FDP: Koch-Mehrin unter Plagiatsverdacht:Neue Funde bei Frau Dr.

Die Plagiatsjäger im Netz haben bereits mehr als zehn Prozent der Dissertation von FDP-Spitzenfrau Silvana Koch-Mehrin als abgeschrieben identifiziert. Ganze Textpassagen soll sie ohne Quellenangabe übernommen haben.

Thorsten Denkler, Berlin

Silvana Koch-Mehrin kann von Glück reden, dass ihr Posten im Präsidium der FDP auf deren Bundesparteitag im Mai nicht zur Wahl steht. Als Fraktionschefin der FDP im Europaparlament ist sie mit Sitz und Stimme gesetzt für das höchste Führungsgremium der Partei. Nach den jüngsten Verdachtsfällen um ihre Doktorarbeit müsste sie schwer damit rechnen, abgewählt zu werden.

Silvana Koch-Mehrin: Die EU-Verfassung ist tot

FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin unter Plagiatsverdacht: Seit diesem Dienstag befasst sich die Uni Heidelberg offiziell mit der Doktorarbeit der FDP-Nachwuchshoffnung.

(Foto: ddp)

Aktuell haben die Macher von VroniPlag 19 Fundstellen identifiziert, die Koch-Mehrin nicht wissenschaftlich korrekt mit Quellenangaben versehen haben soll. Diese Stellen seien größtenteils auch verifiziert, also auf ihre Echtheit überprüft.

Koch-Mehrin etwa schreibt auf Seite 42 ihrer 2001 erschienenen Doktorarbeit über die lateinische Münzunion diesen Satz: "Je näher Unternehmer und Verbände der Regierung standen, desto lautloser und erfolgreicher konnten sie Einfluß nehmen."

Im Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, herausgegeben von André Armengaud und Wolfram Fischer, findet sich der Satz wortgleich wieder: "Je näher Unternehmer und Verbände der Regierung standen, desto lautloser und erfolgreicher konnten sie Einfluß nehmen." Das Handbuch ist 1985 erschienen.

Zum Teil geht es um einzelne Sätze, zum Teil um ganze Textpassagen, die Koch-Mehrin übernommen haben soll. Laut VroniPlag stehen inzwischen knapp zwölf Prozent der Arbeit von Koch-Mehrin unter Pfusch-Verdacht. Am Montag lag die Zahl noch bei weniger als zehn Prozent. Gefunden wurden entsprechende Stellen bisher vor allem in der ersten Hälfte der mehr als 200 Seiten umfassenden Arbeit.

Sollte sich die Affäre ausweiten und es ebenso wie beim früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg offensichtlich werden, dass Koch-Mehrin vorsätzlich abgeschrieben hat, könnte dies das politische Aus für die ehemalige Überfliegerin bedeuten.

Anders als bei Guttenberg aber ist derzeit offenbar niemand aus Koch-Mehrins Partei bereit, eine Unterstützungserklärung für sie abzugeben. Birgit Homburger, Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag und derzeit geschäftsführende Landesvorsitzende in Baden-Württemberg, will sich dazu "gar nicht äußern", sagte ein Sprecher auf Nachfrage - und verweist auf die Prüfung durch die Universität Heidelberg.

Für Homburger dürfte die Causa Koch-Mehrin nach dem Wahldebakel und dem Verlust der Regierungsbeteiligung in Baden-Württemberg ein weiteres Ärgernis sein. Koch-Mehrin hat ihren Wahlkreis im baden-württembergischen Karlsruhe. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich Homburger und Koch-Mehrin nicht ausstehen können.

Am 7. Mai kommt die FDP im Ländle zu ihrem Landesparteitag zusammen. Dort hofft Homburger auf eine Wiederwahl. Störgeräusche aus Brüssel können ihr da nicht gefallen.

Auch die FDP-Fraktion im Europaparlament macht erst mal dicht: Letztendlich landen alle Anfragen im Büro der Fraktionsvorsitzenden Koch-Mehrin. Und auch dort verweist man auf die Uni Heidelberg - ganz nach dem Motto: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

Uni Heidelberg prüft Plagiatsvorwürfe

Die Uni Heidelberg ist am Montagmorgen von den VroniPlag-Machern auf die Ungereimtheiten in Koch-Mehrins Arbeit hingewiesen worden. Die Uni prüft jetzt mit Hochdruck, ob und was an den Vorwürfen dran sein könnte.

Seit diesem Dienstag befasst sich offiziell der Promotionsausschuss der philosophischen Fakultät mit dem Fall. Im Laufe des Tages soll deren Mitgliedern eine digitalisierte Fassung der in Rede stehenden Doktorarbeit vorliegen. Dann kann die eigentliche Recherchearbeit beginnen. Am Mittwoch wird der Fakultätsrat über die Vorgänge informiert. Koch-Mehrins Doktorvater, der emeritierte Heidelberger Historiker Volker Sellin, kann sich an der Aufklärung derzeit wohl nicht beteiligen. Er weilt noch in Helsinki.

Für ihn dürfte der Fall pikant sein, besteht doch die Gefahr, dass sein untadeliger Ruf beschädigt wird. Sellin war von 1987 bis 1991 Rektor der Universität Heidelberg und gehörte in den Jahren 2000 bis 2001 dem Universitätsrat an. Immerhin haben er und sein Co-Prüfer Clemens Zimmermann, der heute an der Uni Saarbrücken lehrt, Koch-Mehrins Arbeit nicht mit "summa cum laude" (ausgezeichnet) sondern lediglich mit "cum laude" (gut) bewertet.

Sollten sich die Verdachtsmomente erhärten, wird die Kommission zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten unter dem Vorsitz von Thomas Rausch, dem Prorektor für Forschung und Struktur an der Uni Heidelberg, eingeschaltet. Koch-Mehrin wird dann Gelegenheit bekommen, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Eine Sprecherin der Uni sagte zu sueddeutsche.de, die Prüfung solle jetzt "so zügig wie möglich aber mit der notwendigen Sorgfalt" beginnen. "Uns liegt daran, dass es jetzt keine Zeit des Nachdenkens darüber gibt, ob und wie man in die Prüfung einsteigt." Einen Fall, wie ihn die Uni Bayreuth mit Guttenberg erlebt hat, will die Uni Heidelberg offenbar tunlichst vermeiden. Bayreuth war anfangs derart sprachlos, dass die Universität kurzzeitig unter Verdacht geriet, Guttenberg noch schützen zu wollen. Inzwischen soll sie in einem Bericht festgestellt haben, dass Guttenberg in seiner Doktorarbeit vorsätzlich plagiiert haben muss.

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