Europawahl:Die FDP hat nur noch sich selbst

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FDP-Parteichef Christian Lindner (Archivbild): Die nächste Prüfung wird die Europawahl im Mai. (Foto: AFP)

Mit dem Wegfall der Drei-Prozent-Hürde für die Europawahl kommt kleineren Parteien ein wichtiges Mobilisierungsinstrument abhanden - denn die Spannung ist raus. Das ist vor allem ein Problem für die FDP.

Eine Analyse von Thorsten Denkler, Berlin

Spätestens wenn sich eine Fußballsaison dem Ende zuneigt, schaut alles nach ganz oben - und dann sofort nach ganz unten. Dahin, wo es um Abstieg und Aufstieg geht. Das ist oft viel spannender als die Frage der Meisterschaft. Mag sich jetzt mal einer vorstellen, wie eine Fußball-Bundesliga ohne Abstiegskampf wäre? Richtig. Furchtbar öde.

In der Politik gibt es auch eine Abstiegszone. Wer bei Bundestagswahlen nicht über fünf Prozent kommt, fliegt raus. Für alle Parteien, die in Umfragen zwischen drei und sieben Prozent liegen, ist das eine Frage des politischen Überlebens in der höchsten deutschen Spielklasse, im Bundestag. Die FDP hat im vergangenen Bundestagswahlkampf bis zur letzten Minute gekämpft - Fehler gemacht und dann verdient die Hürde knapp gerissen. Aber es war spannend. Aus der Spannung lässt sich Honig saugen. Ohne die Spannung wäre es wohl noch viel schlimmer gekommen für die FDP.

Für die Europawahl galt bis zu dieser Woche die Drei-Prozent-Hürde. Das Bundesverfassungsgericht hat die Hürde jetzt für nichtig erklärt. Ab sofort gibt es keine Abstiegszone mehr. Jede Partei, die rechnerisch genug Stimmen für ein Mandat bekommt, darf einen oder mehrere Abgeordnete nach Brüssel entsenden. Die Kämpfe gegen den Abstieg aus dem und für den Aufstieg in das Parlament sind abgesagt.

Mit der Hürde steigt die Motivation

Das ist vor allem ein Problem für die FDP. Die dümpelt bei drei bis vier Prozent herum. Das hätte nach altem Recht knapp werden können. Die letzten aufrechten Liberalen hätte auf jeden Fall zur Wahl gehen müssen, um ihrer FDP den nächsten Gang in die APO zu ersparen. Jetzt ist es egal. Die FDP wird wieder im Parlament sitzen, wenn auch mit weniger Leuten.

Der FDP ist ein wichtiger Mobilisierungsfaktor abhanden gekommen. Die Drei-Prozent-Hürde war zwar auch ein Risiko. Wären die Liberalen darunter geblieben, wäre das ein herber Rückschlag für den neuen Parteichef Christian Lindner gewesen. Aber den jetzt bombensicheren Wiedereinzug in das Europa-Parlament kann er kaum als Sieg feiern. Der Erfolg misst sich alleine am Wahlergebnis. Und eine FDP, die schlechter abschneidet als die AfD, ist jetzt einfach eine erfolglose FDP. Sie wäre neben der ÖDP oder der Familienpartei einfach eine von vielen Splittergruppen aus Deutschland im Parlament. Nichts Besonderes.

Die FDP dümpelt

Die Hürde ist nicht zu unterschätzen, wenn es um die Motivation von Wählern geht, ihr Kreuz zu machen. Eine Kernregel lautet: Die Wähler wollen bei den Siegern sein. Kommt eine Partei von unten und nähert sich der Hürde in den Umfragen von Woche zu Woche, dann kann der Sprung über die Hürde gelingen, einfach, weil es ihr von vielen Wählern zugetraut wird.

Kommt eine Partei von oben und wird von Woche zu Woche schwächer in den Umfragen, dann kann schon das allein dazu führen, dass die Hürde gerissen wird. Die FDP aber dümpelt. In den Monaten vor der Bundestagswahl ist sie kaum über fünf Prozent gekommen und selten unter vier gerutscht. Jetzt tritt sie fast ebenso lang auf der Stelle. Drei bis vier Prozent. Mehr scheint nicht drin zu sein im Moment. Weniger aber auch nicht.

Gut möglich, dass die Spannung der Drei-Prozent-Hürde die FDP bisher nicht unter drei Prozent hat sinken lassen. Jetzt, da die Hürde weg ist, ist das kein Faktor mehr. Die FDP hat nur noch sich selbst. Die große Frage ist, ob das reicht, noch als relevante Stimme wahrgenommen zu werden.

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