Europa in der Krise:Populismus am Rande des Abgrunds

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Weil die Geschichte der Euro-Rettung zu kompliziert wird, haben Populisten und Nationalisten Konjunktur in Europa. In Griechenland wird sich zeigen, ob in den neuen Verhältnissen Politik zu machen ist. Die Zeit drängt: Findet Athen nicht bald eine Lösung, könnte das Schicksal des Euro besiegelt sein.

Stefan Kornelius

Zwei große Trends sind es, die jetzt über das Schicksal Europas und seiner Währung entscheiden: Populismus und Nationalismus. Die Wahlen vom Wochenende haben diese Trends verstärkt. Nun bleiben ein paar Wochen für die politische Orientierung. Aber für alle, die heute schon das Pfeifen im Wald hören: Bis zum August könnte sich das Schicksal des Euro entschieden haben. Bis August bleibt den Griechen Zeit, um aus ihrem Wahlergebnis Politik zu machen.

Alexis Tsipras, Chef der Radikalen Linken (Syriza): Europas Bürger hätten es gerne etwas einfacher. (Foto: AP)

Ist diese Politik inkompatibel mit der Euro-Rettung, wird auch Griechenland nicht mehr zu retten sein. Und kommt es dann zu einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone, dann lassen sich auch nur wenige Garantien für die übrigen Mitglieder aussprechen. Wird der Euro erst einmal in einem Land abgewickelt, dann wankt die ganze Konstruktion.

Trend Nummer eins: Populismus. Die Geschichte der Euro-Rettung wird zu kompliziert. Die Sparpolitik, ein alles rettendes Stimulus-Paket, die Abhängigkeit der Euro-Länder voneinander und vor allem von Deutschland - Europas Bürger haben genug davon. Sie hätten es gerne etwas einfacher, positiver. Und deswegen glauben sie den Politikern, die es einfacher und positiver vermitteln. "Schluss mit der Sparsamkeit" ist so eine Vereinfachungsformel, oder "Ende der Reformen".

Die Heilsversprecher erwachen

Populisten haben Konjunktur in Europa. Griechenland bietet ein besonderes Schauspiel für diese populistischen Wachstumskräfte. Aber das Land ist kein Einzelfall. Ein Geert Wilders in den Niederlanden zieht seine Unterstützung für die Regierung just in jenem Moment zurück, wo sein populistischer Instinkt Gefahr wittert und die gefühlte Unterstützung für ihn schmilzt. In Italien, in Spanien, in Irland - überall erwachen die Heilsversprecher. Auch François Hollande wandelte im französischen Wahlkampf auf einem schmalen Grat. Er ließ seine Wähler zumindest in dem Glauben, dass sie wählen könnten zwischen den Härten der Sparpolitik und dem Füllhorn des väterlichen Staates.

Dabei weiß natürlich auch François Hollande, dass es sich hier um eine Scheinalternative handelt. Weder lässt sich die Krise allein durch frisches Geld beenden noch durch Spardiktate. Beides ist richtig, aber es kommt auf die richtige Reihenfolge an und vor allem auf die Reformanreize. 60.000 zusätzliche Lehrer in Frankreich sind eine brillante Idee, wenn dafür 120.000 Beamte der krakenhaften Staatsverwaltung entlassen werden könnten. Kein Land in Europa beschäftigt proportional so viele Beamte.

Ein EU-Wachstumspaket ist eine glorreiche Sache und wäre finanzierbar, wenn gleichzeitig in der jetzt zu verhandelnden finanziellen Vorausschau (quasi dem EU-Haushalt) mit dem Wahnsinn der Subventionierung der Landwirtschaft aufgeräumt würde.

Merkel kann zur einsamsten Frau Europas werden

Der zweite Trend: Nationalismus. Mit dem Populismus geht das Versprechen einher, dass sich die Probleme am leichtesten national lösen ließen. Nicolas Sarkozy schlug diesen überspitzten nationalistischen Ton in seinem Wahlkampf an, um andere Schwächen auszugleichen. In Spanien will die Regierung entgegen allen EU-Rettungsversprechungen die drittgrößte Bank des Landes national retten. In Italien wächst der Unmut gegen die technische Regierung und den Druck aus "dem Ausland".

Das Ausland - das ist in der Regel Deutschland mit der als Spar-Teufelin wahrgenommenen Angela Merkel. Ihre Härte und Deutschlands Wirtschaftskraft haben die Bundeskanzlerin zur mächtigsten Frau Europas werden lassen. Halten die neuen Trends an, kann sie schnell zur einsamsten Frau Europas werden. Dabei ist Deutschland selbst vor nationalen Schüben nicht gefeit - etwa wenn Griechenland den bisher gefassten Rettungskonsens aufkündigt und damit die Arbeit von Monaten zerstört.

Zwei Voraussetzungen sind nötig, um die beiden unheilvollen Trends zu brechen: Erstens muss Hollande in Frankreich schnell die Scheinalternative zwischen Austerität und Wachstum begraben. Sparsamkeit und ein Wachstumspaket bedingen einander.

Nationalismus und Populismus sind das Ende Europas

Auch wenn ein Stimulus-Plan schon seit Monaten in Vorbereitung ist: Hollande wird sich die Lorbeeren für dieses Wachstumspaket aufsetzen - im Gegengeschäft muss er dem Fiskalpakt zustimmen, ohne den er nicht nur Deutschland, sondern auch das Vertrauen der Märkte verlieren wird. Die deutsche Kanzlerin wird dem Franzosen die Lorbeeren gönnen müssen.

Zweitens geht es um Griechenlands Verlässlichkeit. Die nächsten Monate erzwingen eine Reihe harter Entscheidungen von der Politik in Athen. Werden diese nicht getroffen, dürfte auch der Internationale Währungsfonds keine Hilfe mehr gewähren. Gibt es keine politische Mehrheit mehr für den vorgezeichneten Rettungsweg, dann bleiben nur das Chaos, der finanzielle Zusammenbruch, der unkontrollierte Weg aus dem Euro.

Eine harte Alternative. Aber vielleicht brauchte es den Donnerschlag eines Wahlsonntags, um die nötigen Emotionen zu wecken, die ein Europa am Abgrund jetzt braucht. Nationalismus und Populismus sind im Gründungsdokument des geeinten Kontinents jedenfalls nicht vorgesehen. Sie sind das Ende Europas.

© SZ vom 09.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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