CDU-Party für Merkel:Visionsfrei zurück zur Volkspartei

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Partyzone Konrad-Adenauer-Haus: Die CDU bejubelt Merkel (Foto: dpa)

Angela Merkel feiert ihren Sensationssieg voll Demut - die Kanzlerin will "sorgsam" damit umgehen. Szenen der Partei-Feier für die Frau, die fast ohne Visionen den Wahlkampf bestritten hat: Wie die Union sich freut, die letzten Volksparteien der Republik zu stellen.

Von Michael König, Berlin

Die kleinen Augen, die hängenden Mundwinkel - Angela Merkel sieht müde aus, als sie an diesem Samstag in ihren Dienstwagen steigt. Auf den Fotos, die sie hinter der Autoscheibe zeigen, erinnert sie an Konrad Adenauer. 65 Auftritte hat Merkel im Wahlkampf absolviert, ihren Anhängern immer wieder eingebläut: Deutschland geht es gut. Wir wollen so weitermachen. Beide Stimmen für die CDU.

Es hat sich gelohnt. Und wie. 42 Prozent für die Union. Mindestens. Das beste Ergebnis der Union seit 1990.

Es ist ein Triumph. Ihr Triumph.

Als die amtierende und künftige Bundeskanzlerin am Sonntagabend kurz nach 18 Uhr in Berlin auf die Bühne im Konrad-Adenauer-Haus tritt, merkt man ihr die Strapazen nicht mehr an. Angela Merkel sieht blendend aus. Vor ihr drängeln und schubsen sich euphorisierte Anhänger wie auf einem Punkkonzert. Geballte Fäuste, gereckte Arme, knipsende Smartphones in der Luft. Die gesamte Parteizentrale guckt zu, Sektgläser werden verteilt. Gelöste Gesichter.

Merkel ist das beinahe zu viel. Sie verzichtet auf Jubelposen, formt ihre Hände zur berühmten Raute. Sie will reden, aber sie kommt nicht an gegen den Lärm. "So", sagt sie ins Mikrofon, doch das facht die Party nur weiter an. "Angie! Angie! Angie!" skandieren die Anhänger. Und singen: "So ein Tag, so wunderschön wie dieser." Erst nach minutenlangem Beifall darf die Kanzlerin ran. "Der Jubel zeigt, wir können uns alle freuen."

Was für ein Satz. Was für eine Einleitung.

Keine Euphorie, nein, das ist fast eine Distanzierung. Das ist Demut. Das ist Merkel. Sie wolle mit dem Ergebnis "vertrauensvoll und sorgsam umgehen", sagt sie und dankt minutenlang allen Wahlkämpfern, der CSU, "und meinem Mann, der da drüben an der Seite steht". Sie setzt ihre Wahlkampflinie fort, sie weiß um ihr Erfolgsrezept.

Ihre persönlichen Zustimmungswerte waren schon immer bombastisch, aber bei Bundestagswahlen machten viele Wähler die Kreuze doch lieber woanders. 35,2 Prozent holte die CDU 2005, eine Enttäuschung. 33,8 Prozent waren es 2009, noch schlechter. Nur dank der FDP konnte Merkel ihre Wunschkoalition bilden.

Jetzt, mit 42 Prozent, sagt sie: "Die Union, das sind Volksparteien." Es ist der einzige Anflug von Genugtuung in ihrer Rede. Merkel ist diejenige, die die CDU neben der bayerischen Schwester CSU wieder zur Volkspartei gemacht hat. In einer Zeit, in der die SPD nicht mal annähernd an die 30-Prozent-Marke herankommt.

Merkel hat geschafft, woran die Sozialdemokraten verzweifelten: Sie hat die Menschen beseelt, ihnen ein Wir-Gefühl gegeben, sie hinter sich versammelt. Ihre Wahlkampf-Reden waren geprägt von positiven Nachrichten. Kaum Kritik an der Opposition, von Sticheleien mal abgesehen. Stattdessen: Arbeitsmarkt gut, Bildung und Forschung gut, Familienpolitik gut. Außer einer Anpassung der Mütterrente und mehr Geld für Eltern gab es kaum Versprechen.

Eine Vision für die kommenden vier Jahre? Fehlanzeige. Dass die CDU viel Führungspersonal verschlissen hat, dass es Skandale um den Euro Hawk gab und um die NSA-Internetüberwachung - den Menschen war es offenkundig egal. Die einen sahen in der Kanzlerin wohl das kleinere Übel, die anderen mögen Merkel für ihre empathische Art. "Ich mag ihre Politik nicht, aber bei ihr als Person hab ich ein gutes Gefühl": Das war ein oft gehörter Satz im Wahlkampf.

Dieses Gefühl reicht bis tief in die CDU hinein. Merkel ist unumstritten, jetzt mehr denn je. Dass sie viele Landtagswahlen verloren und etliche konservative Kernpositionen ausgeräumt hat, ist vorläufig vergessen. Dass ihr in der FDP ein wichtiger Koalitionspartner gleich ganz abhandengekommen ist, kann der Union zunächst egal sein.

Sie geht gestärkt in die kommenden Wochen und Monate. "Es ist zu früh zu sagen, wie wir vorgehen", sagt sie am Sonntagabend, in der Stunde des Triumphs. "Aber feiern dürfen wir schon jetzt. Denn wir haben ..." Der Rest geht im Jubel unter.

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