Ex-Agent vor Gericht:Vorwurf Steuerhinterziehung: Werner Mauss verweist auf Geheimbund

Lange Zeit galt er als Phantom, nun steht Werner Mauss vor Gericht. Die hohen Vermögenswerte leugnet der frühere Top-Agent nicht - doch seien es nicht seine.

Aus dem Gericht von Ralf Wiegand, Bochum

Einen echten Geheimagenten sieht man nicht alle Tage vor Gericht, aber das Interesse an diesem Morgen im Landgericht Bochum hält sich dennoch in Grenzen. Der Zuschauerraum im großen Saal C 240 ist nur gut zur Hälfte gefüllt, die meisten Zuhörer haben die Medien geschickt.

Werner Mauss, das ist ein Name von gestern und vorgestern, als deutsche Ingenieure im Dschungel entführt wurden und nach RAF-Terroristen im Ausland gefahndet wurde. Bei solchen Missionen der alten Bundesrepublik diente Mauss den Behörden als privater Agent. Und weil lange Zeit nicht einmal jemand sein Gesicht kannte, galt er als Phantom.

Das Geheimnisvolle, das die Geschichte von Werner Mauss durchdringt, verflüchtigt sich in Bochum ins Alberne. Der Gerichtssprecher windet sich vor Prozessbeginn, den Namen des Angeklagten zu nennen, spricht von einer Person, die für das Bundeskriminalamt und den Verfassungsschutz gearbeitet habe. Zweimal muss er vor dem Wald aus Mikrofonen neu ansetzen, weil jeder weiß, um wen es geht, er aber, ebenso so pflichtbewusst wie unbeholfen, herumeiert.

Die Kamerateams, die sich am Aufgang des gewundenen Treppenhauses in Position gebracht haben, warten auf Mauss zunächst vergeblich, der prominente Angeklagte wird über einen Seitenaufgang und ein Nebentreppenhaus in den Saal gebracht.

Im Saal wartet er zwischen seinen Anwälten auf die Fotografen. Mauss, ein älterer, kleiner Herr, verschwindet in einem übergroß erscheinenden, dunkelblauen Stepp-Parka, die Kapuze hat er sich tief ins Gesicht gezogen, schließlich dreht er den Kameras den Rücken zu, minutenlang - als ob er den Rest der Aura bewahren wolle, die den früheren Top-Agenten einmal umgab.

Der Richter liest die Personalien vor, Mauss muss nicht selbst reden, seine Stimme ist an diesem Morgen nicht zu hören. Auch den Wohnort nennt der Richter nicht. Mauss hat eine Menge Verfahren angestrengt, wenn sein Wohnort in der Presse auftauchte. Sein Anwalt wird das Örtchen im Hunsrück allerdings später sehr oft erwähnen, Altstrimmig, Rheinland-Pfalz.

Zahlenketten, Kontonummern, Versicherungspolicen

Mauss ist, zum ersten Mal in seinem Leben, ein ganz normaler Bürger. Ein ganz normaler Angeklagter, dem die Staatsanwaltschaft Bochum zur Last legt, 15,2 Millionen Euro Steuern hinterzogen zu haben, in den Jahren 2002 bis 2013.

Der Staatsanwalt liest Zahlenketten vor, häuft eine Million nicht gezahlter Einkommensteuer auf Kapitalerträge auf die nächste, zitiert Kontonummern und Versicherungspolicen. "Erheblichen und fortgesetzten Verschleierungsaufwand" habe Mauss betrieben, um sein Vermögen zu verdecken, hinter Stiftungen, auf Nummernkonten, in Offshore-Firmen. Ihm drohen im Falle der Verurteilung sechs Monate bis zehn Jahre Haft.

Mauss - angeklagt in multipler Erscheinung

Der Fall Mauss ist eines der größten Steuerverfahren, das es bisher gegeben hat, die Summen sind hoch, der Tatzeitraum ist lang. Mauss folgt der Anklage angespannt, so weit man das erkennen kann. Nachdem die Kameras den Saal verlassen haben, nimmt er zwar die Kapuze ab, panzert sich aber weiter mit seinem Stepp-Mantel, dreht seinen Stuhl am Tisch des Angeklagten leicht ein, so dass ihn die meisten Zuschauer nur von hinten sehen.

Ein gewisser Claus Möllner

Reden lässt er einen seiner Anwälte, der per Antrag versucht, die 2. Große Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Bochum für nicht zuständig erklären zu lassen. Das Verfahren, so die Argumentation, dürfe gar nicht in Bochum stattfinden, wo deshalb verhandelt wird, weil Mauss hier im Dezember 2012 für einen kurzen Moment festgenommen worden war.

Nach Ansicht der Verteidigung müsse Mauss entweder am Tatort - das wäre Essen, wo Mauss als "Dieter Koch" seine Steuern bezahlt hat - oder in Rheinland-Pfalz, dem Wohnort des Angeklagten, der Prozess gemacht werden. Das Gericht lehnt den Antrag nach kurzer Beratung ab.

Mauss' Geldgeschäfte waren der Steuerfahndung aufgefallen, nachdem sie Daten der Schweizer Bank USB angekauft hatte. Da war ein gewisser Claus Möllner aufgetaucht, für den es in Deutschland allerdings kein Steuerkonto gab. Möllner, fanden die Fahnder heraus, ist einer der vielen Alias-Namen von Werner Mauss, der unter anderem auch als Richard Nelson oder eben Dieter Koch in Erscheinung tritt.

Zu Koch gab es den Treffer, er ist Steuerkunde beim Finanzamt Essen-Süd, aber nach den Erkenntnissen der Steuerfahnder ein extrem unehrlicher. Falsche Angaben habe er gemacht, bewusst unrichtige, und vieles habe er verschwiegen. Angeklagt ist Mauss in seiner multiplen Erscheinung als Mauss alias Möllner alias Koch alias Nelson.

Mauss verweist auf einen Geheimbund

Der Agent, der nach der Aufnahme des Ermittlungsverfahrens und einer Hausdurchsuchung in Altstrimmig vier Millionen Euro auf die zu erwartende Steuerschuld angezahlt hatte und eine Million Euro Kaution stellen musste, um nicht in Haft zu kommen, bestreitet die Vermögenswerte nicht. Nur: Es seien nicht seine, sondern ein Geheimbund habe ihm das Geld lediglich zur Verfügung gestellt, um für den Weltfrieden aktiv sein zu können. Das Geld verwalte er nur treuhänderisch und für seine Einsätze.

Zweimal gab es vor dem Prozessauftakt Treffen zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern, berichtete der Vorsitzende Richter Markus van den Hövel, beide Male habe die Kammer "Zweifel an der Plausibilität" der Argumentation des Angeklagten geäußert. Absprachen hinsichtlich Verfahrensdauer oder möglicher Strafen, einen Deal also, habe es bei keinem der Vorgespräche gegeben.

Der Prozess wurde am Mittag fortgesetzt, Termine am Landgericht Bochum sind bis Dezember reserviert. Dann wäre es auch kalt genug für den Stepp-Parka von Werner Mauss. Der Prozess wird am 4. Oktober fortgesetzt.

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