In Westberlin ging es Anfang der siebziger Jahre wild zu, und eine der Wildesten war die Feministin Verena Becker, Jahrgang 1952. Ihr Leben ist wie ein Kalenderblatt aus der blutigen Geschichte des Terrorismus der frühen Jahre.
Der Weg in die Illegalität begann vergleichsweise harmlos: Die junge Frau zog zuweilen mit einer Freundin nächtens durch Berlin, um Scheiben von Sexläden zu zertrümmern. In die Schaufenster steckte sie Aufkleber mit der Aufschrift "Die schwarze Braut kommt".
Die zierliche, aber sehr entschlossene Frau schloss sich bald der Freundin Inge Viett in der terroristischen "Bewegung 2. Juni" an. Schon die erste größere Aktion verlief tödlich. Im britischen Yachtclub in Westberlin deponierte die Bande eine Bombe, um den Tod von 13 Katholiken in Londonderry zu rächen, die von britischen Soldaten erschossen worden waren. Ein Bootsbauer, der den Sprengkörper untersuchte, kam ums Leben.
Becker erhielt eine sechsjährige Jugendstrafe, die sie nicht verbüßte. Sie wurde gemeinsam mit vier anderen Terroristen freigepresst. Ein Kommando der "Bewegung 2. Juni" hatte den Berliner CDU-Landesvorsitzenden Peter Lorenz entführt, und die Häftlinge waren im Austausch freigekommen.
Die Gruppe wurde in den damals sozialistischen Südjemen ausgeflogen und in Aden von der Volksfront zur Befreiung Palästinas aufgenommen. In einem Lager wurden die deutschen Terroristen in Praxis und Theorie des Guerillakrieges geschult. Das Lehrprogramm war ähnlich strukturiert wie heutzutage die Ausbildung islamistischer Fanatiker in den Terrorcamps am Hindukusch.
Dazu stießen auch ein paar Novizen der Rote Armee Fraktion (RAF). Sie diskutierten, wie die in Stuttgart-Stammheim einsitzenden Kader befreit werden könnten und planten Anschläge auf Repräsentanten der Staatsgewalt in Deutschland.
Das erste Attentat galt am 7. April 1977 Generalbundesanwalt Siegfried Buback. Mit ihm starben seine beiden Begleiter. Die Ermittler hatten früh den Verdacht, dass die inzwischen aus dem Jemen zurückgekehrte Becker zumindest in die Planung des Attentats verwickelt war.
Becker wurde am 3. Mai 1977 gemeinsam mit Günter Sonnenberg im baden-württembergischen Singen gefasst. Bei der Verhaftung kam es zu einer Schießerei mit sechs Polizeibeamten. Aus kurzer Entfernung legte Becker auf einen Beamten an, traf ihn aber nur in den Unterarm. Bei ihr wurde damals die Waffe gefunden, mit der Buback und seine Begleiter ermordet worden waren.
Das Ermittlungsverfahren wegen des Buback-Anschlags wurde 1980 mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Jetzt aber gibt es neue Hinweise, dass sie an der Tat beteiligt war.
Bereits im Dezember 1977 war Becker wegen sechsfachen Mordversuchs und räuberischer Erpressung zu lebenslanger Haft verurteilt worden. In der Haft suchte sie Kontakt zum Verfassungsschutz. Sie redete über die Strukturen der RAF und belastete den Terroristen Stefan Wisniewski als möglichen Todesschützen im Fall Buback. Nach mehr als 15 Jahren Haft wurde Verena Becker 1989 begnadigt. Seit Mitte der neunziger Jahre lebt sie im Großraum Berlin.