Die Linke: Wagenknecht und Bartsch gewinnen Machtprobe

  • Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch sind erneut an die Fraktionsspitze der Linken gewählt worden.
  • Zuvor war es zu einer Eskalation auf der Klausurtagung gekommen, Wagenknecht hatte schriftlich mit ihrem Rückzug gedroht.
  • Im Kern geht es bei dem Streit darum, wie die Partei mit Flüchtlingen umgehen will.

Von Sebastian Jannasch, Berlin

Idyllisch liegt das Tagungshotel der Linken am Templiner See in Potsdam. Es hätte ein Ort für harmonische Bilder werden können, an dem sich die Partei bei ihrer Klausur für die Zugewinne bei der Bundestagswahl feiert. Aber die Partei kämpfte einmal mehr mit sich selbst. Vor Beginn des Treffens eskalierte der andauernde Machtkampf zwischen der Fraktionsspitze und der Parteiführung: In einem Brief an die Fraktion kündigte die Vorsitzende Sahra Wagenknecht ihren Rückzug an, sollte die Parteispitze größeren Einfluss in der Fraktionsführung erhalten.

Nach acht Stunden Beratung in Potsdam kam es dann doch nicht so weit: Wagenknecht bleibt, auch der Co-Vorsitzende Dietmar Bartsch wurde wiedergewählt.

Der Streit hatte sich an zwei Anträgen zur Fraktionsarbeit entzündet, über die bei dem Treffen der neuen Fraktion abgestimmt werden sollte. Mit dem ersten hätten die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger ein Stimmrecht im Fraktionsvorstand bekommen, mit dem zweiten hätten sie ein den Fraktionschefs gleichberechtigtes Rederecht im Bundestag erhalten. Wagenknecht und Bartsch befürchteten eine Entmachtung, obwohl die Parteichefs zuvor ihre Unterstützung für die Wiederwahl der beiden erklärt hatten. Streit hatte es auch um die Fraktions-Vizeposten gegeben: Wagenknecht witterte den Versuch, sie mit Vertrauten der Parteiführung "einzumauern".

Ein Kompromiss verhindert den Eklat

Sollten die Vorschläge eine Mehrheit finden, hatte Wagenknecht an die Fraktion geschrieben, würde sie "nicht mehr für den Fraktionsvorsitz zur Verfügung" stehen. Sie sehe keinen Sinn darin, "meine Kraft und meine Gesundheit in permanenten internen Grabenkämpfen mit zwei Parteivorsitzenden zu verschleißen, die offenkundig nicht zu einer fairen Zusammenarbeit bereit sind". Trotz des scharfen Tons kam es anders, ein Kompromiss verhinderte den Eklat: Die Parteiführung erhält ein "herausgehobenes Rederecht" im Bundestag, im Fraktionsvorstand bekommen Riexinger und Kipping aber kein Stimmrecht.

Auch bei den Fraktionsvizes einigte man sich: Sevim Dagdelen und Caren Lay übernehmen die Posten. Jan Korte wird parlamentarischer Geschäftsführer. Als Erfolg verbucht die Parteiführung, dass sie eine Beauftragte für soziale Bewegungen durchsetzen konnte. Die Position soll die frühere Attac-Geschäftsführerin Sabine Leidig übernehmen.

Sie erhält auch ein Stimmrecht im Fraktionsvorstand. Somit konnte sich bei der Klausur nicht das Szenario wiederholen, aus dem Wagenknecht und Bartsch vor der Bundestagswahl als Sieger hervorgegangen waren. Sie hatten gegen den Willen von Kipping und Riexinger durchgesetzt, dass sie als Spitzenkandidaten-Duo die Linken in die Wahl führten. Die Parteivorsitzenden wollten Teil eines Quartetts sein. Kipping und Riexinger hatten das zähneknirschend hingenommen, doch in der Partei machte das Wort "Erpressung" die Runde. In ihrem Brief warf Wagenknecht den Parteichefs nun vor, die Entscheidung für die Spitzenkandidaten "aus dem Hinterhalt" unterlaufen zu haben. Bei dem Führungsgerangel ist auch schon der Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn zwischen die Fronten geraten. Ob er von seiner Funktion zurücktritt, soll im November entschieden werden.

Im Kern geht es darum, wie liberal die Partei mit Flüchtlingen umgehen will

Das Geschacher bei der Klausur bildet den Höhepunkt eines Streits, der sofort nach der Bundestagswahl ausgebrochen war. Im Kern geht es darum, wie liberal die Partei mit Flüchtlingen umgehen will. Wagenknecht und ihr Mann Oskar Lafontaine bemängeln, dass das Thema zu lange ausgeklammert wurde, das habe zu Stimmverlusten geführt.

Die Parteiführung hält dagegen und will vom offenen Flüchtlingskurs nicht abrücken, auch um Wähler aus städtischen Milieus nicht zu vergraulen. Bei der Potsdamer Klausur soll auch eine Strategie für die nächsten vier Jahre entwickelt werden, in denen die Linke nicht mehr Oppositionsführer sein wird. Zudem soll ausgelotet werden, wie die Partei als Vertreterin von Ost-Interessen sichtbarer werden könnte.

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