EU-Skepsis:Kommen jetzt auch Nexit, Franxit, Czexit?

Lesezeit: 3 min

  • Die Briten haben sich entschieden, der EU den Rücken zu kehren.
  • Das beeinflusst auch die Stimmung in anderen Mitgliedsländern.
  • In den Niederlanden und Frankreich, aber auch in Dänemark und Tschechien werden bereits eigene Referenden gefordert.

Das Nein der Briten zur EU kann Bestrebungen in anderen Mitgliedstaaten stärken, denselben Weg einzuschlagen. Diese Befürchtung wird in Brüssel schon länger offen ausgesprochen: EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker warnte unlängst, ein Briten-Austritt könnte auch woanders "Lust auf mehr" machen. Die Mittel der direkten Demokratie sind das wichtigste Instrument für die Europa-Kritiker - sie stehen aber nicht in allen EU-Staaten in gleicher Weise zur Verfügung.

Ein Überblick über mögliche Volksabstimmungen in den Mitgliedsländern - auch zu anderen EU-Themen.

Niederlande

Eine Mehrheit der Niederländer war Umfragen zufolge schon vor dem Brexit-Votum für eine Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft. Nach heutiger Gesetzeslage ist ein solcher Schritt jedoch unmöglich. Es gibt nur das Instrument eines "ratgebenden" Referendums, Volksabstimmungen dürfen nur über noch nicht ratifizierte Verträge gehalten werden. Dennoch forderte der Chef der rechtspopulistischen Partei für die Freiheit, Geert Wilders, jetzt auch für sein Land eine Abstimmung. "Bye-bye Brüssel", jubelte er. "Und die Niederlande werden die Nächsten sein!"

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Dänemark

Die dänischen Rechtspopulisten haben im Falle eines Brexit ein Referendum über einen EU-Austritt im eigenen Land gefordert. "Dann will ich eine Volksabstimmung haben, um zu klären, ob Dänemark sich so eine Lösung wünscht", sagte der Chef der Dansk Folkeparti, Kristian Thulesen Dahl, jüngst der Zeitung Jyllands-Posten. "Es geht darum, mehr Selbstbestimmung zurückzugewinnen." Die liberale Regierungspartei Venstre wehrt sich jedoch genau wie die übrigen Oppositionsparteien gegen diesen Vorschlag. Was die Zusammenarbeit in der EU angeht, sei man nicht skeptisch, sagte Venstre-Sprecher Jakob Ellemann-Jensen. "Es gibt Dinge, in die sich die EU einmischen soll, und Dinge, in die sich die EU nicht einmischen soll."

Tschechien

Das Brexit-Referendum hat auch die Debatte über einen möglichen "Czexit" entfacht. Ein Ja der Briten zum Austritt werde eine "Welle des Nationalismus und Separatismus" in ganz Europa auslösen, warnt der sozialdemokratische Regierungschef Bohuslav Sobotka. Beobachter befürchten, dass das Thema den tschechischen Parlamentswahlkampf 2017 dominiert. Als schärfster EU-Kritiker gilt Ex-Präsident Václav Klaus, der zuletzt beim AfD-Parteitag in Stuttgart auftrat. Anfang Mai scheiterte jedoch ein Antrag der rechtspopulistischen Morgendämmerung (Úsvit), über ein Austrittsreferendum im Abgeordnetenhaus in Prag zu beraten.

Frankreich

Die Chefin des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, erneuert regelmäßig ihre Forderung nach einem "Franxit". Am Freitagmorgen bejubelte sie auf Twitter einen "Sieg der Freiheit". "Wie ich es seit Jahren fordere, brauchen wir jetzt dasselbe Referendum in Frankreich und in den Ländern der EU." Eine Volksabstimmung ist allerdings nur mit Zustimmung des Staatspräsidenten möglich. Die EU-Abgeordnete und erbitterte Europa-Gegnerin Le Pen machte ihre Partei bei der Europawahl zur stärksten Kraft in Frankreich. Bruno Le Maire, ein potenzieller Kandidat der bürgerlichen Rechten für die Präsidentschaftswahl 2017, fordert auch ein Referendum - allerdings um die EU-Verträge zu ändern und die Union damit zu stärken.

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Ungarn

Weit fortgeschritten sind die Pläne der rechtskonservativen Regierung von Premier Viktor Orbán für ein Referendum zu den EU-Flüchtlingsquoten. Dabei geht es um künftige, nicht um die schon beschlossenen Quoten. Gegen Letztere klagt Budapest vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Abstimmung ist im Herbst geplant, der Termin noch offen. Das Verfassungsgericht wird noch prüfen, ob es verfassungskonform ist und nicht etwa gegen internationale Verträge verstößt. Die demokratische Opposition kündigte bereits einen Boykott des Referendums an. Damit es gültig ist, müssen daran mindestens 50 Prozent der Wahlberechtigten teilnehmen. In der vergangenen Nacht forderte Orbán von der EU und ihren Gremien einen "tiefgreifenden Wandel im Selbstverständnis".

Polen

Von Regierungsseite sind derzeit keine Referendums-Initiativen geplant. Die nationalistische Bewegung, als Teil der Partei Kukiz'15 auch im Parlament vertreten, sammelt allerdings Unterschriften für eine Volksabstimmung, bei der die Bürger über die Aufnahme von Flüchtlingen entscheiden sollen. Ob das Referendum durchgeführt wird, ist offen. Sollten die Wähler in der Flüchtlingsfrage das letzte Wort haben, dürfte Polen als Zufluchtsland wegfallen - in Umfragen waren zuletzt mehr als 70 Prozent gegen die Ansiedlung von Flüchtlingen.

Baltikum

In Estland, Lettland und Litauen findet sich mehr Begeisterung für die EU als in vielen westlichen Mitgliedstaaten. Verschiedene Krisen geben EU-Skeptikern und Rechtspopulisten aber Auftrieb. Einzelne Oppositionsparteien und Einwanderungsgegner fordern etwa Referenden über die Flüchtlingspolitik und die Aufnahme von Migranten. Die Regierungen in Tallinn, Riga und Vilnius beugen sich dem aber bislang nicht.

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