Forderung nach Aussetzung des Verfahrens:Der NSU-Prozess ist nicht so leicht zu erschüttern

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Die erfundene Nebenklägerin im NSU-Prozess ist peinlich. Und der Streit in Zschäpes Verteidigerriege sorgt immer wieder für Aufruhr. Aber auch nicht mehr.

Von Annette Ramelsberger

Es läuft schlecht im NSU-Prozess für den neben Beate Zschäpe wichtigsten Angeklagten Ralf Wohlleben. Der frühere NPD-Funktionär ist angeklagt, der NSU-Terrorbande die Tatwaffe für neun Morde besorgt zu haben. Er sitzt seit mehr als vier Jahren in Untersuchungshaft und nichts deutet darauf hin, dass er bald entlassen wird.

Das hat das Gericht bereits zweimal bestätigt, und auch der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung gehalten. Das ist ein starker Anhaltspunkt, dass eine Verurteilung Wohllebens wegen Beihilfe zum Mord bevorsteht.

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Nun greift die Verteidigung von Wohlleben zu einem Strohhalm, um erneut einen Antrag auf Haftentlassung und die Aussetzung des Verfahrens zu stellen - sie nimmt dafür den Skandal um die erfundene Nebenklägerin Meral Keskin zum Anlass, das Phantom, dessen Anwalt zweieinhalb Jahre im Prozess saß und offensichtlich nie mit seiner Mandantin gesprochen hatte.

Der Skandal um das Phantom und der Streit in der Verteidigerriege von Beate Zschäpe beeinträchtige die prozessuale Position seines Mandanten, erklärte Wohllebens Verteidiger. Es gebe kein faires Verfahren mehr für Wohlleben. Dem schloss sich auch Zschäpe umgehend an.

Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass das Gericht dem Antrag nachgibt. Die Erfindung einer Nebenklägerin - einer von mehr als 80 - ist zwar peinlich und unwürdig, aber sie hebelt den Prozess nicht aus. Das Gericht hat die Nebenklägerin zwar zugelassen, aber es hat sich auch um Aufklärung bemüht - Richter Manfred Götzl setzte dem Anwalt des Phantoms letzte Woche die Daumenschrauben an, daraufhin wurde der Schwindel offensichtlich.

Gefahrenherde abgepuffert

Dieser Prozess ist so leicht nicht zu erschüttern, er läuft ab wie ein Uhrwerk, langsam, stetig, und auch kleinere Erschütterungen können den Ablauf nicht wirklich stören. Einzig die Verteidigersituation rund um Beate Zschäpe könnte immer wieder für Aufruhr sorgen - aber eben auch nur für Aufruhr.

Mit mittlerweile vier Anwälten ist sie gut versorgt, selbst wenn die alten drei Anwälte und der neue nicht miteinander reden oder sich gegenseitig beharken. Und im Zuge dieser Auseinandersetzungen ist auch Wohlleben zu einem ständigen dritten Anwalt gekommen, was ihm anfangs vom Gericht nicht zugestanden wurde.

Das Gericht hat die Gefahrenherde in diesem Prozess gut abgepuffert, es hat vergangene Woche zudem gezeigt, dass es nun schnell voranschreiten will. Das, was jetzt geschieht, sind kaum mehr als Verteidigungsscharmützel in einem recht weit gediehenen Verfahren.

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