CSU-Landesgruppenchefin Hasselfeldt:Zum Betreuungsgeld konvertiert

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Gerda Hasselfeldt begann zwei Monate nach der Geburt ihrer Kinder wieder zu arbeiten - und das während der siebziger Jahre in den Tiefen des Bayerischen Waldes. Jetzt setzt die CSU-Frau gegen den Widerstand vieler Christdemokratinnen das Betreuungsgeld durch.

Robert Roßmann, Berlin

CSU-Frau Gerda Hasselfeldt hat schon in den Siebzigern Emanzipation gelebt. Nun setzt sie das Betreuungsgeld durch.  (Foto: dapd)

Gerda Hasselfeldt ist - das darf man sagen - keine junge Frau mehr. Die grauhaarige Großmutter des Parlamentsbetriebs stammt aus einer anderen Zeit: Als Nachrückerin von Franz Josef Strauß kam sie vor einem Vierteljahrhundert in den Bundestag. Unter Helmut Kohl war sie Ministerin. 62 Jahre ist die Christsoziale inzwischen alt, gerade kam Enkelin Sarah auf die Welt. Und so hat es kaum einen überrascht, dass diese Gerda Hasselfeldt jetzt das Betreuungsgeld durchsetzt.

Auf den ersten Blick passen sie ja wunderbar zusammen, die vermeintlich altbackene Familienleistung und die ältere Frau aus der Strauß-Kohl-Union. Dabei zeigt gerade diese Geschichte, dass der erste Blick oft der falsche ist. Aber dazu später.

An diesem Freitag soll der Bundestag das Betreuungsgeld verabschieden. Dass dies trotz des jahrelangen Widerstands vieler CDU-Frauen zu gelingen scheint, liegt maßgeblich an Hasselfeldt: Als CSU-Landesgruppenchefin war sie die Berliner Speerspitze ihrer Partei im Kampf um das "Herzensanliegen" Horst Seehofers. Außerdem hatte sie die Federführung bei den Gesprächen in der Unionsfraktion.

Betreuungsgeld und Kita-Ausbau seien zwei Seiten einer Medaille, sagt die CSU-Politikerin. Deshalb müsse endlich auch das Betreuungsgeld eingeführt werden. Nun, so reden sie fast alle in der Union. Es aus dem Munde Hasselfeldts zu hören ist angesichts ihrer Biografie allerdings erstaunlich - hat die Landesgruppenchefin doch ein Leben gelebt, wie es die rothaarigen Frauen von der SPD so gerne hätten: Gerda Hasselfeldt, die scheinbar Biedere, hat in den Tiefen des Bayerischen Waldes schon in den siebziger Jahren Emanzipation gelebt.

"Für uns war es nicht immer leicht"

"Mein Sohn kam 1977 auf die Welt, damals hatten wir auf dem Land noch keine Krippenplätze", sagt die Landesgruppenchefin, "für uns war es nicht immer leicht." Elternzeit und -geld habe es ja noch nicht gegeben. 26 Jahre war sie damals alt. Zusammen mit ihrem Mann wohnte Hasselfeldt im Städtchen Regen - arbeitete aber im drei Autostunden entfernten München. Im Bayerischen Wald blieben Frauen damals zu Hause, wenn das erste Kind kam. "Das wollte ich nicht", sagt Hasselfeldt.

Sie habe deshalb nur den gesetzlichen Mutterschutz genommen - "sechs Wochen vorher, acht Wochen nachher". Zwei Monate nach der Geburt saß sie wieder an ihrem Schreibtisch in München. Abschnittsleiterin im Arbeitsamt war sie damals. Um den Sohn kümmerten sich in dieser Zeit der Mann und die Schwiegermutter. Wegen der langen Wege nahm sie sich eine kleine Wohnung in München - als Übernachtungsplatz in der Woche. "Manchmal habe ich meinen Sohn mehrere Tage nicht gesehen", sagt Hasselfeldt.

