Die Linke nach der Wahl:"Das sind keine Rassisten, die sind sauer"

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  • Nach dem mittelguten Wahlergebnis diskutiert die Linken-Spitze die richtige Strategie für die kommende Wahlperiode.
  • Dabei kristallisiert sich eine Strategie raus: Die AfD im Parlament hart angehen.
  • Gleichzeitig will sich Spitzenkandidatin Wagenknecht um AfD-Wähler bemühen, hier gebe es "eine nicht geringe Überschneidung des Wählerpotenzials".

Von Constanze von Bullion, Berlin

Sie hat ihre Oppositionsführerschaft verloren, aber am Tag nach der Wahl zeigte die Linke sich wieder rauflustig, auch intern. "Die AfD muss wissen: In uns findet sie den härtesten Gegner", sagte der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger am Montag in Berlin. Die Linkspartei müsse ihren Kampf um Gerechtigkeit verstärken und konsequent "gegenhalten", wenn die AfD im Bundestag rassistische und fremdenfeindliche Positionen vertrete.

Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht dagegen forderte, sich stärker um Wähler zu bemühen, die zur AfD gegangen sind. In der Flüchtlingsfrage habe die Linke es sich "zu leicht gemacht", sagte sie. "Da haben wir auch Menschen verprellt, die wir hätten gewinnen können."

In Sachsen fehle es an einer "demokratischen Mobilisierung der Gesellschaft"

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis ist die Linkspartei bei der Bundestagswahl auf 9,2 Prozent gekommen. Im Vergleich zu 2013 verbesserte sie sich damit um 0,6 Prozentpunkte leicht. Nachdem es am Sonntag zunächst so ausgesehen hatte, als würde die Linke im nächsten Bundestag die kleinste Fraktion bilden, gelang es ihr in einer nächtlichen Aufholjagd noch, die Grünen zu überholen. Die kamen auf 8,9 Prozent. "Über unser eigenes Ergebnis können wir uns freuen", sagte Parteichefin Katja Kipping am Montag. Bei unter 35-Jährigen sei die Linke auf elf Prozent gekommen; sie verfügt nun über fünf zusätzliche Sitze im Bundestag. Parteichef Riexinger betonte, seine Partei habe im Westen zugelegt und in Baden-Württemberg und Bayern mehr als sechs Prozent geholt.

Damit war das Ende der frohen Botschaften erreicht. In Sachsen, der Heimat von Katja Kipping, ist die AfD stärkste Kraft geworden. Die Linkenvorsitzende machte dafür auch die sächsische CDU verantwortlich. Sie habe "die Deutungsmuster der AfD übernommen" und diese durch "Kumpanei" stärker gemacht als in jedem anderen Bundesland.

In Sachsen fehle es an einer "demokratischen Mobilisierung der Gesellschaft", sagte Kipping. Lehrer schritten nicht ein, wenn Schüler Hakenkreuze auf den Heften hätten oder in Schultoiletten Hitler verherrlichten. "Da gibt es ein Regierungsversagen im Bildungsbereich." In Sachsen kam die AfD auf 27 Prozent, im linksregierten Thüringen auf 22,7, in Brandenburg auf 20,2 Prozent.

Auf die Frage, wie sich die Linke die überdurchschnittlichen AfD-Ergebnisse in allen neuen Bundesländern erkläre, reagierte Spitzenkandidat Dietmar Bartsch abwehrend. "Es ist nicht ausschließlich ein ostdeutsches Problem", sagte er. Seine Partei habe zugelegt und sehe für einen Kurswechsel keinen Anlass. Beim Thema Ostdeutschland allerdings müsse "nachjustiert" werden. Anders als früher kam die Linke in keinem ostdeutschen Bundesland über die 20-Prozent-Marke. Außer in Berlin lag sie im Osten überall hinter der AfD. Diese nahm der Linken 420 000 Wählerstimmen ab.

"Das sind keine Rassisten. Die sind sauer und fühlen sich zurückgesetzt"

Beim linken Spitzenpersonal schien es am Montag noch wenig Einigkeit zu geben, wie der Entwicklung zu begegnen ist. Während die Parteivorsitzenden den Rassismus der AfD mit aller Härte bekämpfen wollten, will Wagenknecht stärker auf Wechselwähler zugehen. Zwischen Linkspartei und AfD gebe es "eine nicht geringe Überschneidung des Wählerpotenzials", sagte sie. "Das sind keine Rassisten. Die sind sauer und fühlen sich zurückgesetzt." Die Linkspartei habe es sich in der Flüchtlingsfrage "zu leicht gemacht" und Wähler verprellt, statt sie für sich zu gewinnen.

Unklar blieb am Montag auch, wie die Linkspartei mit den Sozialdemokraten umgehen will, mit denen sie fortan in der Opposition sitzen wird. Thüringens Kultus- und Europaminister Benjamin-Immanuel Hoff, einer der Vordenker der Partei, empfahl im Freitag, historische Gräben zu überwinden.

Angesichts der neuen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag müsse die Linke sich "sehr genau überlegen", ob ihre Kraft ausreiche, eine künftige Jamaika-Koalition herauszufordern, gleichzeitig der AfD wirksam zu begegnen und wie bisher die SPD als "Hauptgegner in der politischen Auseinandersetzung zu verstehen". Hoff legte nahe, die "pathologischen Konfliktmuster" zwischen Linken und Sozialdemokraten zu überwinden, "um mit vereinten Kräften der AfD entgegenzutreten". Auch der "Gesprächsfaden" zu den Grünen dürfe nicht abreißen.

Das linke Spitzenpersonal in Berlin reagierte zurückhaltend auf die Frage einer Annäherung im linken Lager. Bewegen müsse sich die SPD, sagt Wagenknecht. "Sollte sie weiter einen solchen Kurs fahren, werden wir sie weiter kritisieren." Kipping kündigte an, "aus der Opposition heraus ein Kraftfeld für ökologisch-soziale Politik" zu befördern. Wenn SPD oder Grüne sich dem anschließen wollten, "soll es mich freuen". Immerhin verfüge das "fortschrittliche Lager" über gut 40 Prozent der Sitze.

© SZ vom 26.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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