FDP in Sachsen:Bratwurst statt Häppchen

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Der sächsische FDP-Landeschef Sachsen Holger Zastrow bei einer Rede im März 2013 (Foto: dpa)

Sachsen ist das letzte Bundesland, in dem die FDP mitregiert. Doch damit könnte es nach der Landtagswahl vorbei sein. In Weesenstein fordert ihr Chef Holger Zastrow für den Wahlkampf daher vor allem eins: sich von "denen da in Berlin" unterscheiden.

Von Hannah Beitzer, Weesenstein bei Pirna

Was müssen da jetzt auch diese Wolken hängen über Schloss Weesenstein bei Pirna, wo Holger Zastrow, Chef der FDP-Fraktion im sächsischen Landtag, das 9. Liberale Burgfest eröffnet. Dunkle Wolken am Horizont und eine FDP-Fraktion, die um den Wiedereinzug in den Landtag bangen muss - ein stimmiges Bild. Das natürlich trotzdem Quatsch ist: Dem Wetter ist die FDP egal.

Dennoch, Zastrow weiß, dass es seiner Partei nicht gut geht. Bei drei Prozent liegt sie gerade in den Umfragen, wäre somit am Wahltag, dem 31. August, raus aus dem Landtag. "Ich freue mich, dass Sie auch in diesen Zeiten zu uns kommen", begrüßt er die Gäste. 1200 sollen es laut FDP sein, ein Besucherrekord für das seit 2006 jährlich stattfindende Burgfest. "Diese Partei muss also doch noch leben", sagt Zastrow. Die Leute lachen dankbar, es sind viele Mitglieder und Sympathisanten der FDP unter ihnen. Zastrow steht beinahe zwei Stunden am Eingang und schüttelt unermüdlich Hände, begrüßt nahezu jeden mit Namen, fragt nach dem Bandscheibenvorfall, der Familie, dem Geschäft.

Rentner in Gesundheitsschuhen spazieren neben Anzugträgern durch den Schlosspark, Familien drängeln sich an den Essensständen. "Hier in Sachsen ist die FDP eine Volkspartei", sagt ein Mitarbeiter der Fraktion, "also: nicht von den Mitgliederzahlen her. Aber was die Mischung angeht."

Die AfD im Nacken

Es gibt kostenlose Führungen durch das Schloss, das am Eingang stolz als "Schloss für jedermann" beschrieben wird. Die Gäste amüsieren sich über das königliche Wasserklosett und allerlei lustige Anekdoten aus dem Leben der Königsfamilie, die die Führerin zum Besten gibt. "Auf diesem Sofa hat sich auch mal der König gefläzt", sagt sie zum Beispiel. Wie schön.

Die Stimmung ist gut, was nicht selbstverständlich ist - zumindest in Berlin erinnerten Partys der FDP zuletzt an Kindergeburtstage, zu denen nur die Kinder kommen, die von ihren Eltern dazu gezwungen werden. Nach der verlorengegangenen Bundestagswahl zum Beispiel, oder nach der Europawahl. Der sächsischen FDP könnte es bald ähnlich gehen. Zastrow hat es dort im Wahlkampf mit einer dominanten CDU zu tun und ihm sitzt die AfD im Nacken, die sowohl Protestwähler rechts der Union als auch Verfechter eines freien Marktes anspricht.

Zumindest letztere will Zastrow nicht kampflos aufgeben. Er gilt - anders als etwa sein Parteichef Christian Lindner - als überzeugter Marktliberaler. Zehn Prozent hat seine Partei in den Landtagswahlen von 2009 erreicht. Damals hatte die FDP allerdings auch bundesweit Traumwerte. Inzwischen ist Sachsen das letzte Land, in dem die FDP an der Macht ist, in einer schwarz-gelben Koalition. "Wir sind die letzte marktwirtschaftliche Regierung und müssen die Werte der Wende verteidigen", sagt Zastrow. Es könne "nicht immer nur mehr Staat" geben.

"Ich kann Ihnen nicht sagen, ob wir am 31. August wieder in den Landtag einziehen werden", sagt der 45-Jährige. Aber: "Ich werde kämpfen wie ein Ritter." Und die schlechten Umfragewerte? In einem Interview mit dem Handelsblatt bemühte Zastrow neulich einen Begriff, der normalerweise nicht in den Wort-Setzkasten überzeugter Marktliberaler gehört: "Schicksal". Die sächsische FDP habe sich schlicht "in Berlin angesteckt".

"Normale Berufe"

Deswegen sagt er auf dem Sommerfest in Weesenstein: "Wovor ich warne, ist, uns mit denen da in Berlin in einen Topf zu werfen." So seien die FDP-Landtagsabgeordneten in Sachsen keine Vollzeit-Politiker, sondern hätten auch noch "normale Berufe". Dazu passt die Ausrichtung des Burgfestes. Bratwurst statt Häppchen, könnte das Motto lauten.

Die da oben - wir da unten, das ist Stammtisch pur, eine Taktik, die Zastrow offensiv fährt. In der derzeitigen Lage brauche es "Machete statt Florett, Stammtisch statt Talkshow und Straße statt Feuilleton", sagte er, nachdem seine Partei aus dem Bundestag geflogen war. Ein klarer Seitenhieb auf FDP-Chef Lindner, der als intellektueller Feingeist gilt.

Im Wahlkampf will Zastrow sich dementsprechend auf rein sächsische Themen konzentrieren, Bildung zum Beispiel. Auf Hilfe aus der Bundespartei will er dabei lieber verzichten. Die Ansteckungsgefahr, ist klar.

Die Wolken über Schloss Weesenstein haben sich übrigens nach ein paar Stunden wieder verzogen. Wenigstens etwas.

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