FDP: Plagiatsaffäre um Silvana Koch-Mehrin:Rücktritt ohne Reue

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Die Vorwürfe lasten schwer. Jetzt tritt Silvana Koch-Mehrin wegen der Plagiatsvorwürfe um ihre Doktorarbeit zurück. Nur: Erklärt hat sie nichts. Die Europa-Abgeordnete der FDP sollte langsam bei der Aufklärung helfen - sonst endet sie so tragisch wie ein gewisser Baron.

Thorsten Denkler, Berlin

Irgendetwas fehlt an diesem Rücktritt von Silvana Koch-Mehrin. Er ist konsequent und erfolgte einigermaßen schnell, das darf der FDP-Frau zugutegehalten werden. Sie hat auch nicht lange herumlaviert wie Karl-Theodor zu Guttenberg, alles abgestritten und von "abstrusen" Vorwürfen schwadroniert. Damit hätte sie nicht nur sich, sondern auch ihren Doktorvater Volker Sellin diskreditiert. Das immerhin hat sie ihm erspart und zeugt anders als bei Guttenberg von persönlicher Reife.

Sie ist von ihren politischen Führungsämtern zurückgetreten: die liberale Europa-Abgeordnete Silvana Koch-Mehrin. Die Universität Heidelberg prüft momentan, ob die 40-Jährige in ihrer Doktorarbeit plagiiert hat. (Foto: dapd)

Nur: Wirklich erklärt hat die jetzt ehemalige Vizepräsidentin des Europaparlamentes, ehemalige Vorsitzende der FDP im Europaparlament und das ehemalige FDP-Präsidiumsmitglied mit ihrer Rücktritterklärung nichts.

Wie Guttenberg soll sie Teile ihrer Doktorarbeit über Die Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik: die Lateinische Münzunion 1865 - 1927 abgeschrieben haben. Nicht in dem Umfang wie der einstige Superstar der CSU. Und wohl auch nicht mit seiner Dreistigkeit. Aber doch erheblich genug, dass die Aberkennung des Doktorgrades folgerichtig erscheint.

Das sind keine Vorwürfe, die substanzlos im Raum stehen. Auf der Internetseite VroniPlagWiki wurde seit Anfang April begonnen, jedes Plagiat detailliert aufzuführen. Auf 63 von knapp 200 überprüften Seiten soll Koch-Mehrin abgeschrieben haben. Zum Teil sollen bis zu 75 Prozent einer Seite aus anderen, nicht gekennzeichneten Quellen stammen.

Es ist nur schwerlich zu behaupten, die Macher von VroniPlagWiki verstünden nichts von dem, was sie tun. Einige von ihnen haben schon den guttenplag betreut, mit dem Ergebnis, dass letztlich die Universität Bayreuth dem Freiherrn seinen Doktortitel aberkannte und in ihrem Abschlussbericht klar einen Vorsatz Guttenbergs feststellte.

VroniPlagWiki war ursprünglich der Doktorarbeit von Veronika Saß gewidmet, der Tochter des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Die Plagiatsquote ist dort mit knapp 54 Prozent angegeben. Ergebnis: Auch ihr wurde der Doktorgrad inzwischen aberkannt.

Keine Silbe zu den Vorwürfen

Aus Kreisen der Universität Heidelberg, die jetzt die Dissertation von Koch-Mehrin prüft, wurde in dieser Woche publik, dass auch ihr die Aberkennung drohe. Das scheint die 40-Jährige wohl endgültig bewogen zu haben, alle Ämter hinzuwerfen.

Und genau das macht es so schwer, diesen Rücktritt als löbliches Vorbild zu preisen. Zu den Vorwürfen selbst nämlich sagt sie nichts. Keine Silbe. Als Gründe für ihren Rücktritt gibt sie lediglich an, der FDP den nötigen Neuanfang ermöglichen zu wollen, verhindern zu wollen, dass das EU-Parlament Angriffen ausgesetzt wird, und dass ihre Familie durch die Debatten um ihre Person nicht weiter belastet werde.

Alles nachvollziehbar. Aber ehrlich ist das nicht.

Wie Guttenberg müsste sie am besten wissen, was sie geschrieben hat, ob und wenn ja wo sie abgeschrieben hat. Wer wenn nicht sie könnte minutiös nachweisen, dass an den Vorwürfen nichts dran ist.

Oder aber sie könnte Größe zeigen. Vor sich selbst, vor ihrer Partei, ihren Wählern - nicht zuletzt vor ihrer Familie. Sie könnte erklären, wie es dazu kommen konnte. Sie könnte sich entschuldigen. Auch bei ihrem Doktorvater.

Guttenberg hat das nicht geschafft. Bis heute redet er sich heraus, als wäre er ein Erstklässler, der beim Abgucken erwischt wurde. Es wäre schön, wenn Koch-Mehrin diesen Schritt gehen könnte - und zwar bevor die Uni Heidelberg spätestens Anfang Juni ihren Abschlussbericht vorstellt. Sie selbst sollte die Wahrheit ans Licht bringen. Sie sollte die Sache aufklären. Weil sie es kann. Sonst könnte sie enden wie Guttenberg: als tragische Figur.

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