Flüchtlinge:Was die Bundesländer vom geplanten Integrationsgesetz halten

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Mit einem geplanten Gesetz will die Bundesregierung die Integration von Flüchtlingen vereinfachen. (Foto: Getty Images)
  • Die Ministerpräsidenten der Länder begrüßen das von der Bundesregierung geplante Integrationsgesetz.
  • Am 22. April werden die Eckpunkte bei einer Konferenz der Ministerpräsidenten diskutiert. Zustimmen muss einem Entwurf der Bundesrat.
  • Kritik am geplanten Gesetz kommt von den Bundesgrünen, der Linken, der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl und dem Zentralrat der Muslime.

Von Hanna Spanhel

Sieben Stunden verhandelten Partei- und Fraktionsspitzen in der Nacht zum Donnerstag über die Eckpunkte für ein Integrationsgesetz. Inzwischen steht fest: Geplant sind unter anderem Sanktionen bei mangelnder Integrationsbereitschaft, Wohnsitzauflagen für anerkannte Asylbewerber sowie Erleichterungen für die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen. Vor allem die Ministerpräsidenten der Bundesländer begrüßen die Eckpunkte, die am 22. April im Rahmen einer Konferenz der Ministerpräsidenten diskutiert werden sollen.

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Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Bremens Regierungschef Carsten Sieling (SPD) nannte ein solches Integrationsgesetz "historisch" und "längst überfällig". Deutschland sei schon lange ein Einwanderungsland, nur dass es bislang keine Regeln für die Einwanderung gegeben habe, sagte Sieling Radio Bremen. "Dass künftig etwa die Vorrangprüfung wegfallen und die Aufnahme einer Ausbildung erleichtert wird, sind wichtige Schritte, um die Integration der Menschen in unsere Gesellschaft und den Arbeitsmarkt zu beschleunigen", sagte er weiter. Sieling forderte zugleich aber auch eine stärkere finanzielle Unterstützung der Kommunen, Städte und Länder durch den Bund - insbesondere die Kosten der Unterkunft müssten übernommen werden.

Eine ähnliche Forderung stellte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Der Bund müsse sich in der Umsetzung des Gesetzes auch selbst massiv engagieren. Konkret erwarte er "eine erhebliche finanzielle Beteiligung", sagte Weil der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Bei einigen Zuständigkeiten solle der Bund über den eigenen Schatten. "Wir müssen zu einer Sprachförderung kommen, die in den Kommunen stattfindet, in denen die Migranten leben, die aber vom Staat finanziert wird."

Ministerpräsidenten tragen Regierungskurs im Grundsatz mit

Auch Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nannte den Vorstoß der Regierung einen "echten Fortschritt". Die Eckpunkte enthielten eine Reihe von Anreizen, die eine schnelle Integration in den Arbeitsmarkt erleichterten, sagte Scholz der Nachrichtenagentur dpa. Das geplante Gesetz fordere gleichzeitig von Zuwanderern mit hoher Bleibeperspektive, dass sie "durch den Erwerb der Sprache und die Kenntnis unserer Werte einen eigenen Beitrag leisten", sagte Scholz.

Sachsens Regierungschef und Bundesratspräsident Stanislaw Tillich (CDU) forderte unterdessen ein zügiges Handeln im Hinblick auf die Integration von Flüchtlingen - und appellierte an die Grünen, das Gesetzesvorhaben nicht zu blockieren und sich ihrer Verantwortung zu stellen. Er erwarte, "dass alle politisch Verantwortlichen das Gesetz zügig verabschieden werden", sagte Sachsens Regierungschef der Nachrichtenagentur dpa. Das gelte auch für den Bundesrat.

Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann zumindest unterstützt wohl die Pläne der schwarz-roten Bundesregierung. "Das ist im Grundsatz für uns in Ordnung", sagte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet. Der Sprecher erklärte außerdem: "Wir haben auch kein Problem damit, dass Sprachkurse eingefordert werden." Voraussetzung sei dafür, dass es genügend Angebote gebe. Auch die Wohnsitzauflagen unterstütze die Landesregierung. "Das geht auf eine Initiative von Winfried Kretschmann zurück", sagte Hoogvliet. Positiv beurteile man auch die geplanten Aufenthaltsgenehmigungen, die Flüchtlinge für den Zeitraum einer Ausbildung erhalten sollen.

