Finanzkrise in Spanien:Katalonien will sich abspalten

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Die Regierung in Madrid droht mit ernsthaften Konsequenzen, König Juan Carlos spricht von "schwierigen Momenten" und "Hirngespinsten": Kataloniens Ministerpräsident Mas strebt die Loslösung der Region von Spanien an - denn die Katalanen fühlen sich benachteiligt.

Thomas Urban, Madrid

Trotz eines Appells des spanischen Königs Juan Carlos zur Besonnenheit und Zusammenarbeit hat sich der Konflikt zwischen der Zentralregierung in Madrid und der Führung der autonomen Region Katalonien am Dienstag weiter verschärft. Die vier im katalanischen Parlament in Barcelona vertretenen Parteien einigten sich auf die Verabschiedung einer Resolution, die das Recht auf nationale Selbstbestimmung unterstreicht.

Durchleben "die Schwere dieser historischen Etappe": Spaniens König Juan Carlos (r) mit dem katalanischen Ministerpräsidenten Artur Mas. (Foto: REUTERS)

Der katalanische Ministerpräsident Artur Mas kündigte vorgezogene Neuwahlen für den 25. November an. Nach seinen eigenen Worten möchte er sich ein Mandat der Bevölkerung für seinen Kurs holen, dessen Ziel die nationale Selbstbestimmung sei. Zuvor hatte sein Sprecher erklärt, am Ende dieses Wegs könnte die staatliche Souveränität stehen.

Mas, der an der Spitze der nationalliberalen Regierungspartei CiU steht, verfügt über keine sichere Mehrheit im katalanischen Parlament. Vier Fraktionen hatten sich auf die Verabschiedung einer Resolution geeinigt, die das Recht auf nationale Selbstbestimmung unterstreicht.

König Juan Carlos rief die Katalanen dazu auf, gemeinsam mit der Bevölkerung der anderen Regionen zur Überwindung der schweren Wirtschaftskrise beizutragen. Er sprach anlässlich der Verleihung eines Preises an den Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone in Barcelona. Nach seinen Wort durchlebt das Land "schwierige Momente", man wäre mit Blindheit geschlagen, wenn man "die Schwere dieser historischen Etappe" nicht sehe.

Der König war am Ort der Feierstunde, dem Kloster von Pedralbes, von Mas begrüßt wurden. Über ihre kurze Unterredung wurde zunächst nichts bekannt. Juan Carlos hatte in der vergangenen Woche vor "Hirngespinsten" der Unabhängigkeitsbewegungen gewarnt.

Regierung in Madrid droht mit "fester und ernsthafter" Antwort

Klar Position gegen Mas bezog die stellvertretende spanische Ministerpräsidentin Soraya Sáenz de Santamaría, die als Vertraute des konservativen Regierungschefs Mariano Rajoy gilt. Sie erklärte, die Antwort Madrids auf die Politik der Abspaltung Barcelonas werde "fest und ernsthaft" sein.

In der vergangenen Woche waren Verhandlungen zwischen Rajoy und Mas über eine Reform des innerspanischen Finanzausgleiches gescheitert, durch den sich die Katalanen benachteiligt sehen. Vor zweieinhalb Wochen hatten an einem "Unabhängigkeitsmarsch" in Barcelona mehr als eine Million Demonstranten teilgenommen. Die Industrie- und Touristenregion zählt 7,5 Millionen Einwohner.

Einen Mittelweg schlug der sozialistische Oppositionsführer Alfredo Pérez Rubalcaba vor: eine spanisch-katalanische Föderation, zu deren möglicher Konstruktion er sich nicht näher äußerte. Rubalcaba hatte noch vor zwei Wochen die Unabhängigkeitsbestrebungen Barcelonas als kontraproduktiv verurteilt und sich für die verfassungsmäßige Ordnung ausgesprochen.

Laut Berichten der Madrider Presse änderte er seine Meinung nach Gesprächen mit der Führung der Sozialistischen Partei Kataloniens (PSC). Die PSC steht ebenfalls für die Erweiterung der Rechte Barcelonas gegenüber Madrid.

Barcelona beklagt ungerechten Finanzausgleich

Die spanische Vize-Regierungschefin Santamaría betonte, dass die Verfassung keine Abspaltung einer Region von Spanien vorsehe. Die Zentralregierung könne mit der katalanischen Führung bestenfalls über die Verbesserung der Finanzlage sprechen. Die Bemühungen um die Unabhängigkeit führten lediglich dazu, dass zu der bereits bestehenden Krise eine weitere hinzukomme. Sie bezog sich damit auf die Schulden Kataloniens in Höhe von 42 Milliarden Euro.

Allerdings vertritt Mas die Auffassung, dass diese vor allem eine Folge des ungerechten Finanzausgleichs seien: Barcelona sei mit Abstand der größte Nettozahler, Katalonien zahle jedes Jahr zwölf Milliarden Euro mehr in den Fonds ein, als es aus Madrid zurückerhalte. Katalanische Politiker nahezu aller Fraktionen verweisen darauf, dass das Finanzsystem die Hauptursache für die Wirtschaftskrise in der einst florierenden Region ist.

Auch der langjährige katalanische Ministerpräsident Jordi Pujol, der als politischer Ziehvater von Mas gilt, befand, dass die Politik Madrids Katalonien "erstickt". Der 82-Jährige, der auch an dem Unabhängigkeitsmarsch teilgenommen hatte, erklärte, er sei stets gegen die staatliche Souveränität Kataloniens angetreten, doch in der derzeitigen Lage bleibe nur eine Trennung.

© SZ vom 26.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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