EU-Kommission:Bewerbung mit Lücken

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EU-Kommissionschef Barroso wirbt mit einem langen Programm im Parlament für seine Wiederwahl - vermeidet aber klare Zusagen.

Cerstin Gammelin, Brüssel

Fünfzig Seiten umfasst das Schreiben, das der amtierende EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso an diesem Donnerstag an alle EU-Parlamentarier verschickte. Mit den "politischen Leitlinien für die nächste Kommission" wirbt der konservative Portugiese um deren Stimmen für eine zweite Amtzeit. Bisher scheiterte seine Wiederwahl vor allem am Widerstand von Sozialisten, Liberalen und Grünen, die zunächst ein klares Programm für die kommenden fünf Jahre forderten.

Barroso kündigte nun in Brüssel an, er wolle für neues Wirtschaftswachstum sorgen, die Arbeitslosigkeit bekämpfen, die Umwelt schützen, sich für ein sicheres Europa einsetzen und die Menschen künftig stärker an europäische Entscheidungen einbeziehen. "Unsere erste Sorge gilt eindeutig der Beschäftigung", sagte der EU-Kommissionspräsident. Es müsse alles getan werden, um zu verhindern, dass weitere Arbeitsplätze verloren gingen. Die Kommission rechnet damit, dass die Zahl der Arbeitslosen zwischen 2007 und 2010 um mehr als acht Millionen steigt.

Konkrete Zusagen macht Barroso in seinem Bewerbungsschreiben allerdings nicht. Auch auf Forderungen aus den Fraktionen ging er nicht direkt ein. Die Sozialisten hatten bereits vorab angekündigt, sie würden die Wiederwahl Barrosos von verbindlichen Zugeständnissen in der Sozialpolitik abhängig machen. Nötig sei eine Revision der europäischen Entsenderichtlinie für Arbeitnehmer, heißt es im Fraktionsbeschluss vom 23. April.

Es müsse das Prinzip "gleiche Lohn- und Arbeitsbedingungen für gleiche Arbeit am gleichen Ort" festgeschrieben werden, fordern die Sozialisten. Zudem müsse die kommende EU-Kommission künftig bei allen politischen Maßnahmen eine "soziale Folgenabschätzung" vornehmen. Auf diese expliziten Forderungen geht Barroso in seinen Leitlinien nur sehr vage ein. "Gleichstellung der Geschlechter und Beseitigung des geschlechtsspezifischen Verdienstgefälles, Vielfalt, Diskriminierungsverbot, Chancengleichheit, Behandlung von Minderheiten: all dies sind Grundwerte der EU", schreibt Barroso.

In den eigenen Reihen erntete der Konservative nur verhaltene Zustimmung. Die Leitlinien seien "eine brauchbare Grundlage" für die Gespräche mit den Fraktionen in der kommenden Woche, sagte der Vorsitzende der deutschen Unionsabgeordneten im Europaparlament, Werner Langen. Barroso greife einige Kernanliegen der Christdemokraten auf, darunter die Stärkung des Industriestandorts Europa, mehr Zurückhaltung bei der EU-Erweiterung sowie den Bürokratieabbau.

Bestätigung: unsicher

Die endgültige Bewertung der Leitlinien stehe allerdings noch aus. "Bis zur kommenden Woche werden wir intensiv prüfen, ob Barrosos Konzept die aktuellen Herausforderungen widerspiegelt", erklärte Langen. Das konkrete Gesetzgebungsprogramm der kommenden fünf Jahre müsse die Kommission "in jedem Fall in einen konkreten Dialog mit dem Europaparlament und auch dem Rat" beschließen.

In der kommenden Woche muss sich der umstrittene Kommissionspräsident den Fragen in den Fraktionen stellen. Es gilt weiter als unsicher, ob die Volksvertreter Barroso am 16. September für eine zweite Amtszeit bestätigen oder ob die Wahl weiter hinausgezögert wird. Aus Fraktionskreisen verlautete, darüber werde erst nach der Anhörung des Portugiesen entschieden. Barroso ist der einzige Kandidat für das Amt. Er wird von den europäischen Staats- und Regierungschefs unterstützt. Sein Mandat läuft Ende Oktober aus.

Unterdessen zeichnet sich Streit ab, ob die bisherige Kommission bis zur Ratifizierung des Lissabon-Vertrages übergangsweise im Amt bleiben soll. Das hatte die schwedische EU-Ratspräsidentschaft vorgeschlagen. Angesichts weiterer Verzögerungen beim Ratifizierungsprozess des Vertrags in Tschechien fordern die deutschen Unionsabgeordneten, die neue Kommission erneut auf Grundlage des Nizza-Vertrages zu wählen. Dann müsste Barroso die Zahl der Kommissare verringern. Bisher stellte jedes Land einen Kommissar.

© SZ vom 04.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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