Kritik kommt hingegen von den Bundesgrünen. Die Pläne der Regierung seien bisher "nur ein farbloses Regelwerk aus Zuckerbrot und Peitsche", sagte die Bundesvorsitzende der Grünen, Simone Peter. Zwar sei die Aussetzung der Vorrangprüfung auf dem Arbeitsmarkt "ein richtiger Schritt", insgesamt seien die Pläne aber gezeichnet von "Gängelung und Sanktionierung, obwohl Integration mit erhobenem Zeigefinger nie funktioniert hat". Integration "von oben" zu verordnen, sie der falsche Weg.

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Auch die Linken kritisieren das geplante Integrationsgesetz scharf. Besonders die geplanten Sanktionsmöglichkeiten stoßen bei Politikern der Partei auf Ablehnung, ebenso wie der Grundsatz "Fordern und Fördern". "Von Hartz IV wissen wir, was das für die Menschen heißt: Sanktionen, Unrecht, Schmach", schriebt der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger auf Twitter. Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, sagte im ZDF- Morgenmagazin, das Integrationsgesetz bediene "alles, was wir nicht wollen: die Ausspielung der Schwächsten gegen die Schwachen".

Pro Asyl und Zentralrat der Muslime kritisieren Mangel an Integrationsangeboten

Auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat die Pläne der großen Koalition scharf kritisiert. Es gebe ein Angebotsdefizit der Bundesregierung, nicht einen Integrationsunwillen der Flüchtlinge, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Flüchtlingen werde oft jahrelang der Spracherwerb und Aufenthaltsstatus verweigert. Die Wohnsitzauflage, die den massenhaften Zuzug in Großstädte verhindern soll, bezeichnete Burkhardt als "desintegrativ". "Jobs findet man aus der Nähe, durch Netzwerke und direkte Kontakte", sagte er.

Der Zentralrat der Muslime hält ein Integrationsgesetz grundsätzlich für notwendig - das geplante Gesetz könne allerdings an fehlenden Angeboten in der Praxis scheitern. "Der Ansatz des Förderns und Forderns ist grundsätzlich sehr richtig", sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek. Auch die Wohnsitzauflagen sehe er positiv. "Wir haben momentan aber einfach noch ein Umsetzungsproblem." So sei es die eigentliche Herausforderung, nun eine schnellere Aufnahme von Geflüchteten in Sprach- und Integrationskurse zu ermöglichen.

Auch Arbeitsmarktexperten kritisieren einige Aspekte am geplanten Integrationsgesetz - und halten unter anderem Verbesserungen beim Angebot von Sprach- und Integrationskursen für notwendig. Herbert Brücker, Migrationsexperte beim Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sagte dem Handelsblatt, dass zudem Bedeutung und Wirksamkeit von Sanktionen überschätzt würden. Positive Anreize wirkten viel besser als Strafmaßnahmen, sagte Brücker. Auch die Wohnsitzauflagen sieht der Migrationsexperte kritisch: "Wir sollten die Arbeitsmobilität eher fördern, als durch eine Wohnsitzauflage behindern", weil Jobs überwiegend in Ballungsräumen zu finden seien. Holger Schäfer vom Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kritisierte gegenüber dem Handelsblatt vor allem die geplanten 100 000 Ein-Euro-Jobs. Grundsätzlich begrüßen die Arbeitsmarktexperten aber die von den Spitzen der großen Koalition vereinbarten Eckpunkte für ein Integrationsgesetz.

Der Gesetzentwurf für das Integrationsgesetz soll am 24. Mai bei einer Klausurtagung der Bundesregierung beschlossen werden. Anschließend muss der Bundesrat dem Entwurf zustimmen.

Mit Material von dpa.

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