1978 wechselte sie deshalb ans näher gelegene Arbeitsamt Deggendorf. 1983 bekam sie dann eine Tochter, zu arbeiten hörte sie trotzdem nicht auf. "Es war nicht einfach, auch weil ich gleichzeitig anfing, Politik zu machen - aber es ging", sagt sie heute. Ihr Mann, ein Lehrer, arbeitete nur noch Teilzeit. Von den Nachbarn in der bayerischen Provinz der Achtzigerjahre musste er sich dafür dumme Sprüche anhören.

Richtig hart wurde es aber erst danach. 1987 kam Hasselfeldt in den Bundestag. 1989 wurde sie Bauministerin. 38 Jahre war sie damals alt - so jung wie Karl-Theodor zu Guttenberg als Verteidigungsminister. Außerdem übernahm sie den Wahlkreis Fürstenfeldbruck westlich von München. Mit der deutschen Einheit wurde aus dem ansonsten eher geruhsamen Amt des Bauministers ein Knochenjob. 1991 berief Kohl sie dann auf den vermutlich härtesten aller Kabinettsposten: Die CSU-Politikerin wurde Gesundheitsministerin.

Acht Jahre war ihre Tochter damals als, der Sohn 14. Das ging nicht gut: Das neue Ressort mit seinen Abgründen, der Kampf mit den Lobbyisten, die Situation zu Hause. Hasselfeldt war überfordert, trat nach 15 Monaten im Amt aus "gesundheitlichen Gründen" zurück. In der Zeit scheiterte auch ihre Ehe. "Ich zog 1991 zusammen mit dem Sohn aus, meine Tochter blieb bei ihrem Vater", sagt sie. Neuer Gesundheitsminister wurde damals übrigens Seehofer.

Zwei Jahrzehnte ist das jetzt her. Inzwischen hat sich die CSU-Politikerin längst wieder nach oben gearbeitet. In der Unionsfraktion wurde sie erst finanzpolitische Sprecherin, dann stellvertretende Vorsitzende. 2005 wählte sie der Bundestag zu seiner Vizepräsidentin.

Jeder soll sein Modell leben - ohne staatliche Bevorzugung Einzelner

Eigentlich dachten alle, das würde ihr Austragsstüberl. Doch dann musste Guttenberg im März 2011 zurücktreten. In der CSU drehte sich das Personal-Karussell. Und am Ende war Hasselfeldt Chefin der CSU-Landesgruppe. Vor zwei Monaten wurde sie dann auch noch zur Spitzenkandidatin der CSU für die Bundestagswahl gekürt - ebenfalls als erste Frau in der Geschichte der Partei. Außerdem lebt Hasselfeldt längst in zweiter Ehe mit dem früheren CSU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Zeitlmann zusammen. Ihr Sohn ist inzwischen selbst in der Politik, als dritter Bürgermeister. Und die kleine Sarah ist bereits das dritte Enkelkind.

Wer Hasselfeldt nun fragt, wie ausgerechnet jemand mit so einer Biografie das Betreuungsgeld durchsetzen könne, bekommt eine nachdenkliche Antwort. "Ja, ich komme in der Diskussion von der anderen Seite", sagt sie. Hier sei sie eine "Konvertitin". Aber inzwischen habe man ja den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz beschlossen. Die Lage sei also nicht mehr so wie in den siebziger Jahren im Bayerischen Wald. 1000 Euro koste ein Krippenplatz monatlich den Staat. Da sei es doch nur fair, dass Eltern, die ihr Kind nicht in eine staatliche Einrichtung geben, 150 Euro Betreuungsgeld bekämen.

"Ich will nicht, dass sich Mütter für ihre jeweilige Biografie und den Weg der Kindererziehung rechtfertigen müssen", sagt Hasselfeldt. Jeder solle sein Modell leben können. Der Staat dürfe hier niemanden bevorzugen. "Deshalb bin ich vom Betreuungsgeld überzeugt, denn es schafft echte Wahlfreiheit." Wer sie so reden hört, fühlt sich schnell an Angela Merkel erinnert: dieses brutal Pragmatische, Unideologische, Zurückhaltende und Effiziente. Kein Wunder, dass die beiden sich so gut verstehen.

© SZ vom 09.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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