Camerons Niederlage bei Syrien-Abstimmung:Rückzug vom Aufmarsch

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David Cameron auf dem Weg ins Parlament. Die kriegsmüden Briten haben ihrem Premier eine überraschende Niederlage beschert. (Foto: Getty Images)

Der britische Premier David Cameron hat sich in der Rolle eines Westentaschen-Churchills versucht, die kriegsmüde Bevölkerung hat ihn grandios abgestraft. Die Briten werden sich deshalb nicht gleich aus der Weltpolitik verabschieden - doch Cameron wird diesen Gesichtsverlust nie mehr ausgleichen können.

Ein Kommentar von Stefan Kornelius

Die USA haben Indizien vorgelegt, die eine Urheberschaft des syrischen Regimes für die Giftgasangriffe in Damaskus belegen sollen. Ein lückenloses Verfahren war nicht zu erwarten, aber Machthaber Baschar al-Assad darf sich schwer belastet fühlen. Wenn er Belege für eine andere Urheberschaft des Angriffs hat, muss er sie jetzt vorlegen. Ansonsten sprechen die amerikanischen Erkenntnisse und die Motive allesamt gegen das Regime.

Das bedeutet noch lange nicht, dass es jetzt zu einem Luftschlag kommen muss. Allerdings haben auch die politischen Entwicklungen der letzten Tage einen US-Angriff nicht unwahrscheinlicher werden lassen. Denn zum zweiten Mal hat das britische Parlament die politische Gleichung in der Syrien-Krise verändert.

Pressereaktionen
:"Vernichtender Schlag gegen Camerons Autorität"

Britische Journalisten sind sich einig: Dass das britische Parlament gegen einen Militäreinsatz in Syrien stimmt, ist für David Cameron eine Demütigung.

Die erste Entscheidung - Inspektionen und die Bemühungen im UN-Sicherheitsrat seien abzuwarten - hat die Chance auf einen diplomatischen Durchbruch im letzten Augenblick eröffnet. Die zweite Entscheidung - Großbritannien werde sich nicht an einem Militärschlag beteiligen - hat diese Chance zumindest geschmälert, wenn nicht gar zerstört. Zum zweiten Mal hat das britische Parlament die politische Gleichung in der Syrien-Krise verändert.

Cameron fehlt jedes politische Gespür

Das britische Parlament hat eine respektable und wuchtvolle Entscheidung getroffen. Man kann sie für richtig oder falsch halten, aber sie ist bindend. Es handelt sich um ein Votum gegen den Premier, das erstens die Stimmung einer kriegsmüden Bevölkerung spiegelt. Die Abstimmung zeugt zweitens vom Dilettantismus David Camerons der in diesem Jahr schon bei anderer Gelegenheit bewiesen hat, dass ihm jedes politische Gespür fehlt.

Eilfertig und präpotent versuchte sich der Premier in der Rolle eines Westentaschen-Churchills. Nun ist Cameron grandios gescheitert. Die Briten werden sich deswegen nicht gleich aus der Weltpolitik verabschieden das ist eine albern-hysterische Vorstellung. Verabschieden müsste sich nach allen Regeln des Handwerks aber der Premierminister von seinem Amt.

Für den amerikanischen Präsidenten Barack Obama, der einen Luftschlag in Syrien nie wollte, bringt die Abstimmung ein doppeltes Problem: Wenn er keine militärische Koalition vorweisen kann, wird er im eigenen Land noch weniger Unterstützung bekommen. Und zweitens wird der Kongress nun ebenfalls Begehrlichkeiten zeigen und dem ungeliebten Commander in Chief Fesseln anlegen wollen. Obama wird das ignorieren. Aber die hässliche Wahrheit bleibt: Seine Entscheidung für oder wider einen Militärschlag reduziert sich immer mehr zu einem Nachweis der verbliebenen Autorität. Das ist zu wenig.

Die innenpolitischen Turbulenzen in Großbritannien und den USA muss man nicht bedauern - glücklicherweise funktionieren parlamentarische Demokratien so. Die deutsche Kanzlerin könnte ihren Kollegen ein paar Tipps geben. Aber dennoch bleibt ein Ärgernis: Obama, der sich aus inneramerikanischer Logik allemal nicht sehr um das Urteil der Vereinten Nationen und um Russland scheren muss, wird versucht sein, den nötigen politischen Prozess abzukürzen.

Russland hat bereits angekündigt, dass jede Resolutionsdebatte verlorene Liebesmüh sein wird. Die Chancen auf einen politischen Kompromiss schrumpfen also dramatisch. Die Welt reagiert auf einen Giftgasangriff mit Apathie. Damit sollte niemand zufrieden sein. Es reicht, wenn sich der Diktator in Syrien freut. Sein Krieg hat den Westen erreicht.

© SZ vom 31.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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