Brexit:Mays Ansicht von Großzügigkeit

  • Die britische Premierministerin Theresa May hat angekündigt, dass EU-Bürger auch nach dem Brexit in Großbritannien bleiben dürfen.
  • Menschen, die fünf Jahre im Land lebten, werden demnach einen ordentlichen Aufenthaltsstatus erhalten.
  • Kanzlerin Merkel lobt den Vorstoß, betonte aber, es gebe noch viele offene Punkte bei den Austrittsverhandlungen.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Zum EU-Gipfel wollte die britische Premierministerin Theresa May, so war es angekündigt, ein "großzügiges Angebot" mitbringen. In einer der emotionalsten Fragen, die der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union aufwirft, sollte er für gute Stimmung sorgen.

Was May den anderen Staats- und Regierungschefs zum Abendessen präsentierte, war dann eine "klare Zusage", dass kein EU-Bürger, der derzeit legal in Großbritannien lebt, nach dem Brexit aufgefordert werde, das Land zu verlassen. Sie alle sollten Gelegenheit bekommen, ihren Aufenthaltstatus zu legalisieren. Keine Familie sollte auseinandergerissen werden.

Großzügig? Aus Sicht der anderen EU-Staaten nicht unbedingt. Die Ausweisung von Bürgern, die bis zum Brexit von der Freizügigkeit innerhalb der EU profitiert haben, wäre ein feindseliger Akt, der jegliche gütliche Einigung vereiteln würde. Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete Mays Vorstoß als guten Anfang. Sie betonte aber, es gebe bei den Austrittsverhandlungen noch viele Fragen zu klären. Auch Österreichs Regierungschef Christian Kern zeigte sich ähnlich skeptisch: Es seien noch viele Details offen.

Zähe Verhandlungen sind zu erwarten

Worum es tatsächlich geht, ist die künftige rechtliche und soziale Lage der bereits in Großbritannien lebenden EU-Bürger - und umgekehrt der Briten in der EU. Und hier dürften Mays Vorschläge noch zähe Verhandlungen nach sich ziehen. Wer bis zu einem noch festzulegenden Stichtag zwischen Austrittserklärung und tatsächlichem Brexit fünf Jahre in Großbritannien gelebt habe, soll einen ordentlichen Aufenthaltsstatus bekommen. Man werde anstreben, sie bei Krankenversicherung, Ausbildung, sozialen Ansprüchen und Renten so zu behandeln wie britische Staatsbürger. Allerdings können alle EU-Bürger, die bis zum Stichtag im Land waren, so lange bleiben, bis sie die Fünf-Jahres-Frist erreicht haben.

Wer vor dem Stichtag in Großbritannien gelebt hat, dem soll Gelegenheit gegeben werden, die Fünf-Jahres-Frist zu erreichen, um seinen Aufenthaltsstatus zu legalisieren. May versprach, das Verfahren werde so unbürokratisch wie möglich gestaltet. Die britische Premierministerin verlangte, alle Regelungen müssten auf Gegenseitigkeit vereinbart werden, also auch für die 1,2 Millionen Briten in anderen Ländern der EU gelten.

Für die EU haben die Rechte der Bürger nach dem Brexit laut ihrer Leitlinien für die Verhandlungen "oberste Priorität". Sie verlangt "gegenseitige Garantien", dass die Rechte von bereits in Großbritannien lebenden EU-Bürgern und von britischen Bürgern in der EU auch nach dem Brexit gewahrt bleiben. "Diese Garantien müssen wirksam, durchsetzbar, nichtdiskriminierend und umfassend sein und das Recht beinhalten, nach einem ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt von fünf Jahren ein Daueraufenthaltsrecht zu erlangen", heißt es in den Leitlinien, die EU-Chefunterhändler Michel Barnier binden. Die Bürger sollten außerdem in der Lage sein, ihre Rechte mit Hilfe "reibungsloser und einfacher Verwaltungsverfahren" wahrzunehmen.

May will in der kommenden Woche die Details ihres Vorschlages im britischen Parlament präsentieren. Der Stopp der Zuwanderung aus anderen Staaten der Europäischen Union war ein zentrales Thema der Kampagne vor der Abstimmung über den Brexit gewesen.

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