FDP: Partnerkrise:Eine Partei am Abgrund

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Seit Kanzlerin Merkel das zentrale FDP-Thema Steuersenkungen begraben hat, irrlichtern die Liberalen von Panne zu Pleite. Nun muss die Partei für ihr einzig verbliebenes Projekt kämpfen: die Gesundheitsreform.

Wolfgang Jaschensky

Die Situation der Union ist miserabel: Wichtige Minister wie Ursula von der Leyen und Karl-Theodor zu Guttenberg sind schwer beschädigt, das jüngst beschlossene Sparpaket stößt auf Protest von allen Seiten, die Umfragewerte sind im Keller, Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel verliert in den eigenen Reihen dramatisch an Unterstützung - und ihr Präsidentschaftskandidat Christian Wulff muss um seine Wahl fürchten.

Schlimmer geht's immer: Vor acht Monaten hat FDP-Chef Guido Westerwelle noch das beste Wahlergebnis in der Geschichte der Partei zu Wege gebracht, nun werden Rücktrittsforderungen laut. (Foto: dpa)

Schlimmer geht's nimmer? Schlimmer geht's immer.

Die Lage des Koalitionspartners FDP ist so dramatisch, das mancher Liberaler derzeit neidisch auf die Verfassung von CDU und CSU blicken dürfte. Wichtige Minister der Liberalen wie Philipp Rösler und Rainer Brüderle sind ebenfalls schwer beschädigt, und die Kritik am Sparpaket trifft die FDP mindestens ebenso wie die Union.

Doch die Umfragewerte der Liberalen sind noch weit stärker gesunken als die der Union. Aus der Partei werden Rücktrittsforderungen an den Chef Guido Westerwelle laut, der vor acht Monaten immerhin noch das beste Wahl-Ergebnis in der Geschichte der Partei zu Wege gebracht hat.

Schwerer allerdings wiegen noch die politischen Niederlagen: Seit die Kanzlerin nach der NRW-Wahl alle Steuersenkungsträume der FDP begraben hat, haben die Liberalen ihr zentrales Thema verloren und irrlichtern seither orientierungslos von Panne zu Pleite.

Das Handelsblatt meldet aktuell, dass die FDP-Spitze eine Neuausrichtung der Partei vorbereitet und vorschlägt, die Kapitalertragssteuer zu erhöhen. Die Kurskorrektur soll von den jüngeren in der Parteiführung um Gesundheitsminister Rösler, Fraktionschefin Birgit Homburger und Generalsekretär Christian Linder angestoßen worden sein. In FDP-Vorstandskreisen wusste auf Nachfrage von sueddeutsche.de jedoch nichts von derlei Plänen. Eine Erhöhung Kapitalertragssteuer würde den Mittelstand belasten -das käme für die FDP nicht in Frage, hieß es. Aber vielleicht kommt die kleine FDP-Revolution ja mit einer anderen Steuer noch.

Am Freitag und Samstag wollen Union und FDP in einer Klausur über die Gesundheitsreform beraten, das verbleibende große Thema der kastrierten liberalen Steuersenkungspartei. Doch die Fronten sind schon vor den ersten Gesprächen so verhärtet, dass eine Einigung, mit der alle Seiten ihr Gesicht wahren können, kaum vorstellbar ist.

Gleichzeitig ist der Druck auf die Koalition, in dieser Frage eine Einigung zu erzielen, so groß wie nie. Es geht nicht nur um die Zukunft des Gesundheitssystems oder das Schicksal von Minister Rösler: Das Überleben der Koalition steht auf dem Spiel. Für die Liberalen geht es um noch mehr.

Das Dilemma der FDP: Sie haben in der Koalition keine Perspektive, aber auch keine Alternative. Scheitert Schwarz-Gelb, stehen die Liberalen am Abgrund. Bei Neuwahlen müsste Westerwelles Truppe Umfragen zufolge sogar um den Einzug ins Parlament bangen. Und anders als die Union, die mit Grünen und SPD koalieren kann, hat Westerwelle seine Partei auf die Union als Koalitionspartner getrimmt.

Wenn es mit den Konservativen nicht klappt, wie soll es dann mit den Sozialdemokraten funktionieren?

Was die Koalition und vor allem die FDP bräuchte, wäre ein Befreiungsschlag, ein großer Wurf. Das sollte die Gesundheitsreform ursprünglich auch einmal werden. Doch die Hoffnung darauf haben alle Beteiligten wohl schon lange begraben. CSU-Chef Horst Seehofer hat sich so sehr auf seine Ablehnung der Rösler-Pläne versteift, dass er sein gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale werfen wird, um alles zu verhindern, was nach Kopfpauschale riecht.

Kanzlerin Merkel, einst Verfechterin der Kopfpauschale, meidet das Thema seit geraumer Zeit.

Jetzt muss Rösler wenigstens das für das kommende Jahr erwartete Defizit der Krankenkassen von elf Milliarden Euro schließen. Erst Ende Mai präsentierte er seine Pläne für eine abgespeckte Kopfpauschale, bei der ein Teil der Beiträge für das Gesundheitswesen unabhängig vom Einkommen erhoben werden sollte. Was folgte war eine beispiellose Schlammschlacht zwischen CSU und FDP, im Laufe derer auch die vielzitierten Worte von "Gurkentruppe" und "Wildsau" fielen.

Ursprünglich hätten die Ergebnisse der Gesundheitskommission nach der Bundespräsidentenwahl vorgestellt werden sollen. Doch nun wird schon Handfestes am Wochenende erwartet. Versucht die FDP nun, ihren Verhandlungsspielraum zu vergrößern, indem sie ihre Zustimmung zu Merkels Kandidat Christian Wulff in die Verhandlungsmasse für die Gesundheitsreform legt? Ein FDP-Mann behauptet: "Die Klausur ist nicht angesetzt worden, um eine Koalition zu retten".

Doch wenn die Klausur scheitert, könnte es zu spät sein, um die Koalition zu retten.

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