik von Merkel als "äußerst katastrophalen Fehler" bezeichnet. Der EU sagte er ohne Bedauern weitere Austritte voraus, die Nato nannte er "obsolet", den deutschen Autobauern drohte er Strafzölle an.

"Liebe USA, stay the land of the free and the home of the brave", twitterte der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel am 21. Januar, dem Tag von Donald Trumps Vereidigung. Die Anspielung auf die US-Nationalhymne bedeutet übersetzt: "Liebe USA, bleib' das Land der Freiheit und die Heimat der Mutigen."

"Wir richten ja auch jährlich den Hafengeburtstag aus. Es wird Leute geben, die sich am 9. Juli wundern werden, dass der Gipfel schon vorbei ist." Olaf Scholz, Hamburgs Bürgermeister, irrt gewaltig, als er am 23. Juni in einem Pressegespräch den G20-Gipfel mit dem Hafengeburtstag vergleicht.

"Ich möchte gerne die Diskussion mehr in die Situation führen, dass es eher in Richtung einer Gewissensentscheidung ist, als dass ich jetzt hier per Mehrheitsbeschluss irgendwas durchpauke." So ungelenk beantwortet Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, am 26. Juni 2017 bei einem Podiumsgespräch der Zeitschrift Brigitte eine Publikumsfrage zur "Homo-Ehe". Vier Tage später beschließt der Bundestag die Ehe für alle.

"Zieht euch was Weißes an und räumt auf, was der schwarze Block angerichtet hat." Nach den schweren Ausschreitungen rufen Hamburger am 7. Juli unter dem Twitter-Hashtag #Hamburgräumtauf zum kollektiven Reinemachen auf.

"Ladet sie mal ins Eichsfeld ein, und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können." Diese rassistische Drohung gibt Alexander Gauland, AfD-Spitzenkandidat, bei einer Wahlkampfveranstaltung im thüringischen Eichsfeld am 26. August ab. Gemeint ist die Integrationsministerin Aydan Özoğuz (SPD).

"Jenseits von Richtig oder Falsch gibt es einen Ort, dort treffen wir uns." Diese weisen Worte stammen von dem persischen Mystiker Rumi (1207-1273), Martin Schulz zitiert ihn am 3. September im TV-Duell mit Angela Merkel.

"Der macht ja viel mehr Selfies als die Kanzlerin, den wähle ich!" Ein Jugendlicher am 8. September bei einer Wahlkampfveranstaltung von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz in Würzburg. Schulz ist zu Beginn des Wahlkampfjahres äußerst beliebt, später stürzen die Umfragwerte allerdings ab.

"Früher habe ich noch Autogramme gegeben, heute mache ich nur noch Selfies. Da hat sich die Welt verändert." Bundeskanzlerin Angela Merkel zieht nach bei einer Wahlkampfveranstaltung in Gießen am 21. September.

"Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssten." Bei der Bundestagswahl am 24. September zieht die AfD mit 12,6 Prozent neu in den Bundestag ein. CDU-Chefin Angela Merkel und ihre Partei erreichen nur noch knapp 33 Prozent, vier Jahre zuvor waren es noch 41,5 Prozent.

"Man kann immer sprechen, aber wir werden keine Koalitionsverhandlungen mit der Union führen. (...) Es wird da auch keine Hintertür geben." Thomas Oppermann, bisheriger Fraktionsvorsitzende der SPD, macht am Wahlabend klar, dass die SPD in die Opposition will.

"Sie kann sich warm anziehen. Wir werden sie jagen. Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen - und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen." So stellt sich AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland am Wahlabend die künftigen Rolle seiner Partei vor.

"Ein bisschen wehmütig - und ab morgen kriegen sie in die Fresse!" Andrea Nahles, neue SPD-Fraktionschefin, freut sich am 27. September, dass die Zeiten der Großen Koalition vorbei sind. Gemeint als flapsiger Scherz erntet sie viel Kritik für ihre angeblich verrohende Sprache.

"Es zieht gerade ein Hurrikan über Jamaika."

Merkel möchte eine Jamaika-Koalition bilden. Am 18. Oktober beginnen die Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU, FDP und Grünen:

"Wir wissen alle, wie schwierig es ist, dass hier unterschiedliche Kulturen zusammentreffen." Horst Seehofer, CSU-Vorsitzender

"Zwischen Berlin und Kingston, zwischen Deutschland und Jamaika liegen ungefähr 8500 Kilometer." Nicola Beer, FDP-Generalsekretärin

"Jetzt geht es erst mal drum, dass man sich kennenlernt. Die FDP war die letzten vier Jahre ja nicht so oft in Berlin." Cem Özdemir, Grünen-Bundesvorsitzender

"Ohne eine Begrenzung auf 200 000 Menschen bleibt Jamaika eine Insel in der Karibik - und wird keine Koalition in Berlin." Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppen-Vorsitzender, am 26.10.2017 auf Facebook zu einer Obergrenze für Flüchtlinge.

Schon bald zeichnen sich die Themen Flüchtlinge und Klima als zentrale Streitpunkte in den Sondierungsverhandlungen ab.

"Es war nicht das Ziel, während der ersten Phase überhaupt irgendeine einzige Lösung zu finden." Christian Lindner, FDP-Vorsitzender am 3. November

"Ich glaube nach wie vor, dass wir die Enden zusammenbinden können, wenn wir uns mühen und anstrengen." Angela Merkel am 3. November

"Es zieht gerade ein Hurrikan über Jamaika." Wolfgang Kubicki, Fraktionsvorsitzender der FDP im Landtag Schleswig-Holstein, 16.November

Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen, kontert: "Der Hurrikan kommt daher, dass sich beim Klima so wenig tut."

Die Jamaika-Sondierungen scheitern:

"Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren." Mit diesen Worten erklärt FDP-Chef Christian Lindner am 19. November um kurz vor Mitternacht in Berlin den Abbruch der Jamaika-Verhandlungen.

"Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält." Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier appelliert am Tag darauf an die Parteien, sich zu erneuten Gesprächen aufzuraffen. In den darauffolgenden Wochen lädt er die Vorsitzenden aller Parteien ins Schloss Bellevue.

Auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble eröffnet die erste reguläre Sitzung des Bundestags am 21. November mit einer Mahnung: "Man kann unterschiedlicher Meinung darüber sein, wie regiert werden soll. Aber klar ist, dass regiert werden muss."

"Wir sollten Mut haben auch mal für einen neuen Weg." Malu Dreyer, SPD-Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, wirbt am 26. November im ZDF für eine Minderheitsregierung.

"Die SPD muss sich entscheiden: Regierung oder Opposition", twittert am 12. Dezember der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, und reagiert damit auf einen Vorstoß der SPD-Linken, die sich eine Kooperationskoalition mit der Union (eine Form der Minderheitsregierung) vorstellen kann, bei der nur bestimmte gemeinsame Kernprojekte vorher festgelegt werden.

Derweil rumort es heftig in der CDU-Schwesterpartei CSU. Nach den massiven Verlusten bei der Bundestagswahl wackelt der Stuhl von CSU-Chef Horst Seehofer. Der vorläufige Schlusspunkt ist der 16. Dezember, auf dem Parteitag in Nürnberg wird entschieden, dass Erzrivale Markus Söder Seehofer im ersten Quartal 2018 als bayerischer Ministerpräsident ablösen und Spitzenkandidat bei der kommenden Landtagswahl wird. Seehofer sagt dazu: "Mit dem heutigen Tag leiten wir eine neue Ära in der Christlich-Sozialen Union ein."

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