Bürgerentscheid in Frankfurt:Sepp Blatter soll den Pferdesport retten

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"Unser Mitarbeiter des Monats" - Sepp Blatter, hier Anfang Juni bei der Ankündigung seines Rücktritts als Fifa-Präsident, macht Pferdesportfreunden Hoffnung. (Foto: AP)
  • Frankfurts Pferdesportfreunde wollen mit einem Bürgerentscheid verhindern, dass der DFB ihre Galopprennbahn in ein Fußball-Trainingszentrum umwandelt.
  • Bislang drohte das Referendum an mangelndem Interesse zu scheitern. Doch jetzt hoffen die DFB-Gegner auf Rückenwind durch den Fifa-Skandal.

Von Susanne Höll, Frankfurt

Es gibt tatsächlich Menschen in Deutschland, denen der skandalumwitterte Fußball-Weltverband Fifa und dessen eigentümlicher Präsident Joseph Blatter Hoffnung auf eine bessere Zukunft machen. Bei ihnen handelt es sich ebenfalls um Sportfreunde, ihr Herz aber gehört nicht dem Ball-, sondern dem Pferdesport. Die traditionsreiche Frankfurter Galopprennbahn, die 2013 ihr 150. Jubiläum feierte, soll nach dem Willen der schwarz-grünen Stadtregierung ihr angestammtes Terrain am grünen Ortsrand verlassen und einer Akademie des Deutschen Fußball-Bundes Platz machen.

Das finden die Pferdefreunde empörend; sie erzwangen einen Bürgerentscheid - den ersten der Stadtgeschichte. Also werden die Frankfurter am 21. Juni entscheiden. Bislang sah es so aus, als hätten die Rennbahnfans, die sich in einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen haben, kaum eine Chance auf einen Erfolg. Schließlich müssten sich mindestens ein Viertel der rund 500 000 Wahlberechtigten an dem Plebiszit beteiligen und eine Mehrheit davon muss für den Erhalt des Turfes stimmen. Schwer vorstellbar. Zwar will die schwarz-grüne Landesregierung als Reaktion auf die allgegenwärtige Abstimmungsmüdigkeit das Quorum für kommunale Bürgerentscheide senken. Doch für das Frankfurter Votum gilt die bestehende hohe Hürde.

Der scheidende Fifa-Präsident - "unser Mitarbeiter des Monats"

Selbst bei den Rennbahn-Aktivisten herrschte lange Zeit Zweifel, ob ihr Ziel überhaupt realistisch ist. Doch seit Anfang des Monats meinen sie, einen prominenten Wahlhelfer gefunden zu haben. "Wir setzen auf den Blatter-Effekt", sagt Peter Seidel von der Gruppe "Die Rennbahn muss bleiben". Der Fifa-Präsident, dessen einst enge Mitarbeiter wegen Korruptionsverdachts in Haft sind und der sich dessen ungeachtet in seinem Amt bestätigen ließ bevor er seinen Rücktritt ankündigte, sei, so Seidel, "unser Mitarbeiter des Monats".

Das Kalkül der Pferde-Fans: Die Fifa-Affäre weckt die Wahlfreude auch jener Frankfurter, denen die Rennbahn ebenso egal ist wie der DFB-Neubau und stachelt all jene an, die schon immer geahnt haben, dass es im großen Fußball heutzutage nicht mit rechten Dingen zugeht. Ausgerechnet Joseph Blatter ist der Strohhalm, an den sich die Galopper klammern.

Am Main gibt es, wie fast überall in Deutschland, mehr Fußball- als Pferdesportfans. Und die Galoppbahn hat ihre besten Zeiten hinter sich. Früher standen auf dem Terrain in Niederrad mehr als 150 Tiere, jetzt ist es nicht einmal mehr ein halbes Dutzend. Einst wurden 20 bis 30 Rennen im Jahr gelaufen; 2015 gibt es bestenfalls fünf. Der Sport hat an Attraktivität verloren, gilt als altmodisch. Und wer wetten will, geht ins Internet, nicht mehr auf die Bahn.

Zudem wurde nicht sonderlich gut gewirtschaftet von den Rennbahnbetreibern; die Stadt Frankfurt subventionierte die Anlage seit Mitte der 90er Jahre mit fast zehn Millionen Euro. Dann kam der DFB und erkundigte sich nach einem passenden Gelände für seine Baupläne. Im Magistrat war man begeistert - und machte dem DFB ein geradezu unwiderstehliches Angebot: 15 Hektar Gelände für gerade einmal 6,8 Millionen Euro, für 99 Jahre Erbpacht. Der Neubau soll stattliche 89 Millionen kosten, dafür sollen zwar keine städtischen Gelder fließen, wohl aber ein paar Millionen von Uefa und Fifa.

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Mit den insgesamt beträchtlichen Kosten wirbt die Bürgerinitiative um Stimmen. "Kein DFB-Palast auf unsere Kosten", lautet ein Slogan. Ein zweiter prangert ein vermeintliches "84-Millionen-Geschenk" an den Fußballverband an - eine Zahl, die die Stadtverantwortlichen energisch bestreiten.

Ganz sicher ist sich die Bürgerinitiative ihrer Sache trotz des "Blatter-Effekts" offenbar nicht. Eigentlich hatte sie aus den 170.000 Euro Spenden weitere Aktionen geplant, um in der Stadt auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Die stehen nun aber nach Worten von Aktivist Seidel unter Finanzierungsvorbehalt. Einen Teil des Geldes wolle man für den Fall aufheben, dass man am 21. Juni eine Niederlage erleide und in eine juristische Auseinandersetzung gehe.

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