China:Peking rückt vom nervigen Nachbarn ab

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Eine Flagge vor der Botschaft Nordkoreas in Peking. (Foto: AFP)
  • Weil Nordkorea mit jedem Raketentest mehr provoziert, verliert inzwischen auch der große Nachbar aus China die Geduld.
  • In der Nacht auf Mittwoch verurteilte Peking zusammen mit den anderen Nationen im UN-Sicherheitsrat den jüngsten Raketentest Pjönjangs.
  • Doch China forciert nicht den Sturz von Kim Jong-un.

Von Kai Strittmatter, Peking

Chinas Führung wird von Raketentest zu Raketentest nervöser. Die übliche Mahnung sowohl an Nordkorea, als auch an die USA zu "Zurückhaltung", "Vorsicht" und "Deeskalation" fehlte auch an diesem Dienstag nicht in der Pressekonferenz des Außenministeriums in Peking. Dann aber warnte die Sprecherin, man befinde sich nun "an einem Wendepunkt", die Situation drohe sich "zur Krise auszuwachsen". Für chinesische Verhältnisse sind das Alarmglocken.

Peking sieht sich selbst in einem Dilemma. Einerseits ist China der letzte Alliierte, vor allem der letzte große Handelspartner Nordkoreas: 90 Prozent allen nordkoreanischen Handels laufen über China. Einen Sturz des Regimes möchte Peking auf keinen Fall, schon deshalb nicht, weil es dann mit US-Truppen an den Grenzen rechnen müsste. Andererseits ist das Verhältnis von Chinas Führung zu Nordkoreas Kim Jong-un von Abneigung geprägt. China war immer gegen die nukleare Bewaffnung Nordkoreas, auch deshalb hat es schon mehrmals im UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen Nordkorea mitgetragen. Zuletzt stellte sich Peking zusammen mit der Staatengemeinschaft in der Nacht auf Mittwoch gegen Nordkorea und verurteilte den Abschuss einer Rakete über Japan hinweg.

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Allerdings hat das Land die Sanktionen nicht immer mit großem Enthusiasmus umgesetzt, Beobachter meinen, dass chinesische Firmen und Institutionen sie regelmäßig unterliefen. Diesmal scheint das ein wenig anders zu sein. Vielleicht sind es die zunehmend spektakulären Provokationen des Kim-Regimes, vielleicht ist es der Druck von US-Präsident Donald Trump, der China mit Handelssanktionen droht, wenn es nicht den Druck auf Nordkorea erhöht.

Jedenfalls wird China seit ein paar Monaten in einem Maße aktiv, wie man das nicht kannte. Importe aus Nordkorea werden ausgesetzt. Und erstmals gibt es offenbar auch Maßnahmen gegen das System nordkoreanischer Zwangsarbeiter, die in chinesischen Fabriken als Leihgabe Pjöngjangs arbeiten. Das alles kostet die Regierung Nordkoreas wertvolle Devisen.

Schon vor fünf Monaten verfügte Peking einen Stopp aller Kohleimporte aus Nordkorea, südkoreanischen Quellen zufolge kostete das Nordkorea bislang eine halbe Milliarde Dollar. Nach der letzten Resolution des UN-Sicherheitsrates verkündete Peking, der Importstopp werden jetzt auch auf Eisenerz, Blei und Meeresfrüchte ausgedehnt.

Diese Woche nun - noch vor dem Raketentest vom Dienstag - verkündete das Handelsministerium in Peking, von nun an dürfe kein Nordkoreaner mehr in China eine Firma gründen, auch nicht als Joint Venture mit einem chinesischen Partner. Solche Firmen aber sind ein wichtiges Glied in der Geldbeschaffungskette Pjöngjangs: Nordkoreanische Spezialitätenrestaurants in Peking oder Shanghai dienten dem Regime ebenso als Devisenquelle wie offen oder verdeckt arbeitende Handelsfirmen.

Auch hat Chinas neue Entschlossenheit nun offenbar das global operierende Leiharbeitersystem Pjöngjangs erreicht. Ein Bericht der UN hatte im Jahr 2015 die Zahl der Leiharbeiter aus Nordkorea auf 50 000 geschätzt, Menschenrechtler vermuten eine weit höhere Dunkelziffer. Das sind Arbeitstrupps, die das Regime - politische Aufpasser inklusive - in insgesamt 16 Staaten weltweit schickt.

Die Auftraggeber bezahlen den nordkoreanischen Staat, die Arbeiter selbst bekommen 120 bis 150 Dollar im Monat bezahlt und schuften dafür bis zu 20 Stunden täglich, mit einem oder zwei freien Tagen im Monat. Der Lohn wird den Arbeitern oft vorenthalten, bis sie in der Regel nach drei Jahren ausgetauscht werden gegen einen neuen Trupp. Der UN-Bericht spricht von Zwangsarbeit, Menschenrechtler von Sklavenarbeit. Die meisten dieser Arbeiter sind nach Russland und nach China entsandt, dort oft in Textilfabriken.

Die UN-Resolution 2371 verbietet es allen Ländern nun, neue Leiharbeiter aus Nordkorea anzufordern. Wie das südkoreanische Nachrichtenportal Daily NK vergangene Woche meldete, scheint China zumindest mancherorts nun noch einen Schritt weiterzugehen: In der Provinz Jilin, so Daily NK unter Berufung auf chinesische Quellen, hätten chinesische Fabriken ihre nordkoreanischen Partner informiert, dass sie die Verträge stornieren und in Zukunft auf die Leiharbeiter verzichten wollten. Allein im Industriegebiet des Hunchun Factory Parks wären davon 8000 nordkoreanische Arbeiter betroffen.

Das chinesisch-nordkoreanische Handelsvolumen insgesamt allerdings war im Juli trotz Sanktionen und Importstopps im Vergleich zum Vorjahr gewachsen: von 426 Millionen Dollar auf 489 Millionen Dollar. Das Wachstum ging Zahlen der chinesischen Zollverwaltung zufolge auf einen Anstieg chinesischer Exporte nach Nordkorea zurück: Nordkorea importiert aus China Maschinen, Getreide, Lebensmittel, Autos, Plastik, aber auch Öl.

© SZ vom 30.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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