Sportpolitik:Wolfgang Niersbach: Letzte Drinks mit alten Kameraden

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Wer wusste von den Millionen-Geschäften? Wolfgang Niersbach - hier im Dortmunder Fußballmuseum - war früher im Bilde als zugegeben. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)
  • Zwar ermittelt der Staatsanwalt gegen Wolfgang Niersbach.
  • Bei Fifa und Uefa hat er trotzdem noch Spitzenämter inne.
  • Die nächste Klüngelei bahnt sich schon an.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Auch Wolfgang Niersbach ist in diesen Tagen wieder mitten in der globalen Fußballfamilie. Zu Hause in Deutschland musste er im Zuge der Affäre um die WM 2006 zwar als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zurücktreten, der Staatsanwalt ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts auf schwere Steuerhinterziehung. Zur dreiköpfigen Delegation für das Fifa-Treffen in Zürich zählt er auch nicht. Aber der 65-Jährige sitzt noch immer als deutscher Vertreter im Vorstand des Weltverbandes Fifa wie auch der Europa-Union Uefa. Er ist gewählt bis 2019; es sind persönliche Ämter, und Niersbach verbreitet die Einschätzung, das bleibe auch so. Die Sommermärchen-Affäre sei bei der Fifa "nur ein Randthema", tat er kund, das deutsche Ansehen habe nicht weiter gelitten.

Das mag mit Blick auf die Kollegen im Weltverband sogar stimmen. Skandale gehören zur Fifa wie Ecken und Elfmeter zum Fußball. Aber manches spricht dafür, dass der langjährige DFB-Spitzenmann Niersbach zumindest in seiner bisherigen Funktion die letzten Drinks mit den Fifa-Kameraden nimmt. Denn an maßgeblichen Stellen ist die Affäre mehr als "nur ein Randthema".

Am 4. März, eine Woche nach den Präsidentschafts-Wahlen, soll die vom DFB eingesetzte Kanzlei Freshfields ihren Prüfreport zur Sommermärchen-Affäre vorlegen. Sie will darlegen, wer in der damaligen WM-Organisation wann was von den zweifelhaften Praktiken wusste - vor allem von jenem anrüchigen Geldkreislauf der zehn Millionen Franken oder umgerechnet 6,7 Millionen Euro zwischen dem damaligen Adidas-Eigner Robert Louis-Dreyfus, dem DFB und der Fifa in den Jahren 2002 und 2005.

Niersbach droht eine Sperre

Im Vergleich zu den parallel laufenden Strafermittlungen dürfte Freshfields eher an der Oberfläche operieren. Und dennoch wird der Report dem Fifa-Ethikkomitee wohl genügend Aufschlüsse geben. Zu dessen Aufgabe gehört es insbesondere, das Verhalten von Fifa-Vorständen zu prüfen. Dass dies im Fall Niersbach kaum als tadellos zu bewerten sein dürfte, lässt sich erahnen: Er wusste, so viel ist inzwischen klar, viel früher von den dubiosen Vorgängen, als er zugab. Gegen Niersbach wird nicht nur ermittelt, es mehren sich auch die Hinweise, dass er über Monate, vermutlich sogar über drei Jahre hinweg weniger vom DFB als vielmehr von sich selbst Schaden abzuwenden versuchte. Die Eröffnung eines Verfahrens des Ethik-Komitees gegen Niersbach scheint unausweislich zu sein. Dann droht eine Sperre.

Noch ernster wird es, wenn die Strafermittler richtig loslegen. Die Affäre steht auf der Prioritätenliste der amerikanischen Justiz, von der viele jetzt rund um die Fifa-Wahl in Zürich wieder Aktivitäten befürchten, an Nummer drei. Auch die Schweizer Strafbehörden verfolgen die Causa mit hohem Interesse. Deswegen erteilten sie den Kollegen aus Frankfurt, die wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung ermitteln, ungewöhnlich rasch die Erlaubnis für eigene Vernehmungen in der Schweiz. Zugleich spricht immer mehr dafür, dass die deutschen Bewerber kurz vor dem Zuschlag für die WM 2006 im Juli 2000 Jack Warner ins Boot geholt haben, den ungekrönten Weltmeister aller Fifa-Korruptionäre. Die damals beteiligten Deutschen behaupten zwar unisono, der Mann aus der Karibik habe ihnen stets signalisiert, sie könnten auf keinen Fall mit seiner Stimme rechnen. Aber einen Beleg dafür gibt es nicht, stattdessen zunehmend Zweifel an dieser These.

Da ist ein Vertrag voller Geschenke, den der deutsche Chef-Bewerber Franz Beckenbauer nur Tage vor der Kür mit Warner besiegelte; die heutige DFB-Spitze stuft ihn als korruptionsverdächtig ein. Im Juli 2013 versicherte der inzwischen verstorbene Elias Zaccour, einer der Geheimräte der deutschen Bewerber, dass die These vom einheitlichen Votum der acht Europäer und vier Asiaten im Fifa-Vorstand für Deutschland eine fromme Mär sei. Der Südkoreaner Chung sei ausgeschert, Warner aber habe die notwendige zwölfte Stimme geliefert. Zaccour hatte im Zuge der WM-Bewerbung einen Beratervertrag vom damaligen WM-Rechtehalter Leo Kirch erhalten.

Zu Zaccours Aussage passt ein Vermerk, den jüngst der Spiegel präsentierte und dessen Existenz informierte Kreise der Süddeutschen Zeitung bestätigten. In einer Protokollnotiz aus dem Frühjahr 2000 hielten die Bewerber fest, dass ihnen der damalige Asien-Chef Mohamed Bin Hammam aus Katar nur drei der vier erhofften Asien-Voten zusagen könne; der vierte Mann sei von der Fahne gegangen. Der SZ liegt zudem ein Brief des Katarers an den Südkoreaner Chung vor, in dem dieser fragt, auf welcher Seite Chung gestanden habe.

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Nicht aus Überzeugung, sondern aus Kalkül

Falls Warner tatsächlich für Deutschland votierte, ist kaum vorstellbar, dass er das ohne Gegenleistung tat. Der Prüfansatz der Ermittler, ob die 6,7 Millionen Euro am Ende nicht im Bereich von Jack Warner landeten, klingt da nachvollziehbar.

Den DFB vertritt in Zürich die in der Sommermärchen-Sache unbelastete Interims-Verbandsspitze um Rainer Koch und Liga-Chef Reinhard Rauball sowie der designierte Präsident Reinhard Grindel. Ihre Stimme bei der Präsidentschaftswahl soll Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino bekommen - nicht aus Überzeugung, sondern aus Kalkül. Es geht mal wieder um den Zuschlag für ein großes Turnier: Die Fußball-EM 2024 ist Deutschland zwar in der Niersbach-Ära fest zugesagt worden, noch fehlt aber der offizielle Stempel. Da wollen die Deutschen nicht unangenehm auffallen. Diese Vergabe dürfte dann ein Beispiel üblicher sportpolitischer Klüngelei werden - aber wohl keine Affäre auslösen, die Jahre später die Fußballwelt beschäftigt.

© SZ vom 25.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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