Bundespräsident:Opposition stellt Bedingung für Wulff-Nachfolge

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Die Kanzlerin will die Opposition bei der Suche nach einem Nachfolger für Christian Wulff einbinden - und die diktiert Merkel nun eine zentrale Bedingung: Der Nachfolger dürfe kein Mitglied der Bundesregierung sein. Die SPD erneuert indes die Empfehlung, Joachim Gauck zum Staatsoberhaupt zu wählen - und erhält prominente Unterstützung aus der FDP.

Nach dem Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff hat die Opposition der Koalition erste Bedingungen für einen gemeinsamen Kandidaten genannt. So schlossen SPD und Grüne ein Mitglied der Bundesregierung als Nachfolger kategorisch aus.

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Integer sollte er sein, um verlorenes Vertrauen in das Amt wiederzugewinnen. Er sollte über ein staatsmännisches Auftreten verfügen und in wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen Stellung beziehen - und am besten auch noch weiblich sein. Doch wer erfüllt die hohen Ansprüche an das Amt des Bundespräsidenten?

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Die Spitzen von Union und FDP setzen am Samstag ihre Beratungen fort. Die Koalition müsse sich schon "bisschen mehr Mühe geben und etwas breiter gucken", erklärte der SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier am Freitagabend in der ARD. Ähnlich äußerte sich Grünen-Chef Jürgen Trittin.

"Es rächt sich jetzt, dass Frau Merkel den SPD-Vorschlag, nach einem überparteilichen Kandidaten zu suchen, abgelehnt hat. Die Kanzlerin muss diesen Fehler diesmal wieder gut machen", betonte auch SPD-Fraktionsvize Florian Pronold gegenüber Handelsblatt Online.

Unionsfraktionschef Volker Kauder verwies auf die schwarz-gelbe Mehrheit in der Bundesversammlung und erklärte, einen Kandidaten von Gnaden der SPD werde es nicht geben. Wichtig sei nun, dass sich Union und FDP zunächst auf das weitere Vorgehen einigten, sagte Kauder der Bild am Sonntag. Erst danach werde die Koalition auf SPD und Grüne zugehen.

In der Koalition war unter anderem Verteidigungsminister Thomas de Maizière als Kandidat gehandelt worden. Genannt wurde auch Finanzminister Wolfgang Schäuble und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. De Maizière hatte allerdings bereits gestern selbst abgewunken und die Spekulationen als "abwegig" bezeichnet.

Die Piratenpartei erwägt unterdessen die Nominierung eines eigenen Kandidaten für die Nachfolge von Wulff. "Wir Piraten sind offen für Vorschläge der Regierungskoalition und der anderen Bundestagsparteien. Aber wir können uns auch vorstellen, einen eigenen Kandidaten zu nominieren", sagte der Parteivorsitzende Sebastian Nerz der Zeitung Bild am Sonntag.

Kandidat muss parteiübergreifend getragen werden

Kauder mahnte eine rasche Einigung auf einen Kandidaten an: "Es würde dem Land guttun, wenn wir zu einer schnellen Lösung kämen." Für die Nachfolge empfahl er einen erfahrenen Politiker. So hätten alle bisherigen Bundespräsidenten Erfahrungen in politischen Ämtern gehabt, bevor sie Staatsoberhaupt geworden seien. Dies sei durchaus ein Vorteil gewesen.

Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) sprach sich für einen Kandidaten aus, der parteiübergreifend getragen werde. Die Haltung des neuen Staatsoberhaupts sollte zu einer neuen Kultur zwischen Politik, Gesellschaft und Medien beitragen, sagte die CDU-Politikerin der Welt am Sonntag. Zugleich warnte sie davor, zu früh Namen zu nennen. "Jetzt das Personalkarussell zu drehen, hilft nicht weiter."

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und der SPD-Fraktionschef Steinmeier sprachen sich dagegen erneut für den ehemaligen Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, Joachim Gauck, aus. "Er ist nach wie vor unser Favorit für dieses Amt", sagte Gabriel der Bild am Sonntag. In den anstehenden Gesprächen mit der Koalition wolle die SPD für Gauck werben, aber nicht auf ihm als Kandidaten beharren. Steinmeier fügte hinzu: "Der Vorschlag Gauck bleibt natürlich ein Vorschlag, den wir vor anderthalb Jahren gut fanden - und ich finde, er hat an seinen Qualitäten nichts verloren."

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In der FDP fand Gauck als potenzieller Wulff-Nachfolger Zuspruch. "Die Menschen brauchen vor allem wieder Vertrauen in das Amt des Präsidenten - und das bekommen sie mit einem Kandidaten Joachim Gauck. Ich würde ihn sofort wählen", sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende im schleswig-holsteinischen Landtag, Wolfgang Kubicki, dem Hamburger Abendblatt.

Der ehemalige Innenminister Gerhart Baum bescheinigte Gauck eine große persönliche Glaubwürdigkeit und Ansehen. "Gauck könnte das Amt des Bundespräsidenten wieder zu dem Rang erheben, den es verdient", sagte der FDP-Politiker der Welt am Sonntag.

Töpfer, Göring-Eckardt oder doch Lammert?

Nach Wulffs Rücktritt hat Bundeskanzlerin Angela Merkel das Ziel ausgegeben, gemeinsam mit SPD und Grünen einen Kandidaten zu finden. Bereits am Freitagabend lotete Merkel mit Vizekanzler und FDP-Chef Philipp Rösler sowie CSU-Chef Horst Seehofer die Optionen aus. Für Samstagvormittag ist ein weiteres Treffen geplant, an dem auch die Fraktionsvorsitzenden von Union und FDP teilnehmen sollten. Ziel ist es nach Koalitionsangaben, seitens des schwarz-gelben Bündnisses einen oder mehrere Kandidaten zu benennen, um sie der Opposition vorzuschlagen.

Sympathien bei Union, Grünen und SPD genießt der ehemalige Chef des UN-Umweltprogramms, Klaus Töpfer. Gegen ihn gibt es aber Vorbehalte in der FDP, die ein schwarz-grünes Signal auf Bundesebene fürchtet. Gleiches gilt für die Grünen-Politikerin und Vize-Bundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt, deren Name ebenfalls fällt. Außerdem gehandelt werden Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann.

Die Linkspartei forderte von der Bundeskanzlerin eine Beteiligung an der Suche nach einem neuen Bundespräsidenten. "Merkel wäre gut beraten, nach einer Lösung mit allen im Bundestag vertretenen Parteien zu suchen", sagte Parteichef Klaus Ernst der Rheinischen Post. Merkel hatte bereits direkt nach Wulffs Rücktrittserklärung die Oppositionsparteien ausdrücklich zur gemeinsamen Suche eines neuen Kandidaten eingeladen - mit Ausnahme der Linkspartei.

© Süddeutsche.de/Reuters/dapd/mkoh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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