Brasilien:Furcht vor Gespenstern - Brasiliens Staatschef flieht aus seinem Palast

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Lieber nicht im Präsidentenpalast bleiben: Brasiliens Staatschef Michel Temer. (Foto: REUTERS)
  • In einem Interview sagt der brasilianische Präsident Temer, im Präsidentenpalast Alvorada habe er von der ersten Nacht an nicht schlafen können.
  • Er frage sich, ob es dort Geister gebe.
  • Brasilianische Kommentatoren haben einige Ideen, wer dieser Geist sein könnte.

Von Benedikt Peters

In einer der letzten Nächte Michel Temers im brasilianischen Präsidentenpalast könnte sich Folgendes zugetragen haben: Der Präsident hatte gerade einen Tee getrunken und schlurfte in Pantoffeln in Richtung Badezimmer. Da erschien ihm der Geist. "Wer bist Du? Was willst Du?", fragte der Präsident. "Ich bin die Demokratie", antwortete der Geist. "Was machst Du mit mir, Michel?"

Dass auf brasilianischen Internetportalen nun solche fiktiven Szenarien kursieren, hat mit einem Interview zu tun, das Temer unlängst der Wochenzeitung Veja gab. Der Präsident erklärte darin, warum er Anfang März mit seiner Frau Marcela und seinem Sohn Michelzinho ("Kleiner Michel") nach nur wenigen Tagen überraschend wieder aus dem brasilianischen Präsidentenpalast Alvorada ausgezogen ist.

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"Es hat sich komisch angefühlt. Ich konnte von der ersten Nacht an nicht schlafen. Marcela ging es auch so. (...) Wir dachten: Gibt es hier wohl Geister?"

Seinen zahlreichen Kritikern lieferte der konservative Präsident damit gleich mehrere Steilvorlagen. Denn die Art, wie er im Mai 2016 seine Vorgängerin Dilma Rousseff aus dem Amt gedrängt hatte, ist bis heute heftig umstrittenen. Temer war zuvor Rousseffs Vizepräsident, kündigte im Frühjahr 2016 jedoch die Koalition mit der Regierungspartei auf und strengte mit einigen Getreuen ein Impeachment-Verfahren an, das schließlich zu Rousseffs Amtsenthebung führte. Dabei bediente sich Temer vieler Volten und fragwürdiger Begründungen. Einige werfen ihm daher einen "Putsch" vor, nicht zuletzt die abgesetzte Präsidentin.

So gesehen ist es nur naheliegend, dass der Geist, der Temer im Schlaf stört, in der Version mancher Spötter die Demokratie ist. In einem anderen Szenario ist es Dilma Rousseff höchst persönlich, die den im Bett liegenden Michel Temer an den Füßen zieht.

Seinen siebenjährigen Sohn Michelzinho hat der Umzug offenbar traurig gestimmt. Ihm habe der von Stararchitekt Oscar Niemeyer entworfene Präsidentenpalast sehr gefallen, sagte Temer der Zeitung. Wegen der besonders weitläufigen Räume. Michelzinho sei ständig von einer Ecke des Palastes in die andere gerannt. Aus Sicherheitsgründen hätten die Temers im zweiten Stock des Gebäudes ein Schutzgeländer anbringen lassen, damit dem Kleinen nichts zustoßen könne.

Nun wohnen die Temers wieder im Palacio do Jaburu, dem Wohnsitz des Vizepräsidenten. Dass sie dort bald ausziehen müssen, ist unwahrscheinlich. Denn das Amt des Vizepräsidenten ist in Brasilien seit Monaten vakant. Eben seit Temer Rousseff stürzte. Auch die Handwerker im Präsidentenpalast scheinen nicht mit der Rückkehr der Familie zu rechnen. Das Schutzgeländer für Michelzinho haben sie dem Vernehmen nach gleich wieder abmontiert.

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