EuGH:Ein Urteil ohne Kreativität und Herz

Syrischen Flüchtlingen sollte mithilfe humanitärer Visa ein legaler Weg nach Europa geebnet werden - der EuGH lehnte die Idee nun ab. (Foto: AFP)

Syrischen Flüchtlingen sollte mithilfe humanitärer Visa ein legaler Weg nach Europa geebnet werden - doch der Europäische Gerichtshof verpasst die Chance.

Kommentar von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Paragrafen sind eine spröde Materie, aber Juristen mit Herz und Kreativität gelingt es mitunter, sie zum Leuchten zu bringen. So war das, als Paolo Mengozzi, ein EU-Generalanwalt im Herbst seiner Amtszeit, vor vier Wochen seine Idee präsentierte, syrischen Flüchtlingen mithilfe humanitärer Visa einen legalen Weg nach Europa zu ebnen.

Das Elend in den Lagern und das Sterben im Mittelmeer könnte ein Ende haben, so hoffte man - bis nun der Europäische Gerichtshof mit realpolitischer Kühle den Vorschlag ins Reich der Utopie verbannte.

Die Politik ist festgefahren, sie benötigt Anstöße durch kühne Gedanken

Aber war der Gedanke wirklich so abwegig? Mengozzi wollte den Anspruch auf Visa strikt begrenzen, und zwar auf eindeutige Asylfälle - oder besser gesagt: auf Menschen, für die es keinen anderen Ausweg gibt als ihr Leben zu riskieren, zu Hause oder auf der Flucht. Das wären derzeit vornehmlich Syrer, nicht jedoch Nordafrikaner oder Flüchtlinge vom Balkan.

Gewiss, die Botschaften und Konsulate hätten sich faktisch in Asylbehörden verwandeln müssen. Dem Ziel aber, das alle im Munde führen - den Schleusern das Handwerk zu legen -, wäre man einen Schritt näher gekommen.

Nun mag die Lösung des Flüchtlingsproblems eher die Sache der Politik sein und nicht der Juristen. Aber die Politik ist festgefahren, sie benötigt Anstöße durch kühne Gedanken. Der EuGH hat diese Chance verpasst. Sein Urteil liest sich spröde, ohne Kreativität und ohne Herz.

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