Debatte über Grundgesetz-Referendum:Lammert hält verfassungsgebende Versammlung für vorstellbar

Im Zuge der Euro-Krise gibt Deutschland immer mehr Kompetenzen an die Europäische Union ab. Soll es darüber eine Volksabstimmung geben? Bundestagspräsident Lammert hält dies nicht für notwendig - er sieht andere Möglichkeiten, das Grundgesetz zu verändern.

Zurückhaltend hat sich Bundestagspräsident Norbert Lammert zu einer Volksabstimmung über ein neues Grundgesetz geäußert. Bei einer weiteren Verlagerung nationaler Kompetenzen auf die EU-Ebene hält er einen Volksentscheid nicht für zwingend: Eine "entscheidungsreife Frage", die "Gegenstand einer Volksabstimmung" sein könne, sehe der CDU-Politiker nicht, dennoch begrüße er die Debatte darüber. Die Diskussion sei unvermeidlich, müsse aber "mit der gebotenen Sorgfalt" geführt werden.

Er begrüßt die Diskussion um eine mögliche Volksabstimmung bei Verlagerung von Kompetenzen auf die EU-Ebene, ist aber selbst dagegen: Bundestagspräsident Norbert Lammert. (Foto: dapd)

Er könne sich statt einer Volksabstimmung auch andere Verfahren als ein Referendum vorstellen, sagte Lammert. Die Möglichkeit, das Grundgesetz zu verändern, böten zum Beispiel auch verfassungsändernde Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat. Auch sei die "Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung vorstellbar", über deren Ergebnis dann eine Volksabstimmung stattfinden könne, aber nicht müsse.

Lammert sprach sich zugleich für eine Verstärkung der politischen Integration Europas aus: "Ein ganz wesentlicher Kern der Probleme des europäischen Integrationsprozesses besteht in der Asymmetrie zwischen der ökonomischen Integration, die sehr weit gediehen ist, und der politischen Integration, die nicht annähernd so weit vorangetrieben wurde", kritisierte der CDU-Politiker. Es müsse daher eine "weitere Stärkung europäischer Kompetenzen geben".

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte gesagt, wenn Deutschland im Zuge der Euro-Krise mehr und mehr Rechte an die Europäische Union abgebe, müsse darüber eine Volksabstimmung entscheiden. Schäuble berief sich auf Bundesverfassungsgerichts-Präsident Andreas Voßkuhle, der gesagt hatte: "Wenn wir einen europäischen Bundesstaat schaffen, dann brauchen wir eine neue Verfassung und dann muss das Volk beteiligt werden."

© Süddeutsche.de/AFP/dpa/soli - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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