Europa:EU warnt Briten vor chaotischem Brexit

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Die EU stellt sich auch auf einen Brexit ein, der alles andere als ruhig verläuft. (Foto: Jason Alden/Bloomberg)
  • Die Europäische Union bereitet mehrere Szenarien für den Ausstieg Großbritanniens vor.
  • Sollte die britische Regierung gegen das vorgeschriebene Verfahren verstoßen, drohen Konsequenzen.
  • Im äußersten Fall läuft es auf eine Suspendierung der britischen EU-Mitgliedschaft hinaus.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Angesichts jüngster Umfragen stellt sich die Europäische Union auf einen Austritt Großbritanniens ein und wappnet sich auch für chaotische Zustände nach der Abstimmung. Man hoffe im Falle eines Votums für den Brexit auf ein geordnetes Verfahren, hieß es am Mittwoch aus EU-Kreisen, bereite sich aber auch auf ein "wildes" Szenario vor. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat die EU-Kommission Pläne für einen harten Umgang mit Großbritannien für diese Möglichkeit entwickelt. Sie laufen im äußersten Fall auf eine Suspendierung der britischen EU-Mitgliedschaft hinaus. Für die Briten könnte das zu immensen Nachteilen führen.

Der geordnete Austritt ist in Artikel 50 des EU-Vertrags klar geregelt. Nach offizieller Mitteilung des Austrittswunsches beginnen Verhandlungen, die auf zwei Jahre begrenzt sind. Sie regeln allerdings nicht das künftige Verhältnis, sondern nur die Modalitäten der Trennung. Großbritannien könnte daher gezwungen sein, die EU zu verlassen, ohne seinen Zugang zum EU-Markt geklärt zu haben. Brexit-Verfechter in Großbritanniens Regierung suchen deshalb nach anderen Wegen aus der EU.

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Mit Befremden aufgenommen wurde in Brüssel ein Plan des Fraktionsvorsitzenden der Konservativen im Unterhaus, Chris Grayling. Er sieht vor, schon vor dem Austritt EU-Recht schrittweise außer Kraft zu setzen. Er wolle die nach Artikel 50 vorgeschriebene Mitteilung hinauszögern und zunächst einen "informelleren Prozess" anstreben, sagte Grayling, ein Vertreter des Brexit-Lagers, der Financial Times. Ziel sei ein Austritt bei gleichzeitiger Vereinbarung eines Handelsabkommens bis Ende 2019.

Am 28. Juni müssen die EU-Länder über weiteres Vorgehen beraten

Dies widerspricht diametral der Auffassung der EU-Kommission. Sie besteht darauf, dass Großbritannien bis zum Abschluss der Trennungsverhandlungen seine Pflichten als EU-Mitglied voll erfüllt. Einem "wilden" Brexit will sie daher nicht tatenlos zusehen und hat bereits rechtliche Möglichkeiten geprüft für eine so in den Verträgen nicht vorgesehene Suspendierung der Mitgliedschaft. Ein Szenario sieht vor, das Referendum notfalls als offizielle Bekundung des Austrittswunsches zu werten. Mit der Suspendierung würden dann auch die Binnenmarktregeln wie Zollfreiheit abrupt nicht mehr auf Großbritannien angewendet. Zu erwarten wären dadurch äußerst negative Folgen für die britische Volkswirtschaft. Man halte so ein Szenario aber für unwahrscheinlich, weil eine britische Regierung ein solches Risiko kaum eingehen werde, hieß es in Brüssel.

Die offizielle Austrittsmitteilung würde in Brüssel spätestens bis zum EU-Gipfel am 28. Juni erwartet. Dann müssten die Staats- und Regierungschefs der 27 verbleibenden EU-Staaten über das weitere Vorgehen beraten. Es wird erwartet, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident François Hollande die Führung übernehmen, aber auch Unterstützung suchen bei der polnischen Regierungschefin Beata Szydło und womöglich dem Italiener Matteo Renzi. Mit Signalen für einen Ausbau etwa der Euro-Zone wird nicht gerechnet. Betont werden soll vielmehr die Rolle der EU für die Sicherheit der Bürger.

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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