Festgenommener Neonazi-Unterstützer:Eiskalter Helfer

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Der sächsische Neonazi André E. soll das Video produziert haben, mit dem sich die Zwickauer Terroristen ihrer Morde brüsteten. Doch wer war der Drehbuchautor? Mehr als 350 Beamte des Bundeskriminalamts suchen nach weiteren Helfern des Neonazi-Trios - und nach einer zweiten DVD.

Hans Leyendecker

Es gab keine Bekennerschreiben, aber es gab die Morde auf einer DVD - und es gibt ein handgeschriebenes Drehbuch. Aus den Zeichentrickfilmen des "Rosaroten Panthers" wurden Szenen herausgeschnitten und mit Originalbildern von den Tatorten, Fernsehbildern und Bildern aus Überwachungskameras zusammenmontiert.

Welches kranke Hirn hat sich den 15 Minuten langen Bekennerfilm des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) ausgedacht? "Wer kann so etwas produzieren?", hat der neue Generalbundesanwalt Harald Range am Montag noch im Innenausschuss des Bundestags gefragt. "Welche Stimmen sind da drauf? Sind das Originalstimmen? "

Die Sondereinheit "Trio", die von Bundesanwälten seiner Behörde geleitet wird, glaubt jetzt die Antworten zu kennen: Die Ermittler sind sich sicher, dass ein junger Mann mit blonden Haaren und einem Bärtchen, der sich im Internet gern als "stolzer Vater" und einfühlsamer Künstler präsentierte, der Produzent des Videos war, auf dem sich die Terror-Bande NSU zu zehn Morden und Sprengstoffanschlägen bekannt hat: André E. Er wurde am Donnerstagmorgen festgenommen.

In der Szene ist der Rechtsradikale eine Nummer: Schon um die Jahrtausendwende hat er in Johanngeorgenstadt im Erzgebirge mit rechtsradikalen Kumpeln die "Brigade Ost" gegründet, eine Schlägertruppe junger Kameraden. Der 32-Jährige zog vor ein paar Jahren mit seiner Frau "Susann" nach Zwickau. Dort betreibt er einen Versandhandel für "T-Hemden", die in der Nazi-Szene beliebt sind. Am Donnerstag wurden auch Wohnungen von zwei Kumpanen des André E. durchsucht. Sie werden als Beschuldigte geführt, wurden aber nicht verhaftet. Noch nicht?

Bis vor wenigen Jahren betrieb E. die Videoproduktionsfirma Aemedig. In den Trümmern des Hauses, in dem die Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in Zwickau lebten, fanden die Fahnder Flyer dieser Firma, die auf die Aufbereitung von Filmen und Videos spezialisiert war. Die Website von E. heißt Caput Mortuum (lateinisch "Totenkopf").

Die Ermittlungen liefen "dynamisch" hat Generalbundesanwalt Range den Abgeordneten gesagt. Das war keine Übertreibung: Es sind die größten Ermittlungen in der rechtsextremen Szene seit Bestehen der Republik. Die Federführung hat der Generalbundesanwalt, der rund zehn seiner Leute abgestellt hat. Gut 350 Beamte des Bundeskriminalamts treiben in der Einheit "Trio" die Ermittlungen voran.

Ein mühsames Geschäft: Mehr als 40 Abfragen wurden bei Providern gestellt, um herauszufinden, welcher Terrorist und welcher Beschuldigte wann mit wem telefoniert hat und welche E-Mails in der Szene kursierten. Sechs der angeschriebenen Firmen erklärten, alles sei gelöscht. Eine Firma teilte mit, sie könne vielleicht in zwei oder drei Monaten Material liefern.

In den Bundesländern, in denen die NSU-Killer ihre Opfer liquidierten, wurden Ermittlungsgruppen eingerichtet, die Karlsruhe zuliefern sollen. In einigen Verfassungsschutzämtern wurden Sondergruppen eingerichtet, die Akten aufarbeiten. Und in Thüringen, wo alles begann, nahm am Mittwoch ein Sonderermittler die Arbeit auf. Ex-Bundesrichter Gerhard Schäfer soll die Thüringer Vorgänge aufklären.

Bislang sind insgesamt nur Fetzen eines Gesamtbildes sichtbar. Fast schon seit Anfang der Ermittlungen gilt aber André E. als potentieller Unterstützer der Mörder. Im Wohnmobil in Eisenach, in dem sich die Terroristen Böhnhardt und Mundlos am 4. November erschossen, wurden Bahncards sichergestellt, die auf André und seine Frau Susann E. ausgestellt waren. "Susann E". war auch einer der vielen Alias-Name der in Köln inhaftierten Beate Zschäpe, die mit Böhnhardt und Mundlos 13 Jahre im Untergrund zusammen gelebt hat.

Zschäpe hat nach dem Selbstmord der Killer Kopien des Bekenner-Videos an linke Gruppen, an Zeitungen und ausländische Institutionen geschickt. Acht der Videos konnten inzwischen sichergestellt werden. In der Wohnung fanden sich noch weitere 21 Umschläge für Videos. Fand sie acht Videos genug?

Das Bekenner-Video, das nach den Feststellung der Ermittler bereits vor vier Jahren gefertigt wurde, ist ein Dokument des Wahn. Drei Fotos im Film dokumentieren die Eiseskälte der Täter. Auf diesen Fotos sind erschossene Zuwanderer zu sehen. Die Täter, das haben die Ermittler festgestellt, müssen die Leichen sofort nach der Tat fotografiert haben. Das lässt sich daran erkennen, dass zu dem Zeitpunkt, als diese Fotos gemacht wurden, die Einblutungen noch nicht so stark waren wie zu dem Zeitpunkt, als die Polizei die Aufnahmen an den Tatorten machte.

Wenn André E. den Film produziert hat, bleibt noch die Frage offen, wer der Drehbuchautor war. Die Handschrift kann den Täter überführen. Auch andere Fragen sind noch offen. "Wer hat sich diese DVD noch ansehen können?" fragt der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke. "Ist damit in der Szene, im internen Kreis, geprahlt worden, ist Propaganda gemacht worden?" Er schließe "das nicht aus".

Und: Gibt es ein zweites Video? In den Trümmern des abgebrannten Hauses wurde eine DVD mit der Aufschrift "Fortsetzung" gefunden. Sie ist stark beschädigt. Spezialisten konnten einige Dateien sicherstellen, doch ob es sich nur um eine weitere Kopie oder um ein weiteres Schreckenswerk handelt, ist noch nicht klar.

Das Video, das André E. hergestellt haben soll, wurde im Innenausschuss am Montag den Abgeordneten vorgespielt. "Was man da gesehen hat", erklärte Ziercke den erschrockenen Parlamantariern, reiche "vom Infantilen bis zum Schrecklichen". Was "diese konkreten Abläufe" angehe, müssten sich jetzt Spezialisten "in die Psyche der Täter einarbeiten". Vielleicht könne er dazu in zwei, drei Wochen mehr sagen.

© SZ vom 25.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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